Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umbau auf Wasserstoffnutzung unsicher: Grüner Stahl kostet zu viel…
> Fördergeld für den klimaneutralen Umbau des Bremer Stahlwerks kommt. Doch
> das Unternehmen zögert bei der Investition: Grüner Wasserstoff sei zu
> teuer.
Bild: Alte Hochöfen könnten noch länger brennen: Die Umstellung auf Wasserst…
taz | Bremen Immerhin, die Finanzierung steht: Bremen hat am Dienstag
verkündet, dass das Land seinen Beitrag leisten wird und gut 251 Millionen
Euro aufbringt, damit das Bremer Stahlwerk klimaneutral umgebaut werden
kann. Mit insgesamt 840 Millionen Euro soll der [1][Umbau des Bremer Werks
gefördert werden,] etwa das Doppelte soll er kosten. Der Weg dahin war
nicht leicht: Sogar die Oppositionspartei CDU musste über ihren Schatten
springen und mit den Regierungsfraktionen neue Schulden vereinbaren, damit
das Land seinen Teil zur Förderung beitragen kann.
Damit haben jetzt alle staatlichen Stellen – Bund, Land und EU-Kommission –
ihre Förderzusagen geliefert. Dennoch ist die Zukunft des Bremer Stahlwerks
weiter nicht gesichert. Das Unternehmen Arcelor Mittal selbst hat noch
nicht entschieden, ob künftig in Europa und an der Weser überhaupt
klimaneutraler „grüner“ Stahl produziert werden soll.
Für die Transformation muss ein komplett anderer technologischer Pfad
beschritten werden: Statt das Eisenerz im Hochofen mit Koks zu Roheisen zu
schmelzen, sollen dem Erz die überflüssigen Sauerstoffatome nun in einer
Direktreduktionsanlage entzogen werden. Mit Wasserstoff könnte der
Sauerstoff dabei einfach zu Wasser werden – bisher verbindet er sich beim
Schmelzen im Ofen mit dem Koks zu Kohlendioxid.
Bereits vor einigen Wochen hatte ein Interview des Europachefs von Arcelor
Mittal, Geert van Poelvoorde, im belgischen Finanzblatt Trends für
Aufregung gesorgt. Grüner Wasserstoff sei in Europa zu teuer, um damit
Stahl zu produzieren, sagte er dort. „Es gibt keinen soliden Businessplan,
der Wasserstoff rentabel macht.“ Mehr noch: „Wir werden ihn nicht nutzen
können, denn er würde uns komplett aus dem Markt katapultieren“, lässt sich
der Stahlwerkchef zitieren.
## Landesregierung relativiert das Interview
Das klingt für sich genommen wie eine sichere Absage an eine Transformation
europäischer Stahlwerke hin zur Wasserstofftechnologie. Der Weser-Kurier
hatte bereits Anfang März auf das Interview verwiesen; das Bündnis
Deutschland nutzte daraufhin eine [2][Aktuelle Stunde in der Bremer
Bürgerschaft,] um Regierungsfraktionen und CDU Blauäugigkeit und
Versäumnisse vorzuwerfen und den Umbau des Stahlwerks insgesamt infrage zu
stellen.
Die Bremer Politiker*innen bemühten sich um Relativierung: „Ich habe
selten so viel Unsinn gehört“, sagte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt
(Die Linke) zu den Ausführungen von Sven Schellenberg von Bündnis
Deutschland. Nichts an den Bedenken von Poelvoorde sei neu. „Wir haben
schließlich vier Jahre mit den Kollegen verhandelt“, so
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke). „Das hat alles Eingang
gefunden in den jetzt verabredeten Fördermechanismus.“
Das Interview sei einseitig zitiert und aus dem Zusammenhang gerissen
worden, so die Kritik aus der SPD-Fraktion und der Wirtschaftssenatorin. Es
bezöge sich in erster Linie auf ein Arcelor Mittal-Werk in Italien[3][, das
vor der Insolvenz steht,] und auf das große belgische Werk in Gent.
