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# taz.de -- Prozesswelle gegen Antifas: „Ein klarer Versuch der Einschüchter…
> Die linke Szene kritisiert die fünfjährige Haftstrafe für die
> Antifaschistin Hanna S. scharf. In Kürze starten bereits zwei weitere
> Prozesse.
Bild: Unterstützer*innen von Hanna S. versammelten sich am Freitag auch vor de…
Berlin taz | Auf die Verurteilung der [1][Nürnberger Antifaschistin und
Kunststudentin Hanna S.] zu einer fünfjährigen Haftstrafe vor dem
Oberlandesgericht München reagiert die linke Szene mit Empörung. Die Antifa
München sprach von einem „klaren Einschüchterungsversuch gegen alle
Antifaschist*innen“. Lediglich wenige Indizien hätten gereicht, „um
antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren und Menschen auf Jahre der
Freiheit zu berauben“.
Auch die Rote Hilfe, die linke Beschuldigte unterstützt, sprach von einem
„politisch motivierten Verfahren“ und einem „Gesinnungsurteil“. Einen
handfesten Beweis gegen Hanna S. habe es nicht gegeben. Es gehe darum, „ein
Exempel zu statuieren“. Das Urteil gegen Hanna S. sei ein „neuer Höhepunkt
der staatlichen Großoffensive auf Antifaschist*innen“. Parallel zur
Urteilsverkündung hatten Linke vor dem Gericht protestiert. Am Samstag soll
eine Antifa-Demonstration in Nürnberg folgen.
Auch der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan, der zum Urteil
angereist war, sprach von einem „rechtspolitischen Exempel an Hanna S., das
abschrecken soll“. Das Urteil sei „Ausdruck der voranschreitenden
Kriminalisierung von Antifaschistinnen“. Schirdewan kritisierte auch den
Vorwurf der kriminellen Vereinigung: Dieser gelte eigentlich organisierter
Kriminalität wie der Mafia. „Der deutsche Rechtsstaat muss Maß halten in
der Anwendung dieses Straftatbestandes gegenüber politischen
Gruppierungen.“
Das Oberlandesgericht hatte Hanna S. am Freitag wegen gefährlicher
Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
verurteilt, weil sie mit anderen deutschen Linken an zwei Angriffen auf
Rechtsextreme in Budapest im Februar 2023 beteiligt gewesen sei.
[2][Neonazis aus Europa versammeln sich dort alljährlich zu einem „Tag der
Ehre“], auf dem die SS und Wehrmacht verherrlicht werden. Bei den Angriffen
wurden auch Schlagstöcke eingesetzt und die Rechtsextremen teils schwer
verletzt.
Die Bundesanwaltschaft hatte Hanna S. deshalb sogar versuchten Mord
vorgeworfen und neun Jahre Haft gefordert. Den Vorwurf des versuchten
Mordes sah das Oberlandesgericht nicht. Die Verteidiger von Hanna S. hatten
dagegen einen Freispruch gefordert – da nicht nachgewiesen sei, dass Hanna
S. wirklich an den Angriffen beteiligt war.
## Wegweisendes Urteil für zwei weitere Prozesse
Das Urteil ist wegweisend auch für zwei weitere Prozesse gegen
Antifaschist*innen, die demnächst starten. So plant das Oberlandesgericht
Dresden nach taz-Informationen, am 4. November einen [3][Prozess gegen
sieben Linke zu beginnen], in einem Hochsicherheitssaal am Stadtrand. Ihnen
wird ebenfalls vorgeworfen, an Angriffen auf Rechtsextreme beteiligt
gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Geplant sind
Verhandlungstermine bis ins Jahr 2027.
Eine Gerichtssprecherin sagte der taz, ein finaler Eröffnungsbeschluss für
den Prozess liege noch nicht vor. Sie gehe aber davon aus, dass „das
Verfahren wohl in der ersten Novemberwoche beginnt“.
Hauptbeschuldigter in Dresden ist der Leipziger Johann G. Seine frühere
Lebensgefährtin [4][Lina E. wurde bereits 2023 vor dem Oberlandesgericht
Dresden zu gut fünf Jahren Haft verurteilt], die sie momentan absitzt. Auch
drei weitere Beschuldigte wurden damals verurteilt. Der Gruppe wurden
mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Sachsen und Thüringen
zwischen 2018 und 2020 vorgeworfen, auch hier mit Schlagstöcken und teils
schweren Verletzungen der Angegriffenen.
Die nun Angeklagten sollen ebenfalls zur Gruppe um Lina E. gehört haben.
Johann G. war damals noch flüchtig, er wurde erst nach 4 Jahren Abtauchen
im November 2024 von Zielfahndern in einer Regionalbahn in Thüringen
festgenommen. Dem 31-Jährigen wird vorgeworfen, die Gruppe mit angeführt
und die Angriffe geplant zu haben. Auch nach 2020 soll er noch bei Attacken
in Dortmund und Erfurt involviert gewesen sein. Zudem soll sich Johann G.,
ebenso wie zwei weitere Angeklagte in Dresden, auch bei den Angriffen in
Budapest beteiligt haben. Den Dreien wird deshalb auch versuchter Mord
vorgeworfen.
