# taz.de -- Britischer Vorschlag zum Flugverkehr: Das Ende der Vielfliegerei | |
> In Großbritannien schlägt ein Komitee vor, Vielfliegen aus | |
> Klimaschutzgründen abzuschaffen. Wäre das auch hierzulande möglich? | |
Bild: Einfach mal am Boden bleiben: Flugzeuge der British Airways in Heathrow | |
BERLIN taz | In der Diskussion um Klimaschutz im Flugverkehr kommt jetzt | |
ein neuer Vorschlag aus Großbritannien: Wer viel fliegt, der soll nicht | |
auch noch dafür belohnt werden, [1][fordert das Committee on Climate Change | |
(CCC)], das die Regierung in London berät. | |
Die beliebten Treueprogramme der Airlines mit Bonusmeilen, Freiflügen und | |
„All you can fly“-Pässen sollten abgeschafft werden. Explizit verboten | |
werden sollen die Programme allerdings nicht. Stattdessen fordert das | |
Gremium eine eigene Steuer aufs Vielfliegen, um die von Fluggesellschaften | |
geschaffen Anreize obsolet zu machen. | |
Um die Steuer zu berechnen, solle eine Datenbank die geflogene Meilen der | |
Brit:innen dokumentieren. Werbung für Flugreisen sollte ähnlich reguliert | |
werden wie Anzeigen für [2][Alkohol und Tabak]. Außerdem sollten Kund:innen | |
beim Kauf einer Flugreise darüber informiert werden, wie viel Emissionen | |
durch ihren Flug entstehen. | |
Das vom Parlament unabhängige Klimakomitee ist eine in Großbritannien | |
anerkannte Institution. Es wurde bereits 2008 gegründet, [3][um das | |
Vereinigte Königreich bei der Bekämpfung der Klimakrise zu beraten]. Im Mai | |
forderte es in einen Bericht, dass Großbritannien bis 2050 keine | |
Treibhausgase mehr emittieren solle. Im Juni hatte sich das britische | |
Parlament dazu verpflichtet. | |
## Zug fahren gilt als piefig | |
In Deutschland sind Vorschläge gegen ökonomische Anreize zum Vielfliegen | |
bisher noch nicht debattiert worden, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte | |
beim BUND. „Ganz grundsätzlich haben wir uns schon dazu geäußert, dass es | |
nicht sinnvoll sein kann, Vielfliegen auch noch zu belohnen“, erzählt | |
Hilgenberg. „Man sollte nicht Leute belohnen, die sich unökologisch | |
verhalten.“ | |
Wie die Expert:innen des CCC bemängelt auch Hilgenberg den sozialen Status, | |
der mit dem Fliegen einhergehe: „Fast in der gesamten Gesellschaft ist es | |
gern gesehen, wenn man sagt: ‚Ich muss noch meinen Flieger kriegen.‘“ | |
Dagegen gelte es oft als piefig, zu sagen, man fahre mit dem Zug. „Das | |
sieht man auch an den Reisevorschriften verschiedener Unternehmen. Bei | |
manchen Beratungsunternehmen gibt es die Option gar nicht, von Berlin nach | |
Düsseldorf mit der Bahn zu reisen.“ Diese werden dafür belohnt und in | |
Lounges eingeladen, kritisiert Hilgenberg. | |
Auch bei der Regulierung von Werbung ist Hilgenberg einer Meinung mit dem | |
CCC: „Der Gesundheit schaden vor allem die Feinstäube und der Lärm. Das auf | |
einen Passagier runterzurechnen ist schwierig.“ Bei jedem Auto, für das | |
Werbung gemacht werde, gebe es Angaben über den CO2-Austoß pro Kilometer. | |
„Warum steht das nicht unter der Flugreise? Alles, was den Verbraucher | |
informiert, welche Klimafolgen es gibt, ist gut.“ | |
Die Autor:innen des CCC-Berichts hoffen, dass ihre Maßnahmen auf eine | |
höhere Akzeptanz als etwa eine CO2-Steuer stoßen. Von Steuern auf | |
Vielfliegen seien nicht alle betroffen; so sei der Familienurlaub von | |
London nach Barcelona noch möglich. Und die Vielfliegenden übernehmen | |
Verantwortung für ihren CO2-Abdruck. | |
## Das Umweltbundesamt ist vorsichtig | |
70 Prozent der Flüge würden von nur 15 Prozent der Brit:innen gebucht | |
werden. Dabei müsse auch beachtet werden, dass ein Flug in der ersten | |
Klasse siebenmal so viele Emissionen verursache wie einer in der Economy | |
Class, schreibt Richard Carmichael vom Imperial College London, einer der | |
Autoren. „Fliegen ist die schnellste und günstigste Variante, um seinen | |
CO2-Fußabdruck zu vergrößern“, heißt es in dem Bericht. | |
Die vom Komitee verlangte Datenbank könne auch dazu dienen, andere | |
Regularien des Flugverkehrs in der Politik durchzusetzen. Im Bericht heißt | |
es, dass „Vielfliegende einen vielfachen CO2-Fußabdruck im Vergleich zum | |
durchschnittlichen britischen Haushalt haben.“ Ein Mangel an politischen | |
Maßnahmen im Flugverkehr werde wahrscheinlich zunehmend als ungerecht | |
bewertet und berge die Gefahr, das öffentliche Engagement für | |
Klimaschutzmaßnahmen zu beeinträchtigen. | |
Beim Umweltbundesamt ist man mit einer Einschätzung zu den neuen | |
Vorschlägen vorsichtig. Diese „können wir derzeit noch nicht abschließend | |
bewerten. Wichtig ist, dass Maßnahmen ergriffen werden“, sagt | |
Verkehrsexperte Martin Lange. | |
Greife man in den Flugverkehr ein, sei das nichts, was man national machen | |
könne, betont Lange. Die jetzige Luftverkehrssteuer geht ihm nicht weit | |
genug, um ein Steuerungssignal zu setzen, sei aber möglicherweise ein | |
geeignetes Mittel, um schnell etwas umzusetzen. | |
Steffen Milchsack, Pressesprecher bei Lufthansa, lehnt ein Verbot von | |
Vielfliegerprogrammen ab: „Es ist immer ein bisschen schwierig, durch | |
Verbote etwas zu verändern“, sagt er. Vielflieger flögen nicht zum Spaß, | |
sondern aus beruflichen Gründen. „Vielfliegerprogramme abzuschaffen, um | |
Veränderungen im Flugverhalten und im Reiseverhalten zu bewirken, das halte | |
ich für schwierig“, sagt er. Milchsack verweist stattdessen auf die | |
Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck durchs Fliegen zu kompensieren. Wer einen | |
Termin in den USA habe, habe schließlich keine andere Wahl als zu fliegen. | |
15 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theccc.org.uk/publication/behaviour-change-public-engagement-an… | |
[2] /Deutschland-siegt-im-Laster-Vergleich/!5591871 | |
[3] /Gesetz-gegen-die-Erderwaermung/!5569861 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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