# taz.de -- Stahlwerke werden nicht umgerüstet: Grüner Stahl bleibt ein Traum | |
> Trotz hoher Fördermittel will ArcelorMittal die Stahlwerke in Bremen und | |
> Eisenhüttenstadt nicht klimaneutral umrüsten. Das hat enorme | |
> Konsequenzen. | |
Bild: Das Bremer Stahlwerk soll nun erstmal doch nicht klimafreundlicher werden… | |
Bremen taz | Die Stahlwerke von ArcelorMittal in Bremen und | |
Eisenhüttenstadt werden nicht auf klimaneutrale Wasserstofftechnologie | |
umgerüstet. Wie am Donnerstag bekannt wurde, will die Unternehmensleitung | |
von ArcelorMittal die Dekarbonisierung ihrer europäischen Werke über | |
Direktreduktionsanlagen (DRI) vorerst nicht weiterverfolgen. ArcelorMittal | |
wollte ursprünglich bis 2030 einen Hochofen in Bremen und einen in | |
Eisenhüttenstadt klimaneutral umbauen. | |
Das Stahlwerk allein ist für rund die Hälfte der kompletten | |
Treibhausgasemissionen des Landes Bremen verantwortlich. Nur mit einer | |
DRI-Anlage und dem Einsatz von grünem Wasserstoff könnte die | |
Stahlproduktion klimaneutral werden. Um die milliardenteure Umstellung zu | |
ermöglichen, [1][hatte die Politik große Fördersummen versprochen:] 600 | |
Millionen Euro für den Standort Bremen sollten von der Bundesregierung | |
kommen, weitere 250 Millionen Euro wollte das Land Bremen beisteuern. Hohe | |
Summen waren auch für Eisenhüttenstadt vorgesehen. | |
Dass es auch mit der großzügigen staatlichen Förderung kein Selbstläufer | |
werden würde, steht schon länger fest: Obwohl ein eigenes Projektteam im | |
Bremer Werk mehrere Jahre an den Plänen für eine Wasserstoff-Umstellung | |
gearbeitet hatte, zeigte sich die belgische Konzernspitze seit der | |
grundsätzlichen Förderzusage sehr zurückhaltend. | |
Mehrfach deutete das Unternehmen an, dass die [2][Stahlproduktion mit | |
Wasserstoff zu teuer] werden würde. Nun ist die Entscheidung offiziell. | |
Begründet wird sie mittlerweile auch mit weiteren schwierigen | |
Rahmenbedingungen für die europäische Stahlproduktion, etwa die hohen | |
Stahlimporte in die EU – bei gleichzeitig geringer Nachfrage. | |
## Drei vergleichbare Vorhaben in Planung | |
Die Stahlindustrie ist einer der größten CO₂-Emittenten in Deutschland. Sie | |
spielt damit eine Schlüsselrolle, damit in Deutschland die Klimaziele | |
erreicht werden. Eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung soll statt | |
Kokskohle der Einsatz von „grünem“ Wasserstoff zur Stahlerzeugung spielen, | |
über Direktreduktionsanlagen (DRI). Wasserstoff wird als „grün“ bezeichne… | |
wenn er auf Basis erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne hergestellt | |
wird. | |
ArcelorMittal verwies auf eine Verpflichtung, die Entscheidung mitzuteilen | |
– da der Vertrag mit der Bundesregierung über die Förderung von insgesamt | |
1,3 Milliarden Euro den Beginn der Bauarbeiten für das Projekt bis Juni | |
2025 vorsah. Das Bundeswirtschaftsministerium bedauerte die Entscheidung | |
von ArcelorMittal. Wichtig sei, dass noch keine staatlichen Gelder | |
geflossen seien. Drei vergleichbare Vorhaben der Hersteller Salzgitter | |
Flachstahl, Thyssenkrupp Steel Europe und SHS (Stahl-Holding-Saar) hätten | |
Förderbescheide über zusammen rund 5,6 Milliarden Euro erhalten. An den | |
Standorten der drei Unternehmen laufe die Umsetzung der Projekte bereits. | |
„Wir wissen die Finanzierung durch die Bundesregierung und das Land Bremen | |
sowie die Unterstützung des Landes Brandenburg für dieses Projekt zu | |
schätzen“, erklärte Geert Van Poelvoorde, Chef von ArcelorMittal Europe. | |
Aber selbst mit der finanziellen Unterstützung sei die Wirtschaftlichkeit | |
der Umstellung nicht ausreichend gegeben. „Die Rahmenbedingungen | |
ermöglichen aus unserer Sicht kein belastbares und überlebensfähiges | |
Geschäftsmodell“, erklärte Reiner Blaschek, Chef der europäischen | |
Flachstahlsparte von ArcelorMittal. „Die Förderung ist an strenge Vorgaben | |
für den raschen Einsatz von grünem Wasserstoff geknüpft. Verfügbarkeit und | |
Preise von grünem Wasserstoff sind jedoch mit großen Unwägbarkeiten | |
verbunden. Daraus ergeben sich erhebliche Risiken.“ | |