Die Aussagen zu hohen Wasserstoffpreisen bezögen sich auf die Gegenwart und
müssten mit Strompreisentwicklungen und anderen Trends, etwa dem steigenden
Preis für CO2-Zertifikate, gegen gerechnet werden. „Wir erwarten schlicht,
dass die Investitionen abgerufen werden“, endete Vogt ihren Beitrag in der
Aktuellen Stunde.
## Investitionsentscheidung hängt am Strompreis
Ganz so sicher ist das aber tatsächlich nicht. Das Unternehmen selbst hält
sich alle Optionen offen: Ja, man habe weiterhin das Ziel, umzubauen, sagt
ein Sprecher von Arcelor Mittal Deutschland gegenüber der taz.
Dafür habe man schließlich bereits einen zweistelligen Millionenbetrag
investiert – in Studien, Planung, die Bauvorbereitung etwa. 34
Mitarbeiter*innen (von insgesamt 3.500 Beschäftigten) arbeiten für das
Bremer Werk im sogenannten „Decarb-Team“, das eine mögliche Umstellung auf
Wasserstoff in jeder Hinsicht vorbereiten soll.
„Es laufen viele Schritte“, so der Unternehmenssprecher. Aber er sagt auch:
„Die finale Investitionsentscheidung steht nicht fest. Es ist noch viel zu
tun.“ Konkret hängt die Zukunft des Projekts am Strompreis. Der nämlich
bestimmt mittelbar, wie teuer eine Tonne grüner Wasserstoff wird: Man
benötigt Strom, um ihn mittels Elektrolyseuren aus Wasser zu lösen. Es muss
erneuerbarer Strom sein, damit der Wasserstoff als grün gilt.
Bei Arcelor Mittal Deutschland hat man klare Vorstellungen, wie teuer der
Strom in Zukunft sein darf: Die Strompreise an der Börse müssten nur auf
französisches Niveau fallen, also von heute etwa 65 Euro pro Megawattstunde
auf 50 Euro.
## Regierungen unter Subventionsdruck
Erreicht werden könnte das über den Brückenstrompreis, also ein[4][e
Deckelung des Strompreises für bestimmte energieintensive Unternehmen]. Die
aber [5][ist im vergangenen Jahr gescheitert.] „Nur so können wir für die
deutschen Werke faire Wettbewerbsbedingungen mit dem Rest Europas
schaffen“, so der Unternehmenssprecher.
Interessanterweise hatte Europachef Poelvoorde gegenüber der belgischen
Zeitung Trends gerade auf Deutschland als positives Beispiel beim
Strompreis verwiesen hat: Dort sei die Politik viel eher als in Italien und
Belgien bereit, der Industrie entgegenzukommen. Das Unternehmen baut also
in den verschiedenen Staaten Druck auf, indem es jeweils auf die Politiken
in anderen Staaten verweist. Innerhalb eines Jahres will sich Arcelor
Mittal für oder gegen eine Investition entscheiden.
## Flexible Förderung: Länger CO2 ausstoßen
Auch wenn der Umbau kommt, bedeutet er übrigens nicht von Beginn an
klimaneutrale Produktion. Dafür gibt es gar nicht ausreichend Grünen
Wasserstoff. Stattdessen ist geplant, dass Arcelor Mittal in der neuen
Direktreduktionsanlage ab 2028 für die ersten Jahre auch noch Erdgas
einsetzt und nach und nach immer mehr auf Wasserstoff umstellt. Ein
Schlupfloch in den Förderbedingungen könnte aber dafür sorgen, dass lange
Zeit ausschließlich Erdgas zum Einsatz kommt.
Erdgas hat die chemische Formel CH4 – der Sauerstoff aus dem Eisenerz
reagiert dabei mit Erdgas teilweise zu Wasser, teilweise aber auch mit dem
Kohlenstoffatom zu CO2. Das ist weit sauberer als der heutige
Schmelzprozess mit Koks – 40 Prozent des Kohlenstoffdioxidausstoßes bleiben
aber.
