| # taz.de -- Sahrauische Aktivistin über Ausbeutung: „Wir reden hier von blut… | |
| > Aktivistin Emma Lehbib kritisiert die Aneignung von Ressourcen der | |
| > Westsahara mithilfe Marokkos – um den Norden klimaneutral zu machen. | |
| Bild: Damit ihre Unterdrückung nicht vergessen wird: Demonstration von Sahrauis | |
| taz: Frau Lehbib, grüner Wasserstoff könnte für die Westsahara zum | |
| Exportschlager werden – warum steht der globale Norden in der Kritik, | |
| kolonialistisch zu handeln? | |
| Emma Lehbib: Die Westsahara ist die letzte offizielle Kolonie in Afrika. Es | |
| geht also um ein kolonisiertes, besetztes Gebiet, das mithilfe des Staates | |
| Marokko – der es de facto kontrolliert – für Ressourcen ausgebeutet wird, | |
| ohne Konsequenzen, und ohne, dass das Volk den Projekten zustimmt. | |
| [1][Erneuerbare Energien spielen im globalen Norden eine wichtige Rolle.] | |
| Grüner Wasserstoff aus der Sahara klingt natürlich toll. | |
| taz: Würden Sie sagen, dass der dort produzierte Wasserstoff tatsächlich | |
| grün ist? | |
| Lehbib: Die Frage, ob der grün ist oder nicht, ist nicht wirklich relevant. | |
| Wir reden hier von blutigem Wasserstoff. | |
| taz: Wie meinen Sie das? | |
| Lehbib: Die Wasserstoffprojekte sind nur durch die 50-[2][jährige Besetzung | |
| der Westsahara möglich.] Eine Besetzung, die mit einem Aggressionskrieg | |
| begann, mit Kriegsverbrechen einherging und bis heute von schweren | |
| Menschenrechtsverletzungen geprägt ist. Die Sahrauis erfahren systematische | |
| Gewalt, werden aus ihren Häusern vertrieben, die zerstört werden, um Raum | |
| für Windparks, Wasserstoffproduktion und touristische Infrastruktur zu | |
| erzwingen. | |
| taz: Haben die Projekte weitere Auswirkungen? | |
| Lehbib: Marokko fühlt sich immer stärker bemächtigt und in der Besetzung | |
| legitimiert. Es wird aggressiv gegen Menschenrechtsaktivist:innen | |
| vorgegangen, zensiert und kontrolliert – Pressefreiheit gibt es nicht. Die | |
| wenigen mutigen Journalist:innen haben mit Gewalt und Verfolgung zu | |
| kämpfen. Es gibt viele Entführungen und Vergewaltigungen. Menschen werden | |
| ohne Prozess in Gefängnisse gesteckt. | |
| taz: Bringen die Projekte auch was Gutes? | |
| Lehbib: Die einzige Chance ist, dass ein kritischer Diskurs entsteht. Die | |
| Besetzung ist in Deutschland nicht wirklich bekannt. Jetzt, mit Aufkommen | |
| erneuerbaren Energien, öffnet sich die Möglichkeit, darüber zu sprechen, | |
| woher dieser Wasserstoff eigentlich kommt, zu thematisieren, was für ein | |
| Unrecht stattfindet, und dass das illegal ist. | |
| taz: Die Westsahara ist stark von Arbeitslosigkeit geprägt. Helfen die | |
| Projekte hier? | |
| Lehbib: Es werden zwar Arbeitsplätze geschaffen, aber Sahrauis werden auf | |
| dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Marokkanische Siedler:innen werden | |
| bevorzugt. Die wirtschaftliche Lange für Marokkaner:innen ist aber | |
| auch sehr schlecht – genauso wie deren Menschenrechtslage. Klar nehmen Sie | |
| es an, wenn Ihnen ein stabiler Job in einer immer größer werdenden | |
| Industrie angeboten wird. Sie werden vom marokkanischen Staat | |
| instrumentalisiert. | |
| taz: Welchen Einfluss haben europäische Staaten? | |
| Lehbib: Viele, und besonders Frankreich, hatten nie Interesse an einer | |
| Befreiung der Westsahara und [3][begrüßen die Wasserstoffprojekte.] Marokko | |
| gilt als progressives Land, als Pionier der erneuerbaren Energien auf dem | |
| afrikanischen Kontinent. Das verkauft sich natürlich super. Wir reden aber | |
| am Ende des Tages von einem stark autoritärem Staat, der immer noch einen | |
| Monarchen hat, welcher effektiv fast alles kontrolliert und bestimmt. Die | |
| Sahrauis und Marokkaner:innen leiden darunter – durch starke | |
| Repression, Armut und eingeschränkte Freiheiten. | |
| taz: Wer profitiert neben Marokko und den Importländern von der | |
| Energieproduktion in der Westsahara? | |
| Lehbib: Internationale Unternehmen, etwa [4][Siemens Energy], ein großes | |
| und wichtiges Unternehmen in der Westsahara. | |
| taz: Was würden Sie sich von den Unternehmen wünschen? | |
| Lehbib: Dass sie sich rausziehen, bis das Land entkolonisiert ist. Oder | |
| dass sie sich die Zustimmung des Volkes einholen. | |
| taz: Würden die Sahrauis zustimmen? | |
| Lehbib: Die Sahrauis sind nicht grundsätzlich gegen Projekte in der | |
| Westsahara. Es braucht Energieprojekte, die nachhaltig sind. Was sie | |
| erwarten ist, dass die Ressourcen mit [5][Zustimmung der Sahrauis] genutzt | |
| werden. Andernfalls ist das völkerrechtswidrig. | |
| 22 Sep 2025 | |
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| [5] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/329090/der-… | |
| ## AUTOREN | |
| Leo Schurbohm | |
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