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# taz.de -- Drugchecking in Berlin: Wissen, was man nimmt
> In Berlin kann man jetzt harte Drogen auf ihre Inhaltsstoffe checken
> lassen – und das ist sehr vernünftig.
Bild: Demonstration von möglichem Drug-Checking im Landeslabor Berlin-Brandenb…
Es gibt in Berlin eine etwa drei Kilometer lange Achse, die grob gesagt vom
südlichen Friedrichshain zum Kottbusser Tor in Kreuzberg führt, auf der man
harte Drogen auf der Straße nicht nur kaufen kann, sondern streckenweise
geradezu aufgedrängt bekommt. Im Rest der Stadt übernehmen die so genannten
Kokstaxis das Geschäft. Wem das nicht passt, der schlägt in der Regel vor,
immer mehr Polizei dagegen einzusetzen. An der Verfügbarkeit von Drogen
geändert hat das nie etwas.
Dabei gibt es durchaus ein Problem. Denn die Menschen wissen oft gar nicht,
was sie da eigentlich konsumieren. Das zeigt etwa ein Blick in die Schweiz,
[1][auf die Webseite Safer Party], eine Initiative der Stadt Zürich. Bei
praktisch jeder im Labor der dortigen kommunalen „Kantonsapotheke“
[2][analysierten Drogenprobe] steht ein Warnhinweis.
„Syntheseverunreinigung“ heißt es manchmal.
Dann sind unbekannte Stoffe enthalten, von denen niemand weiß, wie sie auf
den Körper wirken. Streckmittel werden entdeckt, meist aber steht dort
„extrem überdosiert“. Die doppelte Wirkstoffmenge dessen, was ein gesunder
Organismus verträgt, ist heute oft in Ecstasy-Pillen enthalten. Manchmal
gar das Vierfache. Für Konsument:innen ist das unmöglich zu erkennen.
Teils hat sich das herumgesprochen. Teils auch nicht. Unwissenheit,
Alkoholeinfluss, Leichtsinn – es gibt viele Gründe, warum Menschen
unvorsichtig sind und zu viel nehmen. Eine ganze Pille oder gar zwei. Das
kann dann ein Ticket auf die Intensivstation sein. Wenn es schlecht läuft,
stirbt man.
## Mischkonsum und Überdosierung sind gefährlich
Die Dosis macht das Gift. Bei Rauschmitteln gilt das ganz besonders.
Überdosierung ist eine verbreitete drogenbedingte Todesursache bei
Konsument:innen, genau wie Mischkonsum. „Polytoxikomanie“ ist der
Fachausdruck. Doch woher sollen vor allem Jugendliche wissen, wie man
dessen Risiken vermeidet? Das Einzige, was ihnen institutionell zu dem
Thema vermittelt wird, ist: Drogen machen abhängig und sind verboten. Das
reicht nicht.
Berlin lebt auch, immer noch, von seiner einzigartigen Subkultur. Menschen
aus der ganzen Welt kommen deshalb in die Stadt. Drogen zu nehmen gehört
für einen Teil von ihnen dazu. Erfahrung damit haben sie teils keine. Auch
ihnen sagt niemand, was zu beachten ist. Im Juni 2017 starb eine 30-jährige
Amerikanerin so an einer Überdosis im Club Berghain. Ihr Tod [3][erregte
viel Aufsehen]. Andere Fälle, die „nur“ im Krankenhaus landen, tun das
nicht. Doch die gibt es zuhauf, wie Beschäftigte in Notaufnahmen berichten.
Das war bislang die Realität. Und so ist es ein humaner und in jeder
Hinsicht vernünftiger Ansatz, dass Berlin in dieser Woche eine Möglichkeit
zum sogenannten Drugchecking eingeführt hat: In Beratungsstellen können
Konsument:innen Substanzen untersuchen lassen. Das Ergebnis gibt es
kostenlos und anonym per Telefon, Aufklärung inklusive. Das ist ein
Erleichterung für Konsument:innen, denen an ihrer Gesundheit liegt. Und
davon haben auch andere etwas – wenn Testergebnisse im Netz veröffentlicht
werden.
Der Staat „verharmlost“ dadurch den Konsum nicht, und er „animiert“ auch
niemanden zu diesem, wie Kritiker:innen behaupten. Andere Staaten, vor
allem die konservative Schweiz, haben beste Erfahrungen mit Drugchecking
gemacht: Neue Substanzen und Konsumtrends werden früh erkannt, der Zugang
zu Beratungen ist niedrigschwellig und wird gut angenommen. Das Berliner
Projekt wurde noch vom rot-rot-grünen Senat ab 2016 [4][auf den Weg
gebracht]. Die jetzt regierende CDU sollte der Versuchung, die Dinge hier
wieder zurückzudrehen, unbedingt widerstehen.
11 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.saferparty.ch/warnungen
[2] /Drogencheck-in-Zuerich/!5367353
[3] /Umgang-mit-Drogentod-im-Berghain/!5490004
[4] /Berlin-bekommt-Drogen-Check-Stelle/!5603289
## AUTOREN
Christian Jakob
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