Im Vertrag mit Arcelor Mittal, verrät die Wirtschaftssenatorin, ist ein
sogenanntes „Flexi-Tool“ vereinbart: Bei einer „ungünstigen
Preisentwicklung“ dürfte das Unternehmen ganz legal bis Ende der Dreißiger
Jahre auf Erdgas statt Wasserstoff setzen. Erst wenn der Preis in etwa auf
dem Niveau des jeweiligen Erdgaspreises liegt, könne man von einem
wirtschaftlichen Einsatz von Wasserstoff sprechen, heißt es aus dem
Wirtschaftsressort. Ein Zugeständnis an Poelvoordes Sorgen vor hohen
Kosten.
Dass das Unternehmen so die Förderung für den teuren Umbau abgreift, ohne
irgendwann auch Klimaneutralität zu liefern, hält die Landesregierung für
ausgeschlossen. Falls die Menge an verwendetem Wasserstoff nicht wie
geplant steigt und – bis mindestens 2041 – genutzt wird, sollen
Strafmechanismen wie Rückzahlungen greifen. Auch die Sicherung der
Beschäftigung am Standort Bremen soll vertraglich festgehalten werden. Und:
Sollte das Geschäftsmodell erfolgreicher sein, als erwartet, könnte über
einen „Claw-Back-Mechanismus“ Geld an den Staat zurückfließen. Der
Zuwendungsbescheid mit diesen Sanktionsmechanismen ist aber noch nicht
verabschiedet.
Transparenzhinweis: Die Informationen zu den Sanktionsmechanismen lagen
erst später vor und wurden nachträglich ergänzt.
24 Mar 2024
## LINKS
[1] /Umstellung-auf-Wasserstofftechnologie/!5987542
[2] https://vimeo.com/922998640
[3] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/europas-groesstes-st…
[4] /Oekonom-zum-Industriestrompreis/!5970013
[5] /Entlastung-fuer-Industrie-beim-Strompreis/!5972141
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Stahlindustrie
Stahlwerk
Klimaneutralität
Industriepolitik
Bremen
Schuldenbremse
Stahlindustrie
Erdöl
Klimaneutralität
Stahlindustrie
Energiekrise
## ARTIKEL ZUM THEMA
FDP zieht Bremer Haushalt vor Gericht: Keine Subvention fürs Klima
Bremens FDP will gegen neue Schulden im laufenden Haushalt vor Gericht
ziehen: Klimawandel begründet keine Notlage, so die Argumentation.
Stellenstreichungen bei ThyssenKrupp: Und die Subventionen?
Der Stahlkonzern ThyssenKrupp will viel Personal kürzen, bekommt aber
gleichzeitig Staatsgeld – das sollte künftig unterbunden werden.
Erdölverarbeiter PCK in Schwedt: Raffineriesorgen
Seit Russlands Angriffskrieg fließt kaum noch Öl bei PCK. Ein Treffen über
die Zukunft des Werks hinterlässt Ratlosigkeit.
Umbau der fossilen Industrie: Grüner soll die Aussicht sein
Die Klimaschutzverträge kommen – in Deutschland können sich Firmen um
Subventionen bewerben. Die Bedingung? Sie müssen ihren CO2-Ausstoß
reduzieren.
Umstellung auf Wasserstofftechnologie: Bremer Stahl soll grüner werden
Dank einer Millionenförderung kann das Bremer Stahlwerk in der Zukunft
CO2-neutralen Stahl produzieren – wenn es denn genug grünen Wasserstoff
gibt.
SPD streitet über Energiesubventionen: Nenn mir deinen Strompreis, Genosse!
Strom für Industrieunternehmen subventionieren? SPD-Kanzler Scholz will
nicht, führende Sozialdemokraten möchten sehr wohl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.