# taz.de -- Homosexualität im Frauenfußball: „Ich war doppelt unerwünscht�… | |
> Ex-Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens engagiert sich seit Jahren | |
> gegen Homophobie und Sexismus im Fußball. Genauso lange wartet sie schon | |
> auf Besserung. | |
Bild: „Bei der WM 2011 haben sich alle darauf fokussiert, aus dem Frauenfußb… | |
taz: Frau Walter-Ahrens, derzeit hören wir viel über die Diskriminierung | |
von Schwulen im Fußball. Haben es lesbische Fußballspielerinnen leichter, | |
zu ihrer Homosexualität zu stehen? | |
Tanja Walther-Ahrens: Intern, in den Teams, mag das sicher stimmen. Dort | |
stellt sich die Frage nach einem Coming-out gar nicht, weil klar ist, wer | |
mit wem zusammen lebt. Frauen sind da sehr viel offener als das vielleicht | |
bei den Männern der Fall ist. Diese scheinbare Toleranz endet allerdings | |
schnell, wenn es darum geht, ein öffentliches Statement gegen Homophobie zu | |
setzten, dann gibt es keine Offenheit mehr. | |
An den Fans scheint das aber nicht zu liegen. Homophobe Fangesänge hört man | |
beim Frauenfußball doch eigentlich nie? | |
Das stimmt. Wenn Sie sich ein Frauen-Bundesligaspiel anschauen, dann geht | |
es dort sehr familiär zu. Viele Fans sind mit den Spielerinnen verbunden, | |
sei es nun über die Familie oder freundschaftlich. Dadurch gibt es dann | |
natürlich auch viel weniger Diskriminierung. Aber auf den Tribünen im | |
Frauenfußball herrscht insgesamt eine ganz andere Stimmung. Das liegt auch | |
an der Masse. In einem Stadion mit 80.000 Menschen kann ich mich viel eher | |
daneben benehmen, ohne dass jemand darauf reagiert, als wenn ich da nur mit | |
200 sitze. | |
Sie selbst sind während Ihrer aktiven Bundesliga-Karriere offen damit | |
umgegangen, dass Sie lesbisch sind. War das jemals ein Problem? | |
Eigentlich wurde das nie wirklich thematisiert. Ich habe ja schon 1999 bei | |
Turbine Potsdam aufgehört und damals hatten die Medien überhaupt kein | |
Interesse am Frauenfußball. Es gab auch keine Podiumsdiskussionen zum Thema | |
oder Vorträge. Nur ein Mal, Mitte der 1990er Jahre, habe ich bei Tennis | |
Borussia Berlin einen entsprechenden Vorfall erlebt: Unsere damalige | |
Managerin hat mir und meiner Freundin, mit der ich damals im Team gespielt | |
habe, verboten, Hand-in-Hand zum Training zu kommen. Sie hatte Angst, dass | |
Eltern ihre Töchter vom Verein abmelden könnten. Das schockierende daran | |
war, dass das gesamte Team unsere Managerin in ihrer Meinung unterstützt | |
hat – obwohl sehr viele selbst homosexuell waren. Das hat uns zutiefst | |
getroffen. | |
Wie erklären Sie sich diese Reaktion? | |
Ich glaube, die Unsicherheit mit der eigenen Homosexualität spielt dabei | |
eine große Rolle – damals vielleicht noch mehr als heute. Wir sind leider | |
nach wie vor nicht so willkommen in der Gesellschaft wie viele meinen. | |
Homosexualität ist für viele immer noch ein unangenehmes Thema – auch für | |
Homosexuelle, die in ihrem Denken oder Wissen noch nicht so gefestigt sind. | |
Natürlich wollen wir – mehr oder weniger – dem entsprechen, was die | |
Gesellschaft von uns will. Und wenn ich homosexuell bin, entspreche ich dem | |
gesellschaftlichen Bild eben nicht. Tue ich dann auch noch andere Dinge, | |
die nicht dazu passen, wackelt natürlich mein ganzes Selbstbild – | |
beispielsweise als Frau, die eine Sportart betreibt, die ein „Männersport“ | |
ist. Das verunsichert. Deswegen gibt nach wie vor so viele Homosexuelle, | |
die sich nicht outen. | |
Glauben Sie, dass sich daran nach dem Coming-out von Thomas Hitzlsperger | |
etwas ändern wird? | |
Ich hoffe, dass das längerfristig etwas bewirken wird, dass es eine Art | |
Startsignal für Vereine oder Landesverbände sein könnte. Vielleicht glauben | |
die jetzt endlich mal, dass es Homosexuelle, Schwule im Fußball gibt. Lange | |
Zeit wurde uns das abgesprochen. Wir haben immer wieder gehört: „Ihr redet | |
euch da was ein. Nur weil es in der Gesellschaft fünf bis zehn Prozent | |
