# taz.de -- Umbau auf Wasserstofftechnologie stockt: Stahl bleibt erst mal grau | |
> Der Stahlkonzern Arcelor stellt den „grünen“ Umbau des Bremer Stahlwerks | |
> infrage. Zugleich bringt eine CDU-Klage die öffentliche Förderung in | |
> Gefahr. | |
Bild: Wann hier CO₂-neutraler Stahl produziert wird, wird immer unsicherer: S… | |
Bremen taz | Zwei große Container sollten Hoffnung verbreiten am Bremer | |
Stahlwerk: Am 8. Oktober wurden darin zwei Einheiten eines Elektrolyseurs | |
angeliefert, mit dem aus Wasser mittels „grünem“ Strom [1][„grüner“ | |
Wasserstoff gewonnen werden soll] – eine Grundlage für die CO2-neutrale | |
Stahlproduktion. „Der nächste Meilenstein“, feierte das Unternehmen die | |
Anlieferung. | |
Nicht einmal zwei Monate später ist man auf dem Wasserstoffweg gefühlt ein | |
paar Meilen zurückgeworfen. Es gibt, wieder einmal, schlechte Nachrichten | |
für den Umbau des Bremer Werks zur klimaneutralen Stahlproduktion – und | |
damit für die Zukunft des Werks selbst. | |
Eine echte Zusage für den Umbau des Werks hatte es [2][von der | |
Konzernspitze noch nie gegeben] seit Bekanntgabe der Förderung. Nun legte | |
ein Artikel aus einer belgischen Zeitung nahe, dass die belgische | |
Konzernspitze nur an drei europäischen Werken in die Transformation | |
investieren wolle; Bremen wurde dabei nicht genannt. | |
Der Konzern hat bereits reagiert und zum Teil entwarnt: Die Meldung sei | |
falsch, es gebe noch keine Entscheidung für einzelne Standorte; die falle | |
erst Anfang 2025. Nicht dementiert hat man, dass womöglich nicht alle | |
Betriebe mit Förderzusage auch zeitnah umgerüstet werden sollen. | |
Das sorgt für gewisse Nervosität in Bremen. Betriebsrat und IG Metall haben | |
eine außerordentliche Betriebsversammlung für Dienstag geplant, der | |
Vorstand soll dort eine Erklärung abgeben. Mit einer klaren Zu- oder Absage | |
rechnet dort niemand. „Aber wir wollen für die Beschäftigten zumindest den | |
Stand der Debatte abfragen“, so Ute Buggeln, Geschäftsführerin der IG | |
Metall Bremen. | |
Mitten in die Standortfrage platzt in Bremen eine erneute Debatte um den | |
aktuellen Haushalt. Die finanzielle Förderung des Landes für die | |
Transformation des Stahlwerks (und ein paar andere Wasserstoffprojekte) | |
wird dort nur über Kredite finanziert – trotz Schuldenbremse, es geht um | |
450 Millionen Euro. Nun steht infrage, ob das verfassungskonform war: Die | |
CDU-Fraktion hat am Montag entschieden, Klage gegen den Haushalt | |
einzureichen. | |
Dabei hatte die Oppositionspartei dem „Sondervermögen“ ausdrücklich | |
zugestimmt – auch um das Stahlwerk zu retten. Empört zeigte sich die CDU | |
dann aber, dass Rot-Grün-Rot über das „Sondervermögen“ hinaus noch andere | |
Ausgaben im Haushalt über Schulden finanzierte. | |
Nur gegen diese anderen Punkte, sagt Jens Eckhoff, finanzpolitischer | |
Sprecher der CDU, sei die Klageschrift gerichtet. Wenn der Haushalt 2024 | |
vor Gericht verhandelt wird, könnte es dennoch sein, dass dort auch die | |
Förderung des Stahlwerks verfassungswidrig auffällt. „Ich gehe mal davon | |
aus, dass das Gericht viel um die Ohren hat und sich auf unsere Klagepunkte | |
