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# taz.de -- Garagenkonzerte gibt es nicht mehr: Punk is dead in Belarus
> Ein Abend mit Musikerinnen aus Belarus in Berlin-Friedrichshain. In ihrem
> Heimatland verschwinden Blogger, Punks, Antifas und Anarchos im Knast.
Bild: Sergej Tichanowski berichtet bei einer Pressekonferenz unter Tränen von …
Punk habe es ihr ermöglicht, sich von der konservativen, patriarchal
geprägten Gesellschaft abzugrenzen. So schildert es die Aktivistin und
Musikerin A. aus Belarus bei ihrem Vortrag über die dortige Antifa-Szene in
einem besetzten Haus im Berliner Stadtteil Friedrichshain.
Da es in ihrem Heimatland solche Orte nicht gebe, hätten [1][Punkkonzerte
in Garagen stattgefunden], so A. 50 Leute drinnen, der Rest hörte von
draußen zu. Allerdings seien die DIY-Konzerte oft von der
Omon-Spezialeinheit aufgelöst worden. Diese waren auch im Sommer 2020 dafür
zuständig, die Proteste gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen mit
Gewalt zu ersticken.
„Menschenrechte existieren in Belarus nur auf dem Papier“, sagt A.
Garagenkonzerte gebe es in Belarus keine mehr. Wer nicht hinter Gittern
sitzt, halte sich möglichst bedeckt oder habe wie sie das Land verlassen.
[2][Igor Bancer, Frontmann der aus] dem westbelarussischen Hrodna
stammenden Band Mister X, wurde wegen seiner Beteiligung an den Protesten
mehrmals festgenommen und reiste später nach Polen aus. Belarussischer Punk
war seit jeher links und antiautoritär und dem autoritären Regime deshalb
ein Dorn im Auge.
## Hol dir deine Stadt zurück
Eine der bekanntesten Bands, Contra la Contra, ebenfalls aus Hrodna,
veröffentlichte 2002 ihr einziges, aber international bekannt gewordenes
Album mit Songs wie „Geh auf die Straße, hol dir deine Stadt zurück!“,
„Putin ist ein Mörder!“ und „Luka, fick dich“. Gemeint ist der Diktator
Lukaschenko.
Das belarussische Menschenrechtszentrum Viasna zählt zurzeit 1172
politische Gefangene im Land. Doch in Wahrheit sind es weitaus mehr. Da
politische Häftlinge besonders schlecht behandelt werden, möchten viele
Verwandte nicht, dass sie von Menschenrechtsorganisationen als solche
gelistet werden. Kalte Zellen, keine Hygieneprodukte, Mangelernährung, aber
auch Schläge und die Verweigerung medizinischer Hilfe stehen in
belarussischen Haftanstalten an der Tagesordnung.
Von manchen politischen Gefangenen gibt es über Jahre hinweg kein
Lebenszeichen. So war es auch beim oppositionellen Blogger Sergei
Tichanowksi – bis er plötzlich am vergangenen Samstag freikam. Im Zuge des
Besuchs des US-Sondergesandten Keith Kellogg in Minsk wurden er und 13
weitere politische Häftlinge begnadigt. Als sich Tichanowski bei den Wahlen
2020 als Gegenkandidat zu Lukaschenko aufstellen lassen wollte, wurde er zu
einer langen Haftstrafe verurteilt.
Statt seiner trat dann seine Ehefrau Swetlana Tichanowskaja an. Der
misogyne Diktator ließ sie gewähren, da er einer Frau nicht zutraute, eine
ernstzunehmende Konkurrentin sein zu können. Aber sie und andere schafften
es, die Massen zum Aufstand zu mobilisieren.
## Anarchist in Isolationshaft
Am Tag nach seiner Freilassung berichtete [3][Tichanowski bei einer
Pressekonferenz] in Vilnius unter Tränen von den unmenschlichen
Haftbedingungen. Er erwähnte auch seinen ehemaligen Mitgefangenen, den
Anarchisten Ihar Alinevich, der eine 20-jährige Haftstrafe absitzt. Obwohl
die Wärter Alinevich aus Schikane das Recht auf Anrufe verwehrten und ihn
stattdessen in Isolationshaft steckten, zeige er sich standhaft.
Zusammen mit Tichanowski kam am Samstag der 25 Jahre alte Akikhira
Hajeuski-Khanada frei. Ihm und neun anderen Anarchist:innen wurde in
einem Scheinprozess vorgeworfen, Teil einer kriminellen Organisation zu
sein. Sie wurden alle zu langen Haftstrafen verurteilt.
Laut dem Anarchist Black Cross Belarus gibt es aktuell 26 politische
Gefangene aus der Antifa-Szene. Einige von ihnen wurden für die Teilnahme
an den Protesten oder Graffitis gegen Lukaschenko und den russischen
Angriffskrieg verurteilt. Andere, wie Alinevich, für Brandanschläge.
Auf der Webseite von abc Belarus kann man für die Gefangenen und deren
Familien spenden oder online Briefe in die jeweiligen Strafanstalten
schicken. Dass sie wirklich bei den Adressaten ankommen, ist zwar nicht
sicher, aber man sendet ein wichtiges Signal an das Regime: Diese Menschen
werden nicht vergessen.
2 Jul 2025
## LINKS
[1] /Postsowjetisch/!5024753
[2] /Musiker-Igor-Bancer-ueber-Belarus/!5827189
[3] /Oppositionelle-in-Belarus-freigelassen/!6095697
## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
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