# taz.de -- Umbau der fossilen Industrie: Grüner soll die Aussicht sein | |
> Die Klimaschutzverträge kommen – in Deutschland können sich Firmen um | |
> Subventionen bewerben. Die Bedingung? Sie müssen ihren CO2-Ausstoß | |
> reduzieren. | |
Bild: Dreckschleuder: das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg-Marxloh | |
BERLIN taz Die hiesige Industrie arbeitet größtenteils mit fossilen | |
Energien. Doch in gut 20 Jahren soll sie überwiegend klimaneutral sein. | |
Damit die Unternehmen diesen Übergang schaffen und nicht abwandern, wird | |
ihnen der Staat ab jetzt zusätzliche finanzielle Unterstützung anbieten. | |
Das Instrument der sogenannten Klimaschutzverträge, das | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag präsentierte, | |
geschieht auch mit Blick auf die [1][Subventionen an die Wirtschaft, die in | |
den USA gezahlt werden]. | |
In Deutschland produzierende Firmen, beispielsweise der Stahl-, Zement-, | |
Chemie- oder Glasindustrie, die viel Energie verbrauchen und hohe | |
Emissionen verursachen, können sich ab jetzt im Rahmen von Ausschreibungen | |
um staatliche Zuschüsse bewerben. Die günstigsten Gebote für die Einsparung | |
von klimaschädlichem Kohlendioxid erhalten den Zuschlag. Unternehmen | |
bekommen eine Förderung, wenn sie in der Produktion etwa Erdgas durch | |
grünen Wasserstoff ersetzen. Der Staat übernimmt dabei vorübergehend die im | |
Vergleich zur konventionellen Herstellung höheren Kosten. Sinken die | |
Produktionsausgaben unter eine vorher vereinbarte Schwelle, müssen die | |
Firmen Geld zurückzahlen. Habeck sprach von einem „superkosteneffizienten“ | |
Verfahren – der Staat werfe kein Geld zum Fenster hinaus. | |
Dieser Mechanismus der staatlichen Förderpolitik ist neu. Im vergangenen | |
Jahr nahmen knapp 100 Firmen an einem Vorverfahren teil. Diese können sich | |
nun an der ersten Ausschreibungsrunde beteiligen. Voraussichtlich drei | |
weitere Runden mit anderen Unternehmen werden folgen. Die Verträge zwischen | |
Staat und Wirtschaft haben eine Laufzeit von 15 Jahren. | |
## Vier Milliarden Euro in der ersten Runde | |
Für die erste Runde stehen vier Milliarden Euro zur Verfügung. 19 weitere | |
Milliarden Euro sind im Haushaltsplan 2024 für die Zukunft schon | |
festgelegt. Da es auch in früheren Bundesetats bereits Verpflichtungen für | |
dieses Programm gab, konnte Habeck von einem „mittleren zweistelligen“ | |
Milliardenbetrag sprechen, der im Klima- und Transformationsfonds der | |
Bundesregierung insgesamt für die Klimaschutzverträge zur Verfügung stehe. | |
Für das Wirtschaftsministerium genießt das Programm eine hohe Priorität – | |
anscheinend hat es deshalb [2][die jüngsten Kürzungen in Klimafonds und | |
Haushalt mehr oder weniger unbeschadet überlebt]. | |
Nach Ansage von Habeck ist Deutschland das „erste Industrieland“ weltweit | |
und der „erste EU-Staat, der dieses innovative Instrument zur | |
Dekarbonisierung seiner Industrie einsetzt“. Weil es sich um Subventionen | |
handelt, die Unternehmen anderer Staaten benachteiligen können, brauchte es | |
eine Genehmigung durch die Europäische Kommission. | |
Die Klimaschutzverträge richten sich an Großunternehmen, aber auch an | |
mittlere Firmen. Diese können sich zu Konsortien zusammenschließen, um an | |
den Ausschreibungen teilzunehmen. Bis 2045 soll das Programm den Ausstoß | |
von etwa 350 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermeiden helfen. Das ist | |
ungefähr die Hälfte der derzeitigen Gesamtemission Deutschlands in einem | |
Jahr. | |
Obwohl es sich um [3][ein massives Subventionsprogramm] handelt, hat auch | |
die FDP ihren Segen erteilt. Lukas Köhler, Fraktionsvize der Liberalen im | |
Bundestag, nannte die Verträge mit Blick auf die Ausschreibungen ein | |
„wettbewerbskonformes Instrument“. Außerdem sei die „Technologieoffenhei… | |
gewährleistet. Soll heißen: Nicht nur neue Produktionsverfahren mit grünem | |
Wasserstoff erhalten Geld, sondern auch solche mit blauem Wasserstoff, | |
welcher aus fossilem Erdgas gewonnen wird. Diesen Punkt kritisiert dagegen | |
die Umweltorganisation Greenpeace. Deutschland-Chef Martin Kaiser fordert, | |
dass nur mit Wind- oder Solarenergie erzeugter, grüner Wasserstoff | |
eingesetzt werden dürfe. | |
## „Fairer Deal zwischen Industrie und Staat“ | |
„Es ist höchste Zeit, dass vor allem die energieintensive Industrie mit | |
Maßnahmen unterstützt wird, die Planungssicherheit zu stabilen und | |
wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet“, sagte Jürgen Kerner, der Zweite | |
Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall. „Die Bundesregierung muss | |
sich stärker um den Erhalt von gefährdeten Industriearbeitsplätzen | |
bemühen.“ Zustimmung zu den Klimaverträgen signalisierte auch der | |
Geschäftsführer des Verbandes der Chemieindustrie, Wolfgang Große Entrup: | |
„Es wäre klug, sie als langfristiges Instrument zu etablieren.“ Das | |
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin lobte das Verfahren | |
als „fairen Deal zwischen Industrie und Staat“. | |
Neben den Klimaschutzverträgen existieren weitere EU-genehmigte | |
Subventionsprogramme. Aus diesen soll Thyssenkrupp in Duisburg 2 Milliarden | |
Euro erhalten, um Stahl mittels grünen Wasserstoffs herzustellen anstatt | |
mit Kokskohle. Die Firma Northvolt bekommt fast 1 Milliarde Euro für eine | |
neue Fabrik für E-Auto-Batterien in Schleswig-Holstein – mittels eines | |
Programms, das die Subventionen Chinas und der USA in diesem Sektor | |
ausgleichen soll. | |
12 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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