Die Verteidiger*innen hatten die Übernahme des Falls durch die
Bundesanwaltschaft zuletzt als überzogen kritisiert. Es sei „höchst
zweifelhaft, ob diese Anklage in einem fairen und rechtsstaatlichen
Verfahren verhandelt werden kann“, teilten sie mit. Nach taz-Informationen
forderten inzwischen mehrere Verteidiger*innen, die Verfahren ihrer
Mandanten abzutrennen und deren Prozesse vor einem Landgericht zu eröffnen.
Entschieden wurde darüber noch nicht.
## Vorwurf versuchter Mord
Ebenfalls noch dieses Jahr soll ein Prozess vor dem Oberlandesgericht
Düsseldorf starten, [5][gegen sechs weitere Antifaschist*innen, denen die
Angriffe in Budapest vorgeworfen werden]. Sie waren zunächst abgetaucht,
hatten sich dann aber zu Jahresbeginn der Polizei gestellt und sitzen
seitdem in Haft. Auch hier lautet der Vorwurf der Bundesanwaltschaft auf
versuchten Mord, auch hier kritisieren Verteidiger*innen das als
überzogen.
Ein siebter Beschuldigter, [6][der Nürnberger Zaid A.], hatte sich
ebenfalls im Januar gestellt. Er ist nicht in Düsseldorf angeklagt, weil
sich die Bundesanwaltschaft für ihn als Syrer nicht zuständig sieht. Dem
21-Jährigen droht deshalb weiterhin die Auslieferung nach Ungarn.
Zudem läuft in Budapest weiter der Prozess gegen Maja T. Der nonbinären
Thüringer*in wird ebenfalls vorgeworfen, an den Angriffen in Budapest
beteiligt gewesen zu sein. [7][T. war im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert
worden] – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später
feststellte.
## Maja T. nackt gefesselt
Am Freitag wurde auch gegen Maja T. in Budapest verhandelt. Laut
Prozessteilnehmenden wurden Überwachungsvideos aus Budapest begutachtet und
eine angegriffene Rechtsextremistin als Zeugen angehört. In der Beweisnahme
ist bis heute nicht geklärt, ob Maja T. tatsächlich an den Angriffen
beteiligt war. Das Gericht hatte ursprünglich für Anfang Oktober ein Urteil
gegen Maja T. geplant. Im Prozess sollen nun aber noch weitere Zeugen
gehört werden, weshalb sich das Prozessende verzögert. T. drohen bis zu 24
Jahre Haft.
Maja T. selbst war zuletzt in einen Hungerstreik getreten, mit der
Forderung nach einem Ende der Isolationshaft in Ungarn und einer Rückholung
nach Deutschland – beides bisher erfolglos. Wolfram Jarosch, Vater von Maja
T., beklagte am Freitag, dass sein Kind zuletzt in der Haft von
Gefängnispersonal gefesselt und nackt ausgezogen wurde – nachdem T. eine
Intimkontrolle verweigert hatte. Die Prozedur habe drei Stunden angedauert
und es sei ein Disziplinarverfahren gegen Maja T. eingeleitet worden. „Das
Vorgehen der ungarischen Behörden, Maja gewaltsam zu fesseln und zu
entkleiden, widerspricht jeglicher Menschenwürde und internationalen
Standards“, kritisierte Jarosch.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte zuletzt erklärt, das Auswärtige
Amt setze sich für bessere Haftbedingungen und eine Rückholung von Maja T.
nach Deutschland ein. Bei einem Haftbesuch der taz sagte Maja T. dazu:
[8][„Davon merke ich bisher leider nichts.“]
Der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg sagte der taz, angesichts der
Verurteilung von Hanna S. zu fünf Jahren Haft zeigten die bis zu 24 Jahre,
die Maja T. in Ungarn drohten, wie „völlig überzogen“ die Strafandrohung
dort sei. „Unabhängig davon hätte Maja T. nie durch deutsche Behörden an
Ungarn ausgeliefert werden dürfen“, kritisierte Limburg. „Deutschland muss
alles dafür tun, dass Maja T. schnellstmöglich rücküberstellt wird.“
Hinweis der Redaktion: Wir haben den Artikel mittlerweile um mehrere
Reaktionen ergänzt.
26 Sep 2025
## LINKS
[1] /Angriffe-in-Budapest/!6103784
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[4] /Urteile-im-Linksextremismus-Prozess/!5934710
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[6] /Linken-droht-Auslieferung-nach-Ungarn/!6073407
[7] /Maja-T-nach-dem-Hungerstreik/!6099884
[8] /taz-besucht-Maja-T-exklusiv-in-Haft/!6101642
## AUTOREN
Konrad Litschko
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