# taz.de -- Frontex über europäische Grenzen: „EU-Recht verlangt Grenzkontr… | |
> Mit den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer habe die | |
> Grenzsicherungsagentur Frontex nichts zu tun, sagt deren | |
> stellvertretender Direktor Gil Arias. | |
Bild: Die italienische Küstenwache eskortiert Flüchtlinge nach Lampedusa. (Ar… | |
taz: Herr Arias, stellen wir uns vor, ich bin ein junger Syrer, der dem | |
Krieg entkommen will. Ich weiß, dass ich in Europa Asyl erhalten könnte. | |
Wie komme ich hier rein? | |
Gil Arias: Frontex ist nicht für Asyl zuständig. Wenn Asylsuchende als | |
irreguläre Migranten kommen, gibt es zwei Dinge, die wir tun: Das so | |
genannte Screening, bei dem wir die Identität und Herkunft der Migranten | |
festzustellen versuchen. Und das – freiwillige – De-Briefing. Dabei | |
befragen wir die Migranten über ihre Migrationsroute. Das dient der | |
Bekämpfung von Schleppern. Wenn die Migranten dabei sagen, dass sie Asyl | |
beantragen wollen, leiten wir sie an die zuständigen Behörden weiter. | |
Flucht findet in der Regel als „irreguläre Migration“ statt. Die zu | |
verhindern, ist ihre Aufgabe. Arbeiten Sie nicht vor allem daran, dass | |
Asylsuchende möglichst gar nicht mehr in der EU ankommen? | |
Unsere Aufgabe ist es, die EU-Strategie für ein integriertes | |
Grenzmanagement umzusetzen. Dazu gehört viel mehr – auch, den Migranten | |
beim Zugang zum Asylverfahren zu helfen. Es ist wahr: Das EU-Recht verlangt | |
Grenzkontrollen. Und die haben zum Ziel, Menschen daran zu hindern, die | |
Grenzen irregulär zu überqueren, und solche Migranten aufzuspüren. Dabei | |
helfen wir. Aber Frontex-Operationen bestehen nicht nur aus der | |
Grenzkontrolle. | |
Syrische Flüchtlinge, die versucht haben aus der Türkei nach Giechenland zu | |
kommen, berichten, dass die griechische Küstenwache sie gestoppt und in die | |
Türkei zurück geschleppt habe. Dabei seien sie teils misshandelt worden. | |
Was wissen Sie darüber? | |
Wir haben solche Berichte bekommen, auch aus den De-Briefing-Interviews, | |
die wir mit den Migranten machen. Dabei wurde aber klar, dass keine | |
Grenzschützer aus anderen EU-Staaten, die für Frontex-Missionen nach | |
Griechenland entsandt wurden, an solchen Aktionen beteiligt waren. Wir | |
haben die griechischen Behörden um Aufklärung gebeten. | |
Und was haben die gesagt? | |
In einigen Fällen haben sie gesagt, dass sie die Vorwürfe nicht bestätigen | |
können. In anderen Fällen läuft die Untersuchung noch. | |
Am 25. Januar ertranken nahe der griechischen Insel Farmakonisi 12 Menschen | |
aus Syrien und Afghanistan. Die Überlebenden dieses Unglücks berichten, ihr | |
Boot sei gekentert, als die griechische Küstenwache sie mit hoher | |
Geschwindigkeit in Richtung Türkei zurück geschleppt habe. Was wissen Sie | |
darüber? | |
Es laufen zwei Untersuchungen: Eine der Küstenwache und eine der | |
Staatsanwaltschaft. Das warten wir ab. Bislang wissen wir nur, dass keine | |
europäischen Frontex-Beamten aus anderen EU-Staaten an diesem tragischen | |
Vorfall beteiligt waren. | |
Haben Frontex-Mitarbeiter mit den Überlebenden gesprochen? | |
Nein. Das war keine Operation von uns. Das ist deshalb außerhalb unserer | |
Möglichkeiten. | |
In der Region betreibt Frontex die ,Poseidon'-Mission, mit der es | |
Griechenland bei der Grenzsicherung unterstützt. Müssten Sie die nicht | |
unterbrechen, bis feststeht, dass Griechenland keine solchen illegalen | |
Zurückschleppungen mehr betreibt? | |
Wenn es schwerwiegende Grundrechtsverletzungen gäbe, könnten wir unsere | |
gemeinsame Operationen mit Griechenland aussetzen oder stoppen. Aber wir | |
haben keine Hinweise, dass Grundrechtsverletzungen oder die Tragödie von | |
Farmakonisi im Rahmen unserer gemeinsamen Operationen geschehen sind. Und | |
nur darauf können wir reagieren. | |
Jetzt verabschiedet die EU neue Regeln für die Sicherung der Seegrenzen. | |
