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# taz.de -- Bundesregierung und Klimaschutz: Das wahre Klimakabinett
> Die sechs zuständigen Fachminister haben das erste Mal getagt. Aber
> eigentlich haben alle Ressorts gute Gründe, die Erwärmung zu bekämpfen.
Bild: Müssten eigentlich alle ran ans Klima: Merkels Kabinett
Am Mittwoch tagte nach dem wöchentlichen Bundeskabinett zum ersten Mal das
sogenannte „Klimakabinett“. Unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) beraten dort die MinisterInnen für Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft,
Inneres, Finanzen und Wirtschaft darüber, wie Deutschland seine Klimaziele
bis 2030 einhalten kann. Die Sitzung sei „sehr konstruktiv“ verlaufen,
erklärte Umweltministerin Svenja Schulze. „Bis Ende Mai“ sollten die
Vorschläge auf dem Tisch liegen, wie jedes einzelne Ministerium seine
CO2-Reduktionsziele erreichen will.
Jedes einzelne Ministerium? Was ist eigentlich mit den anderen Ressorts,
die sich nicht um die klassischen großen Verschmutzer kümmern? Auch alle
anderen Ressortchefs haben gute Gründe, beim Kampf gegen CO2 endlich
richtig Ernst zu machen. Aber die fragt ja keiner.
Die taz dokumentiert also, was die einzelnen Fachgebiete zum Klimagesetz
denken, aber nicht auszusprechen wagen:
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
Ich unterstütze echten Klimaschutz, alles andere wäre gegen jeglichen
Menschenverstand. Ohne klare Ansagen hat es die deutsche Autoindustrie
schwer, sich umzustellen. VW macht es gerade vor, wie man sich auf eine
Zukunft jenseits des Verbrennungsmotors einstellt Das sind wir unserer
wichtigsten Industriebranche also schuldig. Dazu kommt: Ein ungebremster
Klimawandel behindert die freie Fahrt für freie Bürger: Straßen leiden
unter Hitze und Fluten, Stürme legen Bäume um und Bahnlinien lahm, trockene
Flüsse taugen nicht für die Schifffahrt.
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU)
Insgeheim finde ich das Klimaschutzgesetz meiner Kollegin Schulze toll.
Schon, weil ich als Weinkennerin einen Horror davor habe, bald nur noch
liebliche deutsche Weine zu trinken, wenn es immer wärmer wird. Außerdem
hat der letzte Dürresommer bei den Bauern Schäden von 3 Milliarden Euro
angerichtet. Die 170 Millionen an Nothilfen vom letzten Jahr investieren
wir lieber in klimafreundliche Landwirtschaft. Eigentlich müssten wir aber
vor allem weniger Tiere halten. Ein aktuelles Gutachten des Öko-Instituts
zeigt, dass sonst alle meine Klimaschutz-Vorschläge nicht reichen. Aber das
kann ich natürlich nie laut sagen.
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU)
Ich bin für das ehrgeizige Gesetz, damit hier endlich mal Ruhe ist. Mit
wenig anderem nerven mich die Kolleginnen und Kollegen so wie mit diesem
Umweltkram. Diesel, CO2-Steuern, Klimagesetz, dauernd gibt es Streit, den
wir aus dem Kanzleramt dann schlichten müssen. Und dann auch noch andauernd
diese schreienden Schüler vor der Haustür! Als Arzt weiß ich, dass es nicht
gesund ist, wenn es zu heiß wird. Weder draußen noch am Kabinettstisch.
Justizministerin Katarina Barley (SPD)
Ich bin für ein starkes Klimaschutzgesetz, weil wir nur so unsere
internationalen Verträge einhalten können. Deutschland und die EU haben
schließlich das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ratifiziert. Damit sind
wir an die Ziele gebunden und müssen bis 2040 wirklich aus Gas, Öl und
Kohle aussteigen, wenn wir unseren Beitrag dazu leisten wollen, die
Erderhitzung bei 1,5 oder höchstens 2 Grad zu stoppen. Wie stehen wir denn
völkerrechtlich da, wenn wir die USA kritisieren, weil sie das Abkommen
verlassen wollen – aber wir es selbst einfach nicht umsetzen?
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Ich unterstütze Schulzes Klimaziele, denn als Umweltminister haben mich die
anderen auch immer im Regen stehen lassen. Außerdem brauchen wir
Klimaschutz als Innovationsmotor. Die Wirtschaft schreit nach einem
CO2-Preis, und die Industrie sagt, minus 80 Prozent bis 2050 könne sie ohne
Probleme schaffen. Und es rechnet sich: Weltweit kostet Klimaschutz bis
2050 etwa 22 Billionen Dollar, sagt die UNO. Ganz schön viel. Aber viel
billiger als die 54 Billionen, die Nichtstun an Schäden bringt.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
Ich bin schon deshalb für entschlossenen Klimaschutz, weil ich als jüngster
Minister die Auswirkungen der Erhitzung noch spüren werde. Außerdem trifft
es besonders Alte und Kranke. Die werden unter zunehmenden Hitzewellen
besonders leiden. Neue Krankheiten wie Malaria breiten sich auch bei uns
aus, und eine immer älter werdende Bevölkerung wird schwerer mit diesen
Problemen zurechtkommen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU)
Ich bin für Klimaschutz – auch, weil das mein Ministerium immer wichtiger
macht. Über meinen Etat fließen nämlich die meisten Klimahilfen. Weltweit
leiden besonders die Menschen unter Dürren, Stürmen, Überflutungen und
steigenden Meeresspiegeln, die sich am wenigsten wehren können. Jeder Euro
für den Klimaschutz bringt gute Rendite. Außerdem bin ich zuständig für die
Einhaltung der UN-Nachhaltigkeitsziele wie Bildung und Gesundheit. Da geht
nichts ohne Klimaschutz. Da muss Deutschland, eines der reichsten Länder,
vorangehen.
