| # taz.de -- Ex-belarussicher Gefangener: Keine Schuhe, große Solidarität | |
| > Sergei Scheleg ist einer von 14 politischen Gefangenen in Belarus, die | |
| > jüngst begnadigt wurden. Nun lebt er in Litauen auf der Straße. | |
| Bild: Sergei Schelek, 64, Biologe, kam aus belarussischer Haft frei | |
| „Die Angst, die einen auch nachts nicht loslässt, sie ist geblieben.“ Das | |
| sagte Sergei Scheleg unlängst in einem Interview mit der belarussischen | |
| oppositionellen Zeitung Nascha Niwa. Der 64-Jährige ist einer von [1][14 | |
| politischen Gefangenen, die am 21. Juni 2025 freigelassen wurden]. Dem | |
| „Gnadenakt“ des autokratischen Präsidenten Alexander Lukaschenko war ein | |
| Besuch von Donald Trumps Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg, in | |
| Minsk vorangegangen. Derzeit befindet sich Scheleg in einem Land außerhalb | |
| von Belarus. | |
| Nach seiner Freilassung sei er nicht in sein altes Leben, sondern ins | |
| Nirgendwo zurück gekehrt, schreibt Scheleg auf der Webseite der | |
| belarussischen Nichtregierungsorganisation Bypol, die vor allem [2][Opfer | |
| politischer Repressionen in Belarus] unterstützt. Er sei davon überzeugt | |
| gewesen, dass ein gesetzestreues Leben und ein Job in der Medizinbranche | |
| Schutz vor Tyrannei bieten würden. Das sollte sich als fatale | |
| Fehleinschätzung erweisen. | |
| Scheleg wird in Minsk geboren und schließt an der belarussischen | |
| Staatlichen Fakultät ein Studium der Biologie ab. 15 Jahre lang wirkt er | |
| als Forscher am Hämatologischen Institut in Minsk. Dort arbeitet er vor | |
| allem an Therapien für Menschen, die unter seltenen genetischen | |
| Erkrankungen sowie Leukämie leiden. Dem schließt sich eine Tätigkeit für | |
| einen großen internationalen Pharmakonzern an, den er in Minsk vertritt. | |
| 2020 kommt es in Belarus rund um die gefälschten Präsidentenwahlen am 9. | |
| August zu wochenlangen Massenprotesten. Das Regime schlägt mit voller Härte | |
| zurück. Tausende werden festgenommen, Folter ist an der Tagesordnung. Laut | |
| Angaben der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna sitzen derzeit | |
| 1.152 Personen (Stand: 9. Juli 2025) aus politischen Gründen in Haft. | |
| Just in dieser Zeit, 2020 bis 2021, beginnt Scheleg, Geld an Organisationen | |
| zu spenden, die humanitäre Hilfsprogramme für Repressierte aufgelegt haben. | |
| Er habe nicht im Traum daran gedacht, dass ihm dieses Engagement irgendwann | |
| zum Verhängnis werden könnte. Doch einige dieser Organisationen werden in | |
| der Folgezeit als „extremistisch“ und „terroristisch“ gelabelt. | |
| Am 1. August 2023 wird Scheleg festgenommen. Am 22. März 2024 ergeht das | |
| Urteil: acht Jahre und fünf Monate Haft in einem Lager mit „strengem | |
| Regime“. | |
| ## Aufenthaltstitel für die USA | |
| Scheleg hat zwei Söhne aus zwei Ehen. Der ältere lebt mit seiner Mutter | |
| seit 1996 in den USA. Aus diesem Grund hat auch Scheleg einen ständigen | |
| Aufenthaltstitel für die USA. Das könnte mit ein Grund dafür sein, dass er | |
| am 21. Juni zu den Freigelassenen gehört. | |
| Über Bypol wendet sich Scheleg Anfang Juli mit einer Bitte um finanzielle | |
| Unterstützung an die Öffentlichkeit: so kurz nach seiner Haftentlassung | |
| fehle es ihm wirklich an allem. Er habe keine Jacke, keine bequemen Schuhe, | |
| keine richtige Unterkunft und kein normales Telefon. Der Brief zeigt | |
| Wirkung. Schon einen halben Tage später sind rund 3.400 Euro an Spenden | |
| eingegangen, die Solidaritätsaktion läuft weiter. Doch die Sorge um die | |
| zweite Familie bleibt. Sie lebt in Minsk, der jüngere Sohn ist elf Jahre | |
| alt. | |
| In wenigen Monaten werde er 65 Jahre alt, so Scheleg gegenüber Nascha Niwa. | |
| Eigentlich habe er sich zu diesem Tag ein besonderes Geschenk machen | |
| wollen: 65 Länder bereist zu haben. Doch daraus werde jetzt wohl nichts, | |
| denn ein Dutzend fehle noch. Doch dieses Ziel nehme er dann jetzt eben für | |
| seinen 70. Geburtstag ins Visier. | |
| 9 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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