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# taz.de -- UN-Sicherheitsrat zur Westsahara: „Es geht nicht nur um Ressource…
> Die Politologin Isabelle Werenfels über Marokkos Autonomie-Plan für die
> Region und die geopolitischen Gründe, warum es sich damit durchsetzen
> konnte.
Bild: Kamele vor Windrädern: In der Westsahara steht heute der größte Windpa…
Frau Werenfels, [1][der UN-Sicherheitsrat hat sich dafür ausgesprochen,
dass die Westsahara eine autonome Region innerhalb Marokkos werden solle].
Wie kommt das?
Isabelle Werenfels: Das ist eindeutig ein diplomatischer Sieg für Marokko,
der ohne die Unterstützung der USA so nicht möglich gewesen wäre. Wenn man
die Resolution liest, dann sieht man, dass da eine Reihe von eher vagen und
vorsichtigen Formulierungen drin sind. Aber insgesamt fällt sie eindeutig
zu Gunsten Marokkos aus.
Schon 2020 hat Donald Trump in seiner ersten Amtszeit den Anspruch Marokkos
auf das umstrittene Gebiet der Westsahara unterstützt – als Belohnung
dafür, dass Marokko seine [2][Beziehungen zu Israel normalisiert] hat.
Warum ist ihm der UN-Sicherheitsrat jetzt gefolgt?
Damals war die Stimmung im Sicherheitsrat noch eine andere. Seitdem hat
sich viel geändert. In der Zwischenzeit haben sich eine ganze Reihe
europäischer Staaten, von Frankreich über Spanien und Portugal bis
Großbritannien, in unterschiedlichem Maße auf Marokko zubewegt. Aber auch
immer mehr nicht-westliche Staaten erkennen die marokkanische Souveränität
bzw. den Autonomieplan an, wenn auch in unterschiedlich eindeutigen
Formulierungen.
Warum?
Marokko hat sehr viele Fakten geschaffen, es gibt geopolitische Gründe und
die internationale Politik ist generell viel transaktionaler geworden. Im
Fall von Spanien hat das ganz klar mit dem Thema Migration zu tun. Die
Franzosen haben ihre Position geändert, weil sie im Sahel komplett an
Rückhalt verloren haben und sich mit Algerien und Tunesien schwer tun, so
dass sich ihnen im Maghreb nur noch Marokko als enger Partner anbot. Viele
westliche Staaten haben ein Interesse an Marokko, weil sich Marokko
sicherheitspolitisch stark nach Westen ausrichtet.
Welche Rolle spielen Ressourcen in diesem Konflikt?
Es gibt zum Beispiel Phosphat, und die Region ist [3][für Investoren im
Bereich erneuerbarer Energien interessant]. Marokko baut in der Westsahara
einen großen Hafen. Besonders relevant ist, dass die Westsahara die einzige
Landverbindung Marokkos nach Westafrika darstellt. Die ganzen
Infrastrukturprojekte, mit denen Marokko den Sahelstaaten einen Zugang zum
Atlantik verschaffen will, sind ohne die Westsahara, aber auch ohne
Mauretanien nicht möglich.
Aber es geht nicht nur um Ressourcen?
Nein, die Westsahara-Frage ist zu einem Pfeiler der marokkanischen
Identität geworden. Man trifft kaum Marokkaner, weder in Marokko noch im
Ausland, die das anders sehen. Wenn es um Palästina geht, mögen die
Meinungen auseinander gehen. Bei der Westsahara nicht. An der
Normalisierung der Beziehungen zu Israel gab es in Marokko viel Kritik.
Aber die Westsahara gehört nach Meinung der allermeisten Marokkaner zu
Marokko. Die territoriale Integrität zählt, wie die Monarchie und die
Religion inzwischen zu den Grundpfeilern des marokkanischen Systems.
Ursprünglich sah der UN-Prozess ein Referendum über die Unabhängigkeit der
Westsahara vor, das hat Marokko aber seit 1991 erfolgreich blockiert. Ist
das jetzt vom Tisch?
Man muss die Resolution schon sehr genau lesen. Das Thema der
Selbstbestimmung wird nach wie vor genannt, das betont derzeit auch
Algerien. Dennoch ist der Grundtenor, dass eine Autonomie innerhalb des
marokkanischen Staates die realistischste Lösung ist, und dass man auf
dieser Basis verhandeln sollte. Da kann man natürlich einen gewissen
Widerspruch sehen.
Wird es überhaupt ein Referendum geben?