Homosexuelle gibt, heißt das nicht, dass es die auch im Fußball gibt.“ | |
Jetzt haben sie den Beweis. Es wäre einfach schön, wenn diese Leute das | |
jetzt auch wahrnehmen und zum Thema machen würden. | |
Sie selbst waren einige Jahre für den Deutschen Fußballbund tätig und haben | |
sich in der Kommission Nachhaltigkeit gegen Homophobie und Sexismus | |
eingesetzt. Wie sehr konnten Sie denn intern Einfluss nehmen, | |
beispielsweise auf die Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland? | |
Gar nicht. Allein der Slogan „20elf von seiner schönsten Seite“ war ja, | |
sagen wir mal, recht ungünstig gewählt – wenn man es nett formulieren | |
möchte. Wenn ich erst Frauenfußball und dann das Wort „Schönheit“ höre, | |
denke ich nicht an Spieltechnik auf dem Feld, sondern an das Aussehen der | |
Spielerinnen. Und ich glaube, genau so war es auch gemeint – nur hinterher | |
wollte es wieder keiner zugeben. Ich hätte mir gewünscht, dass die, die | |
dafür verantwortlich waren, die WM zu gestalten und zu vermarkten, mutiger | |
gewesen wären und gesagt hätten: „Wir wollen Frauenfußball als das | |
vermarkten, was er auch ist: Leidenschaft, die Liebe zur Bewegung, Spaß – | |
und Emanzipation.“ Aber das hat sich niemand getraut. Letztendlich haben | |
sich bei der WM alle darauf fokussiert, aus dem Frauenfußball einen | |
heterosexuellen Sport zu machen. Das war ihnen so wichtig, dass es an | |
vielen Punkten schon fast peinlich war. Ich habe immer gesagt, dass ich das | |
nicht gut finde. Aber das war dann wie der berühmte Sack Reis, der irgendwo | |
umfällt und auch niemanden interessiert. | |
Das klingt nicht so, als wäre Ihre Lobby beim DFB besonders groß gewesen. | |
Eigentlich hatte ich immer nur den Rückhalt von Theo Zwanziger (Anm. d. | |
Red.: damaliger DFB-Präsident). Ich habe immer für ein Thema gestanden, das | |
unpopulär ist: Wenn man mit dem Thema Homosexualität um die Ecke kommt, | |
dann ist man nicht sehr willkommen. Und dann kommt noch hinzu, dass ich aus | |
einer Randsportart komme, dem Frauenfußball. Das hat mich natürlich doppelt | |
„unerwünscht“ gemacht. Daher hatte ich nicht wirklich eine Lobby und | |
seitdem Zwanziger weg ist, gibt es gar keine mehr. | |
Hat sich in den letzten Jahren denn gar nichts zum Positiven verändert? | |
Verändert hat sich auf jeden Fall, dass überhaupt über Homosexualität | |
gesprochen wird. Und es gibt immer mehr Aktionen, die sich mit | |
Homosexualität und Sport oder Fußball beschäftigen. Aber gleichzeitig gibt | |
es immer noch zu viele Stellen, an denen das Thema ausgeblendet wird. Das | |
gilt im Übrigen für alle Themen, die unter das Dach der Vielfalt fallen. | |
Sei es nun Religion, Alter oder Geschlechteridentität. Wenn ich mich für | |
das Thema Vielfalt engagiere, kann ich nicht um die Ecke biegen, einen | |
Workshop halten und denken: „Jetzt haben es alle begriffen.“ Da geht es um | |
Einstellungen und die kann ich nicht mit einem Mal gut zureden verändern. | |
Stattdessen muss man das Thema immer wieder anbringen und zeigen: Dieser | |
oder jene ist schwul oder lesbisch und kann das trotzdem – auch wenn du | |
denkst, sie könnten es nicht. Ich hoffe, dass das Coming-out von | |
Hitzlsperger dazu beitragen könnte, dass meine Tochter, die jetzt drei | |
wird, in einer Gesellschaft groß wird, in der es völlig egal ist, wo sie | |
herkommt, wer ihre Eltern sind, wen sie liebt und was sie in ihrem Leben | |
machen will. | |
Das klingt sehr optimistisch. | |
Ja, weil ich auch daran glaube, dass es möglich ist. Der Mensch ist ja noch | |
bis ins hohe Alter lernfähig, das wissen wir mittlerweile. Deswegen dürfen | |
wir nicht aufgeben. Natürlich gibt es immer wieder Rückschritte. Aber wenn | |
wir einfach nur sagen „Wir ergeben uns, wir haben eh keine Chance“, dann | |
fallen wir in eine Zeit zurück, in die wir auf keinen Fall zurück wollen. | |
27 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Lan-Na Grosse | |
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