# taz.de -- Grüner Wasserstoff: Noch keine tragfähige Energiequelle | |
> Grüner Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger der Dekarbonisierung. Doch | |
> bislang ist er kaum bezahlbar. | |
Bild: Im Energiepark Bad Lauchstädt soll mit Windenergie und Elektrolyse grün… | |
Freiburg taz | Selbst 1,3 Milliarden Euro an staatlicher Förderung reichten | |
nicht aus: Der Stahlhersteller ArcelorMittal teilte mit, er werde seine | |
Pläne zur Dekarbonisierung seiner [1][Flachstahlwerke in Bremen] und | |
Eisenhüttenstadt nicht weiterverfolgen. Damit kollabiert ein [2][weiteres | |
Herzensprojekt von Robert Habeck]. Im Mai 2024, als der damalige | |
Bundeswirtschaftsminister dem Unternehmen den Förderbescheid überreichte, | |
sprach er noch von einem „Meilenstein bei der Transformation unserer | |
Industrie“. Jetzt zeigt sich: Selbst die hohe Fördersumme konnte dem | |
Projekt nicht den Weg bereiten. | |
Das Projekt sollte aus mehreren Teilen bestehen: Am Standort Bremen sollte | |
eine Direktreduktionsanlage (DRI) gebaut werden, die Wasserstoff einsetzt. | |
In klassischen Hochöfen kommt zur Reduktion des Erzes hingegen noch Koks | |
zum Einsatz. Die DRI sollte dann drei Elektrolichtbogenöfen – einen in | |
Bremen sowie zwei weitere in Eisenhüttenstadt – mit ihrem Eisen versorgen. | |
Mit der Technik wäre auch dort ein Wechsel weg von der traditionellen Kohle | |
hin zu den Energieträgern Erdgas und Strom verbunden gewesen. | |
Ursprünglich sollten so mehr als 3,8 Millionen Tonnen an „grünem“ Stahl | |
jährlich produziert werden, wie das Bundeswirtschaftsministerium einst | |
vorrechnete. Doch nun erklärte ArcelorMittal, „grüner Wasserstoff“ sei | |
„noch keine tragfähige Energiequelle“ und „nicht wettbewerbsfähig“. | |
Der Mangel an grünem Wasserstoff ist ein internationales Phänomen. Nur | |
sieben Prozent der ursprünglich für 2023 angekündigten Kapazität zur | |
Wasserstoffproduktion seien fristgerecht fertiggestellt worden, heißt es in | |
einer Publikation des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung aus diesem | |
Jahr. Laut der Studie ließen sich „die jüngsten Probleme des Markthochlaufs | |
von grünem Wasserstoff auf gestiegene Kosten, fehlende Zahlungsbereitschaft | |
auf der Nachfrageseite und Unsicherheiten über zukünftige Förderung und | |
Regulatorik zurückführen“. | |
## Grüner Wasserstoff braucht enorm viel Strom | |
Dabei ist das grundsätzliche Problem keinesfalls neu: Grüner Wasserstoff, | |
der per Elektrolyse erzeugt wird, braucht enorme Mengen an Strom. Bei der | |
Elektrolyse wird Wasser mit elektrischer Energie in seine Bestandteile | |
Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. So wird die Energie, die der | |
Wasserstoff später liefert, vorab in Form von Strom hineingesteckt, | |
zuzüglich der unvermeidbaren Verluste. | |
Die Grenzen der Ausbeute setzt die Natur: Theoretisch sind für die | |
Erzeugung eines Kilogramms Wasserstoff 42 Kilowattstunden Strom nötig, das | |
ist das physikalische Minimum. In der Praxis braucht ein Elektrolyseur | |
mitsamt seiner Nebenkomponenten rund 55 Kilowattstunden pro Kilogramm. Die | |
Stromkosten müssen sich also zwingend im Preis des Wasserstoffs | |
widerspiegeln. | |
## Fehlender Markt | |
Aber offenkundig machen selbst die zeitweilig auftretenden negativen | |
Strompreise, die aus Überschüssen der Erneuerbaren resultieren, den Bau von | |
Elektrolyseuren für potenzielle Investoren noch nicht attraktiv genug. Denn | |
zu Zeiten ohne Wind und Sonne müssten sie dann entweder extrem hohe | |
Strompreise zahlen oder aber ihre Anlage stilllegen. Beides verhagelt die | |
Bilanz. | |
Hinzu kommt, dass auch der fehlende Markt für grünen Wasserstoff Investoren | |
abschreckt. Zugleich tun sich potenzielle Abnehmer schwer, auf Wasserstoff | |
umzustellen, weil es kaum Produzenten gibt. So gibt es im Wasserstoffsektor | |
noch keine funktionierenden Geschäftsmodelle abseits der staatlichen | |
Förderung. | |
Befürworter von grünem Stahl fordern einen Dreiklang [3][der staatlichen | |
Förderung]: Man brauche staatliche Gelder erstens für die Produzenten des | |
Wasserstoffs, zweitens für den Aufbau der Netzinfrastruktur und drittens | |
für die industriellen Verbraucher. Nur unter solchen Bedingungen könne | |
eintreten, was sich Firmen wie ArcelorMittal wünschen: dass sie grünen | |
Wasserstoff irgendwann billiger beziehen können als Erdgas. | |
22 Jun 2025 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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