konzentriert“, sagt Eckhoff, gibt aber zu: „Ein Restrisiko bleibt.“ | |
Wirklich entscheidend sei das aber nicht: Schließlich sei, Haushalt hin, | |
Haushalt her, die Förderzusage bereits rechtsverbindlich gegeben worden. Im | |
Zweifel „müsste das Geld eben an anderen Stellen eingespart werden“. Auch | |
sei bereits sichergestellt, dass die Förderung jederzeit abgerufen werden | |
kann, wenn der Konzern sich entscheidet: Die Millionen liegen bereits auf | |
einem Treuhandkonto. | |
## Viel Kritik an Klage der CDU | |
Buggeln kritisiert die Klage der CDU dennoch. „Einen guten Eindruck macht | |
es auf den Konzern sicher nicht, wenn die CDU jetzt klagt“, sagt sie. Auch | |
die Regierungsfraktionen kritisieren den Zeitpunkt kurz vor der | |
Standortentscheidung. | |
„Eine laufende Klage könnte man auch überschreiben mit einer Botschaft an | |
die Konzernleitung: ‚Hier bitte nicht‘“, so Sophia Leonidakis, | |
Fraktionsvorsitzende der Linken. Und Philipp Bruck, finanzpolitischer | |
Sprecher der Grünen, meint: „Dass die CDU beim Stahlwerk keinen Schaden | |
anrichtet, nur weil sie es in der Klage nicht explizit erwähnt, glauben | |
vermutlich nur ihre Abgeordneten selbst.“ | |
Ob die Klage relevant wird, hängt noch an einer viel grundsätzlicheren | |
Entscheidung von Arcelor Mittal: Im Raum steht die Überlegung, die | |
Stahlproduktion in ganz Europa anders umzurüsten, als bisher geplant. Laut | |
Branchenberichten würde der Konzern dann – vorerst an einzelnen Standorten | |
– zwar von Hochöfen auf Elektrolichtbogenöfen, nicht aber auf | |
Direktreduktionsanlagen (DRI) umstellen. | |
## Arcelor forder Handelsschutz | |
Elektrolichtbogenöfen werden mit Strom betrieben und sparen Treibhausgase | |
im Vergleich zur jetzigen Methode. Aber nur Direktreduktionsanlagen | |
ermöglichen unter Einsatz von Wasserstoff eine CO₂-freie Stahlproduktion. | |
Sollte der Konzern bald bestätigen, dass DRI keine Option mehr sind, würden | |
alle zugesagten Förderungen von EU, Bund und Ländern unwirksam. | |
Arcelor begründet seine Skepsis gegenüber der Wasserstoffumstellung mit | |
fehlenden politischen Rahmenbedingungen – und nutzt die öffentlichen | |
Überlegungen so auch als Druckmittel. Konkret fordert der Konzern unter | |
anderem verlässliche Wasserstoffpreise und [3][Handelsschutzmechanismen | |
gegen billigen Stahl] von außerhalb der EU. Thyssen Krupp hatte kürzlich | |
mit ähnlichen Forderungen seine [4][Umstellung auf „grünen Stahl“ in | |
Zweifel] gezogen. | |
Bei der IG Metall ruft man den Konzern dazu auf, Verantwortung zu | |
übernehmen. Gleichzeitig bietet die Gewerkschaft aber auch | |
Argumentationshilfe gegenüber der Politik. „Wir brauchen einen | |
Industriestrompreis“, stellt Buggeln klar. „China und USA fördern ihre | |
Industrie massiv. Da mit Marktliberalismus mithalten zu wollen, ist einfach | |
verrückt.“ | |
27 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gruener-Wasserstoff-dringend-gesucht/!6038945 | |
[2] /Umbau-auf-Wasserstoffnutzung-unsicher/!5996468 | |
[3] /Gruener-Stahl-in-Grossproduktion/!5948679 | |
[4] /Klimaneutraler-Stahl-auf-der-Kippe/!6038124 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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