Dann können Sie Flüchtlinge schon auf Hoher See aufhalten. Nehmen wir an, | |
ihre Leute stoppen auf dem Mittelmeer ein Boot mit 40 Menschen aus Tschad, | |
Westsahara und Eritrea. Was geschieht? | |
Wenn wir das Boot in Hoheitsgewässern stoppen, werden die Menschen an die | |
Küsten dieses Landes gebracht. Wenn wir das Boot in internationalen | |
Gewässern anhalten, dann werden die Menschen in das Land zurück gebracht, | |
in dem sie vermutlich losgefahren sind. Es muss aber immer vorher geprüft | |
werden, ob die Migranten dort sicher sind, ob ihre Grundrechte respektiert | |
werden. | |
Die Herkunft der Menschen spielt also keine Rolle, es geht nur noch darum, | |
wo sie losgefahren sind? | |
Ja. Es geht allein um das Land, in dem sie losgefahren sind. Uns | |
interessiert nur, ob sie da sicher sind, oder nicht. | |
Auch, wenn sie aus einem Kriegsgebiet kommen? | |
Wenn das Land, in dem sie losgefahren sind, sicher ist, können sie auch | |
dort Asyl bekommen. Das ist aber eine theoretische Situation. In unser | |
Praxis bringen wir alle nach Europa. | |
Das mag jetzt so sein. Die Gesetze ändern sich aber gerade. Die Frage ist | |
deshalb, was Sie in Zukunft tun – etwa mit Flüchtlingen, die über Libyen | |
kommen. Dort gibt es kein Asylsystem. | |
Lassen Sie uns darüber sprechen, was wir jetzt tun und nicht über die | |
Zukunft spekulieren. Sie fragen, wie wir ein Gesetz umsetzen, dass es noch | |
gar nicht gibt. Wir wissen nicht, wann die Verordnung kommt und wir wissen | |
nicht, ob Libyen dann sicher ist. | |
Die neue Verordnung verpflichtet Frontex-Missionen, Hilfe in Seenot zu | |
leisten. | |
Das internationale Seerecht verpflichtet jeden, auch Frontex, Menschen in | |
Not zu retten. Das ist nicht neu. | |
Es gab aber sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wann Seenot beginnt. | |
Jetzt jedenfalls ist die Pflicht zur Seenotrettung für Frontex auch Teil | |
des EU-Rechts. Das ist neu. Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien und | |
Malta haben aber in den Gesetzgebungsprozess eingegriffen. Sie wollten | |
unbedingt verhindern, dass Frontex diese Pflicht auferlegt wird. Warum? | |
Keine Ahnung. Das müssen Sie diese Länder fragen. | |
Was halten Sie von dieser Erklärung: Die Länder wollten, dass für | |
Flüchtlinge das Risiko, nicht aus Seenot gerettet zu werden, hoch bleibt. | |
Diese Gefahr soll sie abschrecken. | |
Alles was ich dazu sagen könnte, wäre reine Spekulation und ich werde über | |
die Motive dieser Länder nicht spekulieren. | |
In Libyen will die EU Grenzschützer trainieren. Deutschland ist an dieser | |
Mission beteiligt, auch Frontex soll helfen. | |
Frontex soll den Europäischen Auswärtigen Dienst der EU dabei unterstützen, | |
libysche Grenzbeamte zu trainieren. Das Training hat wegen der | |
Sicherheitslage aber noch nicht begonnen. | |
In der Praxis würden sie dort Milizionäre, nicht-staatliche Kämpfer ohne | |
demokratische Legitimation ausbilden. | |
Wir haben keine Kapazität das zu prüfen. Wir verlassen uns auf den | |
Europäischen Auswärtigen Dienst, der dazu befähigt ist, die Lage zu | |
bewerten. | |
Zu Gaddaffis Zeiten wurden subsaharische Transitmigranten in Libyen | |
besonders grausam behandelt. Ähnliche Berichte gibt es aber auch über die | |
jetzt herrschenden Milizen. Sind das Partner für Sie? | |
Wir haben Informationen über solche Praktiken aus der Gaddaffi-Ära. Was die | |
Zeit nach der Revolution angeht, haben wir keine solchen Erkenntnisse. Wenn | |
wir Belege dafür hätten, dass es wiederholte, schwerwiegende | |
Grundrechtsverletzungen in Libyen gibt, müssten wir unsere Beteiligung | |
überdenken. Aber die EU-Kommission hat da mehr Einblick als wir. Wir | |
erwarten von ihr, uns da ein angemessenes Bild vermitteln. | |
1 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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