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU)
Ich unterstütze Kollegin Schulze beim Klimaschutz, weil sich das
Klimaschutzgesetz an den Aussagen der Wissenschaft orientiert. Die sagt uns
immer wieder, dass wir zu wenig tun und zu langsam sind. Wenn ich mit
Experten rede, wird mir da immer ganz heiß. Wir müssen ab 2020, also ab
nächstem Jahr, die weltweiten CO2-Emissionen in einem Tempo sinken lassen,
wie wir es bisher nur in Kriegen oder Wirtschaftskrisen erlebt haben.
Andererseits ist das alles technisch machbar, wir haben die Mittel, die
Werkzeuge und das Geld. Entscheiden muss allerdings die Politik. Also wir.
Außenminister Heiko Maas (SPD)
Ich bin für ein starkes Klimagesetz, damit sich Deutschland international
nicht weiter lächerlich macht. Schließlich haben wir angekündigt, unseren
Sitz im UN-Sicherheitsrat in den nächsten zwei Jahren zu nutzen, um
Klimapolitik zum zentralen Thema zu machen. Gerade habe ich mich beim
„Energiewende-Dialog“ in Berlin von Dutzenden von Ministern aus aller Welt
dafür feiern lassen. Und weltweit erkläre ich allen, dass der Anfang vom
Ende der Fossilen begonnen hat und Klimapolitik Friedenspolitik ist. Da
müssen wir einfach liefern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (noch CDU)
Ich drücke Svenja Schulze die Daumen, weil ich gern ganz am Ende doch noch
als Klimakanzlerin durchgehen will. Das versuche ich jetzt seit über 13
Jahren und vorher schon als Umweltministerin und habe es nie geschafft. Das
wäre doch schön, wenn nach dem Kanzler der Einheit und dem „Basta“-Kanzler
Angela Merkel als Weltretterin in Erinnerung bleibt. Dafür würde ich sogar
mal über meinen Schatten springen und politisch Führung zeigen.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD):
Ich finde das Klimaschutzgesetz toll, weil es zwar viel Arbeit macht, aber
auch eine Menge Arbeit bringt. Wenn wir zum Beispiel endlich Ernst machen
mit der Dämmung von Gebäuden, bringt das Beschäftigung in der Bauindustrie.
Wenn Deutschland die Pariser Klimaziele einhalten will, sagen Studien bis
zu 100.000 zusätzliche Jobs voraus. Für die heimische Infrastruktur, aber
auch bei Firmen, die Umwelt- oder Effizienztechnik in alle Welt
exportieren. Diese Sicherheit für Investitionen garantieren wir mit einem
ehrgeizigen Klimaschutzgesetz.
Innenminister Horst Seehofer (CSU)
Ich bin für das Klimaschutzgesetz, weil mein Haus „Heimatministerium“ und
nicht „Heimatmuseum“ heißt, wie ich am Beginn meiner Amtszeit dachte.
Jedenfalls werden die Schäden durch Starkregen, Überschwemmungen und
Trockenheit kräftig zunehmen, das heißt Arbeit für mein THW. Wir verlieren
unsere Strände und unsere bayerischen Gletscher, die Flüsse trocknen wie im
letzten Hitzesommer immer häufiger aus. Und als Bauminister leide ich, wenn
immer mehr Gebäude Wetterschäden aufweisen, die eigentlich Klimaschäden
sind.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)
Ich plädiere für echten Klimaschutz, weil da noch mehr Geld fehlt als beim
Militär. Wir renovieren doch nicht die „Gorch Fock“ für 135 Millionen, um
sie dann im Sturm zu riskieren! Wenn der Klimawandel so weitergeht, muss
ich meine Soldatinnen und Soldaten immer häufiger in Konflikte schicken.
Die Bundeswehr hat schon 2012 in einer Studie gewarnt, der Klimawandel
destabilisiere den Nahen Osten und Nordafrika. Klimakrisen setzen
demokratische Regierungen unter Druck und erhöhen das Konfliktrisiko. Nicht
nur in der Groko.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD)
Ich votiere für ein starkes Klimagesetz, denn am Ende trifft es immer die
Schwächsten, wenn etwas schiefgeht. Kinder, Alte, Kranke leiden am meisten,
wenn wir uns nicht mehr auf die Natur verlassen können. Es stimmt auch
nicht, dass etwa höhere Preise für Benzin, Gas oder Strom immer die Ärmsten
treffen müssen. Man kann solche Abgaben ja sozial gerecht gestalten, einen
Grundbetrag billiger machen oder die Einnahmen am Ende des Jahres
zurückzahlen.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD):
Ich unterstütze das Klimaschutzgesetz, weil ich ein cooles Image brauche
und rechnen kann. Denn weil Deutschland seine Klimaziele verpasst, musste
ich bereits in den Eckpunkten bis 2021 jährlich 100 Millionen einplanen,
damit wir CO2-Zertifikate aus anderen EU-Ländern kaufen können. Bald wird
das richtig teuer: Bis 2030 könnten insgesamt bis zu 30 Milliarden Euro für
diese Lizenzen anfallen. Und wie soll ich irgend jemandem erklären, dass
wir dieses Geld lieber ans Ausland zahlen, statt es hier in die
Modernisierung unserer Infrastruktur zu stecken?
11 Apr 2019
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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