# taz.de -- Generaldebatte im Bundestag: Merz kündigt Winter, Frühling, Somme… | |
> Der Bundeskanzler wirbt in der Generaldebatte erneut für „mutige“ | |
> Reformen. Für welche, bleibt unklar. Klar ist nur, wem er nichts zumuten | |
> will. | |
Bild: Der Vier-Jahreszeiten-Kanzler schlägt zu, und es ist mal wieder lachhaft | |
Berlin taz | Friedrich Merz scheut sich nicht vor starken Gefühlen, das | |
demonstrierte er auch am Mittwoch im Bundestag. In der Generaldebatte, die | |
traditionell am Beginn der Haushaltswoche steht, sparte der Kanzler nicht | |
mit Begriffen wie „mutig“ und „beherzt“. Er kündigte erneut „mutige�… | |
Reformen an, die man „beherzt“ angehen wolle. Dem „Herbst der Reformen“ | |
werde ein Winter, Frühling, Sommer und schließlich wieder ein Herbst | |
folgen. Reformen also das ganze Jahr. Welche, blieb allerdings nebulös. | |
So kündigte Merz etwa an, man müsse beim Thema Rente „den | |
Generationenvertrag“ neu denken. Allerdings versprach er sowohl den | |
Jüngeren, dass sie nicht zusätzlich belastet werden sollen, als auch den | |
Älteren „dass sie ihren wohlverdienten Ruhestand in wirtschaftlicher | |
Sicherheit“ genießen könnten. [1][Wo also sollen die zusätzlichen | |
Milliarden herkommen,] die den Lebensabend großer Gruppen in einer | |
alternden Gesellschaft absichern? | |
Klar wurde eigentlich nur, wen der Kanzler nicht belasten will: die ganz | |
Reichen. „Wir können die sozialen Versprechen nicht halten, indem wir | |
wenigen, und seien sie noch so vermögend, möglichst viel nehmen“, sagte | |
Merz und erteilte Überlegungen zu mehr vermögensbezogenen Steuern eine | |
Absage. Diese kommen allerdings längst nicht nur von den Parteien links der | |
Mitte, sondern auch aus der eigenen Fraktion. Selbst Unionsfraktionschef | |
Jens Spahn hatte die Vermögensverteilung in Deutschland kürzlich „ein | |
Problem“ genannt. | |
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch widersprach dem Kanzler. Was die | |
Verteilung von Erbschaften und Vermögen angehe, sehe er eine „Baustelle“. | |
„Die großen Vermögen müssen sich stärker beteiligen, auch das gehört zur | |
Gerechtigkeit“. Miersch war es auch, der als Erster am Redepult laut wurde, | |
und zwar, als er scharf die AfD kritisierte. | |
## Klöckner will nicht betreut werden | |
Denn traditionell wird die Generaldebatte von der stärksten | |
Oppositionsfraktion im Bundestag eröffnet, und so war es AfD-Chefin Alice | |
Weidel, die zuerst das Wort ergreifen durfte. Den Großteil ihrer Redezeit | |
nutzte sie dafür, über mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Migration und | |
Kriminalität zu fabulieren. | |
Während Weidels Rede musste sich auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner | |
(CDU) per Zwischenrufen aus den Sitzreihen anhören, dass sie die AfD-Chefin | |
zu lange am Thema vorbeireden ließ. Klöckner kommentierte das mit den | |
Worten, das sie „keine Betreuung bei der Sitzungsleitung brauche, egal | |
durch welche Fraktion“. | |
Nur am Ende ging Weidel noch auf die Haushaltsberatungen ein, um Merz | |
abermals vorzuwerfen, vor dem Beginn seiner Amtszeit [2][mit der Mehrheit | |
des alten Bundestags neue Schulden aufgenommen zu haben.] Dann prangerte | |
Weidel noch an, dass Deutschland die Europäische Union finanziere. | |
„Was Sie machen, ist Kamikaze“, rief Miersch dann später Richtung Weidel. | |
„Sie führen den Trumpismus hier fort.“ Deutschland brauche die EU, sagte | |
der SPD-Fraktionsvorsitzende. | |
## Linke kritisiert Investitionen in Rüstung | |
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf Merz vor, dass seine Regierung | |
zu wenig Reformbereitschaft zeige. „Ihnen fehlt der Mut zur Zukunft, sie | |
klammern sich verzweifelt an die Technologien von gestern“, sagte Dröge in | |
Anspielung um die Debatte um eine Aufhebung des Verbots von neuen | |
Verbrennerautos ab 2035. Als Oppositionsführer hätte Merz der Regierung | |
längst das Zeugnis ausgestellt: „Die können das nicht.“ | |
Dröge warf der Regierung außerdem vor, dass sie mit „intransparenten | |
Buchungstricks“ die Investionsmilliarden aus dem Sondervermögen im Haushalt | |
versenke. Dies geschehe maßgeblich auf Druck der CSU, deren Wünsche sich | |
allein auf 10 Milliarden Euro beliefen, ein Art „Stillhalteprämie für | |
Markus Söder“. Die Grünen-Politikerin kritisierte, dass Merz' Vorstellung | |
von Gerechtigkeit sei, dass die Mehrheit den Gürtel enger schnallen müsse, | |
„nur die oberen 1 Prozent nicht“. | |
In diese Kerbe schlug auch Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek. | |
Sie warf der Bundesregierung „grenzenlose Investitionen“ in die Rüstung | |
vor, während sie im sozialen Bereich immer weiter kürzen wolle. Die | |
Regierung tue so, als seien Kürzungen beim Bürgergeld eine „Lösung für all | |
ihre Haushaltsprobleme“. | |
Für die kommenden Haushalte bis 2029 rechnet die Regierung mit einem | |
Defizit von insgesamt 170 Milliarden Euro. Unklar ist, wie diese Lücke | |
gefüllt werden soll. Merz setzt zur Erhaltung des Sozialstaats und zur | |
Sanierung des Haushalts auf eine neue „wirtschaftliche Dynamik“, die er vor | |
allem dadurch erreichen möchte, „indem wir alle unsere Arbeitskraft | |
entfalten und kreativ sein können“. | |
Auf der Kabinettsklausur in zwei Wochen will sich die Regierung vor allem | |
auf die Themen Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung konzentrieren. In | |
seiner Regierungserklärung lobte Merz die bereits eingebrachten Gesetze zur | |
Senkung der Unternehmenssteuern und der Energiepreise und für mehr | |
Investitionen. Doch die äußeren Rahmenbedingungen sind ungünstig, darauf | |
wies auch Merz zu Beginn seiner Rede hin: die Freiheit sei bedroht, das | |
deutsche Wirtschaftsmodell stehe durch einen neuen Protektionismus unter | |
Druck und der Zusammenhalt in der Gesellschaft werde durch Kräfte von innen | |
und außen in Frage gestellt. | |
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Textes war von einem | |
Verbots von neuen Verbrennerautos ab 2025 die Rede. Es muss natürlich 2035 | |
heißen. Wir haben den Fehler korrigiert. | |
17 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Cem-Odos Güler | |
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