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# taz.de -- Ökonom zu Transformation der Wirtschaft: „Viel Potenzial nicht a…
> Soziale und nachhaltige Industriepolitik funktioniert nur
> gesamteuropäisch, sagt Ökonom Jakob Hafele. Ein nationaler Fokus
> verschwende Chancen.
Bild: Wo die Sonne so schön scheint wie hier auf Kreta, könnte die Energie au…
taz: Herr Hafele, [1][Ökonom*innen sind sich einig: Die Zollpolitik des
kommenden US-Präsidenten Donald Trump wird der deutschen Wirtschaft
schaden.] Kann Deutschland sein auf Wachstum durch Export ausgerichtetes
Wirtschaftsmodell also überhaupt fortsetzen?
Jakob Hafele: Nein, und das nicht nur wegen Trump. Die aktuelle Krise – die
verschleppte Transformation der Industrie, die drohenden Veränderungen in
der US-Politik, der Bruch der Ampelkoalition – zeigt, dass diese
Wirtschaftspolitik an ihr Ende gekommen ist. Im zwanzigsten Jahrhundert hat
sie einem kleinen Teil der Welt Wohlstand gebracht, aber jetzt darf es
nicht mehr primär darum gehen, den Kuchen immer größer zu machen.
taz: Sondern?
Hafele: Das Ziel muss sein, den Kuchen fair zu verteilen. Eine gute
Wirtschaft ist meiner Meinung nach eine zukunftsfähige. Eine, die die
planetaren Grenzen respektiert, also Klimaschutz und Biodiversität
ermöglicht oder sogar voranbringt. Auf der anderen Seite sollte die
Wirtschaft möglichst gute Lebensbedingungen für Menschen schaffen und zum
Beispiel dafür sorgen, dass sie in einem motivierenden Arbeitsumfeld tätig
sein können und sozial abgesichert sind.
taz: Kann die aktuelle Krisensituation den Anstoß für einen Umbau der
Wirtschaft geben?
Hafele: Diese Chance sehe ich auf jeden Fall. Denn jetzt ist
offensichtlich: [2][Es kann nicht weitergehen wie bisher, wir brauchen
Veränderung und Investitionen.] Das Wichtige ist jetzt, dass diese Chance
der Veränderung zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaft führt.
Die Schuldenbremse hat das in den letzten Jahren konsequent verhindert.
[3][Dass Christian Lindner als ihr größter Verfechter jetzt nicht mehr Teil
der Bundesregierung ist, bewerte ich deshalb positiv.] Außerdem muss die
deutsche Industriepolitik endlich europäisch werden, dort wurde bisher viel
Potenzial nicht ausgeschöpft.
taz: Welches Potenzial zum Beispiel?
Hafele: Viel Potenzial liegt in Regionen, in denen erneuerbare Energien
besonders günstig wären. Beispielweise in sonnenreichen Länder wie
Griechenland und Italien, denen es aktuell wirtschaftlich nicht gutgeht.
Das könnte anders sein: Denn würden wir energieintensive Industrien wie die
Produktion von Eisen in solche Länder verlagern, würden dort mehr
Arbeitsplätze entstehen. Und die Verlagerung der Industrie hätte auch
positive Effekte
taz: Welche denn?
Hafele: Bleiben wir beim Beispiel Eisen: Das würde ein, sagen wir,
spanisches Unternehmen mithilfe von Energie aus Photovoltaikanlagen
produzieren und dann nach Deutschland liefern. Ein Unternehmen im
Ruhrgebiet könnte daraus dann Stahl produzieren und weltweit verkaufen.
Insgesamt wäre das günstiger, als das Eisen mit hohem Energieaufwand
hierzulande mit teurerer Energie herzustellen und dann zu Stahl zu
verarbeiten. Das deutsche Unternehmen könnte also günstiger produzieren und
verkaufen, hätte dadurch eine höhere Nachfrage und mehr Aufträge für den
spanischen Hersteller.
taz: Warum passiert das dann nicht längst?
Hafele: Weil gerade Länder wie Deutschland, die lange von einer starken
Industrie profitiert haben, noch immer vorrangig auf das kurzfristige
nationale Wachstum blicken. Die Länder wiederum, in denen das Potenzial
ungenutzt bleibt, haben kein Geld für die nötigen Investitionen. Der
Wirtschaftsraum EU muss sich also als Verbund begreifen, nur so wird er
insgesamt wettbewerbsfähig und stark.
taz: Was müsste denn für einen Umbau zu einer zukunftsfähigen, europäischen
Industrie- und Wirtschaftspolitik passieren?
Hafele: Deutschland muss die Schuldenbremse reformieren, um Investitionen
tätigen zu können. Und auf europäischer Ebene brauchen wir für diesen Zweck
einen Fonds. In den könnte ein Teil der Subventionen fließen, die
wirtschaftlich starke Länder an heimische Industrien zahlen. Die dann
getätigten Investitionen müssen zukunftsfähig sein.
Um das sicherzustellen, schlagen wir ein sogenanntes
Konditionalitäten-Modell vor: Öffentliche Subventionen werden im ersten
Schritt in einem unkomplizierten Verfahren an Industrieunternehmen
ausgezahlt, die sozial-ökologische Pläne verfolgen. Dabei sollte es
zunächst keine konkreten Vorgaben für die Unternehmen geben, das verringert
den bürokratischen Aufwand und beschleunigt den wirtschaftlichen Umbau. Ein
Jahr später wird dann in einem zweiten Schritt geprüft, ob die
sozial-ökologischen Ziele auch erreicht wurden. Allen Unternehmen, bei
denen das nicht der Fall ist, werden die Fördermittel gestrichen. Dadurch
entsteht automatisch ein Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen, die den
sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft vorantreiben.
Bei all diesen Maßnahmen ist es wichtig, die Bevölkerung einzubeziehen und
soziale Absicherung zu garantieren. Der grüne Umbau der Wirtschaft ist
unausweichlich. Aber wird er nicht sozial gestaltet, kann er nicht
funktionieren.
12 Nov 2024
## LINKS
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[3] /Experten-kritisieren-Christian-Lindner/!6044066
## AUTOREN
Marie Gogoll
## TAGS
Transformation
Erneuerbare Energien
Industriepolitik
Transformation
Stahlindustrie
Weltwirtschaft
Energiewende
Stahl
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