Die Idee ist schon seit einiger Zeit, dass der zukünftige Status über eine
Verhandlungslösung zwischen den Parteien, das heißt, mit den Sahrauis
gefunden wird. Das fand sich auch in früheren Resolutionen. Ob am Ende ein
Referendum steht, wie es ursprünglich gedacht war, ist aber höchst unklar.
Man muss aber auch sehen, dass sich am Status der Westsahara durch diese
Resolution allein noch nichts geändert hat. Der wird sich erst ändern, wenn
eine gemeinsame verhandelte und vereinbarte Lösung vorliegt. Und [4][für
Verhandlungen über einer Autonomie muss die Polisario an Bord sein], und
letztlich auch Algerien.
Welche Rolle spielt Algerien?
Algerien hat Einfluss auf die Polisario, die politische Vertretung der
Sahraui. Wenn Algerien ihr Signale geben würde, sich auf eine
Autonomielösung einzulassen, dann wird es für diese sehr schwer, sich dem
zu entziehen. Die Polisario hat vor der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat
verlauten lassen, dass sie sich vorstellen kann, in einem Referendum auch
über eine Autonomielösung abstimmen zu lassen.
Wenn man von einem Referendum spricht, dann ist die Frage: Wer darf
abstimmen? In der Westsahara bilden Marokkaner heute die größte
Bevölkerungsgruppe, weil Marokko das besetzte Land besiedelt hat.
Richtig. Die Frage ist: Dürfen auch Menschen aus der Westsahara, die in
Rabat oder anderswo in Marokko leben, mit abstimmen? Oder nur die, die in
den so genannten Südprovinzen leben, wie Marokko sie nennt? Wie steht es
mit den Sahraui in der Diaspora? Und wie eruiert man genau, wer
sahraouische Wurzeln hat? Das ist alles kompliziert und ungeklärt.
Elf der 15 Sicherheitsrats-Mitglieder haben für den von den USA
ausgearbeiteten Text gestimmt. Wer nicht?
Russland, China und Pakistan haben sich im Sicherheitsrat enthalten,
Algerien hat an der Abstimmung nicht teilgenommen. Es wurde offenbar bis
zum letzten Moment zäh um einzelne Formulierungen gerungen. Die Amerikaner
und die Marokkaner hatten die Sorge, dass es ein russisches Veto geben
könnte, wenn der Text nicht entschärft wird. Frühere Versionen waren noch
eindeutiger auf der marokkanischen Linie.
Wie blicken Netanjahu und Putin auf diese Resolution? Hilft ihnen das bei
ihren Annexionsplänen, im Westjordanland oder mit Blick auf Teile der
Ukraine?
Israel hat nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Marokko dessen
Souveränität über die Westsahara anerkannt, und ich glaube, Putin ist das
Völkerrecht ziemlich egal. Putin braucht Marokko nicht.
Zwischen Deutschland und Marokko gab es 2021 eine veritable Krise, damals
ging es auch um die Westsahara. Berlin hat Trumps Entscheidung, Marokkos
Annexion anzuerkennen, damals explizit kritisiert. Hat es seine Haltung nun
geändert?
Nein. Deutschland orientiert sich immer an den UN-Resolutionen und wird das
auch weiter tun. Wenn sich da jetzt etwas verschoben hat, dann, so vermute
ich, wird Deutschland sich dazu nicht groß äußern. Aber Deutschland kann
sich nun auf diese UN-Resolution beziehen – ohne seine Position explizit
ändern zu müssen.
Die Bundeswehr ist mit bis zu vier Militärbeobachtern an einer
UN-Friedensmission in der Westsahara beteiligt, die der UN-Sicherheitsrat
um ein weiteres Jahr verlängert hat. Ändert sich etwas an dieser
Friedesnmission?
Nein, daran ändert sich vorerst wenig. In der Resolution steht, dass die
UNO-Friedensmission den Persönlichen Gesandten der UNO bei seinen
Verhandlungen unterstützen soll. Vor allem aber soll es über das zukünftige
Mandat der Mission in sechs Monaten einen strategischen Bericht geben.
Politiker in den USA haben immer wieder angedeutet, dass sie die Mission
für überflüssig halten, das ist jetzt vorläufig wieder für ein Jahr vom
Tisch. Ich vermute aber, dass wir in einem Jahr zumindest eine Umwandlung
des Mandats sehen werden.
3 Nov 2025
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## AUTOREN
Daniel Bax
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