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# taz.de -- Hohe Abgaswerte bei Autoherstellern: Erst Dreck, dann Druck
> Fahrzeuge von Mercedes und BMW zeigen in Tests überhöhte Werte. Die
> Hersteller bestreiten die Probleme – und bedrohen Prüfer und Medien.
Bild: Auch Daimler ist betroffen
Berlin taz | Es war eine bemerkenswerte Pressekonferenz am Mittwoch in
Berlin: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte eingeladen, um über neue
Abgastests zu informieren, die nicht nur VW betreffen. Etwa die Hälfte der
rund 20 Teilnehmer waren aber keine Journalisten, sondern Anwälte und
Mitarbeiter von Autokonzernen. Mit Mobiltelefonen nahmen einige von ihnen
jedes gesprochene Wort auf und fotografierten die am Eingang ausliegende
Teilnehmerliste. Als dieser Vorgang dokumentiert werden sollte, verließen
sie mit verdecktem Gesicht fluchtartig das Gebäude.
Das Ziel war klar: Mercedes und BMW wollen unliebsame Berichte verhindern.
Schon im Vorfeld hatten Anwälte im Auftrag der Konzerne die DUH vor
Anschuldigungen gewarnt. Sollte der Verband „auch nur irgendwie die
Behauptung aufstellen“, dass Mercedes „Abgaswerte manipuliert habe“, werde
man „mit aller gebotenen Nachhaltigkeit“ dagegen vorgehen und den Verband
„für jeden wirtschaftlichen Schaden, der meiner Mandantin dadurch entsteht,
haftbar machen“, [1][schreibt der Berliner Anwalt Christian Schertz].
Zugleich verlangt er, dass diese Drohung geheim bleibt: Das Schreiben dürfe
nicht öffentlich werden, sonst drohten „gesonderte rechtliche Schritte“.
Zumindest über diese Warnung setzte sich die DUH hinweg, indem sie das
Schreiben auf ihre Homepage stellte und in der Pressekonferenz daraus
zitierte. Ansonsten zeigten die Drohungen aber Wirkung. Der Verband stellte
zwar [2][detaillierte Messergebnisse] vor, die zeigen, dass auch Fahrzeuge
von BMW und Mercedes einen deutlich erhöhten Stickoxid-Ausstoß haben, wenn
auf der Straße statt im Prüfstand gemessen wird. Doch mit
Schlussfolgerungen hielt sich die DUH zurück.
Dabei sind die Ergebnisse recht klar: Die DUH hatte an der Abgasprüfstelle
der Berner Fachhochschule in der Schweiz einen Diesel-Pkw von Mercedes aus
dem Jahr 2011 messen lassen. Dabei zeigte sich, dass er nach den bei den
Tests üblichen drei Messzyklen am Vortag bei einer weiteren Messreihe nach
einem Kaltstart die vorgegebenen Stickoxid-Grenzwerte einhielt. Wurde der
gleiche Test anschließend im warmen Motorenzustand erneut durchgeführt, war
das Ergebnis mehr als doppelt so hoch, der Grenzwert wurde weit
überschritten.
Weitere Tests durch das gleiche Labor [3][ließ das ZDF-Magazin „Frontal 21“
durchführen]. Dabei wurden der Mercedes sowie ein BMW und ein Volkswagen
zunächst auf dem Prüfstand getestet. Anschließend wurde der Fahrzyklus des
Labors computergestützt auf der Straße simuliert, dabei wurden die Abgase
gemessen. Bei dem VW handelte es sich um ein Fahrzeug, bei dem bereits
bekannt ist, dass es eine illegale Abschaltvorrichtung nutzt, die mit einer
Software die Testsituation erkennt und dafür sorgt, dass die Abgase dabei
deutlich besser gereinigt werden als im Alltagsbetrieb. Hier waren die
gemessenen Werte auf der Straße rund viermal so hoch wie im Labor.
## Die Messwerte sind kaum zu erklären
Doch auch die beiden anderen Fahrzeuge, deren Hersteller die Verwendung
illegaler Abschaltvorrichtungen bisher vehement verneinen, zeigten auf der
Straße bei exakt gleicher Fahrweise wie im Labor stark erhöhte Werte:
Sowohl beim BMW als auch beim Mercedes waren sie nach Abzug der
Messungenauigkeit knapp dreimal so hoch. Dennoch bestritten die Hersteller
auch gegenüber dem ZDF jedes illegale Vorgehen. Daimler-Sprecher Jörg Howe
sagte zur taz, dass es sich bei den getesteten Wagen um Gebrauchtfahrzeuge
handele. „Niemand kann ausschließen, dass sie beschädigt oder von Dritten
manipuliert worden sind.“ Gegenüber dem ZDF nennen BMW und Mercedes als
mögliche Gründe für die Abweichung die Ungenauigkeit des Messgeräts sowie
den Einfluss von Temperatur, Straßenbelag und Wind.
Experten halten das für wenig überzeugend. „Es gibt keine technische
Erklärung, warum sich Werte auf der Straße sich dermaßen von denen im Labor
unterscheiden“, betont Kai Borgeest vom Zentrum für Verbrennungsmotoren an
der Uni Aschaffenburg. Die Abweichungen seien viel zu groß, um durch
Messungenauigkeiten oder Wettereinfluss verursacht worden zu sein. „Es ist
sehr naheliegend, dass hier ebenfalls eine Abschaltvorrichtung eingesetzt
wird“, sagt Borgeest. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen.“
Der Abgas-Experte Axel Friedrich, der früher beim Umweltbundesamt arbeitete
und als freier Berater die Tests für Umwelthilfe und ZDF begleitet hat,
hält die Messwerte ebenfalls für „physikalisch-chemisch nicht zu erklären�…
Auf die Frage, ob es aus seiner Sicht eine andere Erklärung gibt als eine
illegale Abschaltvorrichtung, antwortet er ausweichend: „Meine
Haftpflichtversicherung reicht nicht aus, um dazu eine Aussage zu treffen.“
Auch das ZDF hatte vor Ausstrahlung des Beitrags warnende Schreiben von
Anwälten der Konzerne bekommen. Zudem sei in Deutschland keine
Prüfeinrichtung bereit, Abgastests für Umweltverbände oder Medien
durchzuführen, berichtet DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. „Niemand will
die Aufträge der Autokonzerne verlieren.“ Und auch Wissenschaftler, die
sich zu dem Thema äußern, spüren Druck, berichtet Borgeest. Denn die
meisten Universitäten seien auf Aufträge aus der Industrie angewiesen.
„Darum besteht eine geringe Bereitschaft, Dinge beim Namen zu nennen.“
16 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.duh.de/uploads/media/Daimler_AG_Schreiben_RA.pdf
[2] http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=3703&am…
[3] http://www.zdf.de/frontal-21/auffaellige-abgaswerte-nicht-nur-bei-vw-sonder…
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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