Der Senat in Bremen zeigte sich „enttäuscht und verärgert“ über den | |
Rückzieher von Arcelor. „Der Konzern muss jetzt umgehend eine Perspektive | |
für die Hütte und die Arbeitsplätze aufzeigen“, so Bürgermeister Andreas | |
Bovenschulte (SPD). „Ich erwarte, dass er sich zu dem Werk und der | |
Stahlproduktion in Bremen bekennt.“ | |
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte mit | |
Bedauern: Die Landesregierung unternehme alles, um mit den Beschäftigten, | |
dem Bürgermeister, dem Unternehmen sowie allen Beteiligten die | |
Arbeitsplätze im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt zu schützen. | |
## Wettbewerbsfähigkeit ohne Umstellung kaum vorstellbar | |
Doch dass der emissionsintensive Stahl aus Europa ohne Umstellung | |
wettbewerbsfähig bleiben kann, ist kaum vorstellbar. Im europäischen | |
Emissionshandel steigen die vereinbarten Preise für jede Tonne Treibhausgas | |
kontinuierlich an. „CO₂-belasteter Stahl wird sich auf Dauer nicht mehr am | |
Markt platzieren lassen“, sagte noch im Februar 2024 Marion | |
Müller-Achterberg, Stabsleiterin bei ArcelorMittal Bremen. | |
Geprüft wird nun eine mögliche Umrüstung des Stahlwerks auf | |
Elektrolichtbogenöfen. Die könnten helfen, zumindest einen Teil des | |
Kohlendioxids einzusparen. Doch große Hoffnung macht ArcelorMittal auch für | |
diese kleine Lösung nicht: Man plane die ersten Elektrolichtbögenöfen in | |
„Ländern, die eine wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung bieten | |
können“; Deutschland dagegen habe im internationalen Vergleich zu hohe | |
Stromkosten. ArcelorMittal hatte im Mai erklärt, den nächsten | |
Elektrolichtbogenofen in Dünkirchen in Frankreich zu bauen. | |
Auswirkungen haben kann die Entscheidung auch auf den Ausbau der | |
Wasserstoffproduktion in Norddeutschland; zuletzt waren ohnehin [3][einige | |
Vorhaben gestoppt worden] – ein Trend, der sich ohne sichere Abnehmer | |
ausweiten könnte. (mit dpa) | |
19 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Umstellung-auf-Wasserstofftechnologie/!5987542 | |
[2] /Umbau-auf-Wasserstofftechnologie-stockt/!6048316 | |
[3] /Energie-Speicherprojekte-auf-der-Kippe/!6084524 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
## TAGS | |
Arbeitsplätze | |
Bremen | |
Klimaneutralität | |
Industriepolitik | |
Stahl | |
Neue Bundesregierung | |
Wasserstoff | |
Wirtschaft | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Stahlindustrie | |
Namibia | |
Stahlindustrie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wirtschaftsministerin gegen Klimaziele: Reiche opfert uns den Reichen | |
Die CDU kämpft lieber für den unverminderten Überreichtum einer winzigen | |
Zahl von Menschen als für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. | |
Grüner Wasserstoff: Noch keine tragfähige Energiequelle | |
Grüner Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger der Dekarbonisierung. Doch | |
bislang ist er kaum bezahlbar. | |
„Innovationsbooster“ der Bundesregierung: Kluge Wirtschaftspolitik sieht an… | |
Die geplanten Steuersenkungen für Unternehmen sind ein Fehler. Sie reißen | |
nur Löcher in die Haushalte und bringen kaum Impulse für die Wirtschaft. | |
Keine klimaneutrale Produktion: Ohne grünen Stahl müssen Stahlkocher zittern | |
Arcelormittal will seine deutschen Werke nun doch nicht auf ökologischere | |
Produktion umrüsten. Eine Gefahr für die Branche – und tausende | |
Mitarbeiter. | |
Umbau auf Wasserstofftechnologie stockt: Stahl bleibt erst mal grau | |
Der Stahlkonzern Arcelor stellt den „grünen“ Umbau des Bremer Stahlwerks | |
infrage. Zugleich bringt eine CDU-Klage die öffentliche Förderung in | |
Gefahr. | |
Grüner Wasserstoff dringend gesucht: Neue Energie aus der alten Kolonie | |
Deutschland setzt auf Namibia für die Produktion von grünem Wasserstoff. | |
Bremen beteiligt sich mit einem sinnvollen Bildungsprojekt. | |
Umbau auf Wasserstoffnutzung unsicher: Grüner Stahl kostet zu viel Kohle | |
Fördergeld für den klimaneutralen Umbau des Bremer Stahlwerks kommt. Doch | |
das Unternehmen zögert bei der Investition: Grüner Wasserstoff sei zu | |
teuer. |