# taz.de -- Zukunft des Bremer Stahlwerks: Grüner Stahl braucht starken Staat | |
> Soll das Bremer Stahlwerk verstaatlicht werden, um den klimaneutralen | |
> Umbau doch noch zu realisieren? Diese Idee der Linken ist noch nicht vom | |
> Tisch. | |
Bild: Wäre ein großer Schritt Richtung Klimaneutralität: ein CO2-freies Brem… | |
Bremen taz | Das Bremer Stahlwerk wird nicht klimaneutral – vergangene | |
Woche hatte der Konzern Arcelor Mittal [1][seine Entscheidung | |
veröffentlicht], in Bremen und Eisenhüttenstadt nicht in | |
Direktreduktionsanlagen zu investieren, trotz einer milliardenschweren | |
staatlichen Förderung für die beiden Werke. | |
Was genau der Ausstieg bedeutet, geht in der Analyse oft noch | |
durcheinander. Vielfach wird gleichzeitig ein Debakel für Bremens | |
Klimaziele und für die regionale Wirtschaft bedauert. Dabei ist streng | |
genommen nur eins davon wahrscheinlich. | |
Das Bremer Stahlwerk ist zwar allein [2][für 50 Prozent der CO2-Emissionen | |
des Landes verantwortlich]; ohne Direktreduktionsanlage und damit die | |
Umstellung auf grünen Wasserstoff lässt sich Stahl nicht klimaneutral | |
produzieren. Allerdings würde ein konventionell betriebenes Stahlwerk in | |
der EU dank steigender Kosten für Emissionsrechte mittel- bis langfristig | |
wohl nicht konkurrenzfähig sein und müsste schließen. | |
## Entscheidung für Arbeitsplätze relevant | |
Die Entscheidung ist also für Bremer Arbeitsplätze interessanter als für | |
die Landes-Klimaziele. Belanglos ist die Entscheidung aber auch aus | |
Klimaschutzsicht nicht; schließlich wird weiterhin Stahl genutzt werden; | |
wenn der nicht aus Bremen kommt, dann eben aus dem Ausland. | |
Auch dort gibt es Anstrengungen, die Industrie grüner zu machen: China baut | |
erste Stahlwerke mit Direktreduktionsanlagen auf; aber der jeweils | |
günstigste Stahl ist nach Expertenmeinungen auf absehbare Zeit noch der | |
konventionell produzierte. | |
In die Frage nach den Strategien, um die Entscheidung noch abzuwenden, ist | |
ein wenig Bewegung gekommen. Langsam wird klar: Die Politik hat noch nicht | |
alles getan, um die Umstellung auf Wasserstoff zu erleichtern. Die erste | |
Reaktion war vor allem eine Schuldzuweisung an den Konzern, der die | |
förderwillige Politik lange hingehalten hatte. | |
„Enttäuscht“ und „verärgert“ zeigte sich der Bremer Senat. Schließli… | |
hatte man vieles in die Wege geleitet: ein [3][Sondervermögen für den | |
Förderzuschuss], die Infrastrukturanschlüsse für grünen Wasserstoff und die | |
schnellere Planung. Auch die oppositionelle CDU, die in einem Deal mit den | |
Koalitionsfraktionen dem Sondervermögen für die Fördergelder außerhalb der | |
Schuldenbremse zugestimmt hatte, argumentierte ähnlich: Man habe „gemeinsam | |
mit dem Senat alles getan, um den Standort zu unterstützen“, sagt die neue | |
Fraktionsvorsitzende Wiebke Winter. | |
## Linke kämpferisch | |
Die Linke gab sich kämpferisch. Unter dem Titel „Kapitalismus nervt“ hatten | |
Partei und Fraktion in einer gemeinsamen Presseerklärung kurzerhand die | |
Verstaatlichung des Stahlwerks gefordert. Das öffentliche Interesse sei | |
offenkundig: Schließlich müsse strategisch wichtige Produktion erhalten | |
werden; Klimaschutz ist darüber hinaus Verfassungsauftrag. | |
Allerdings: Kapitalismus nervt – und ist manchmal kompliziert. Dass der | |
Staat „alles getan“ hat, das scheint mittlerweile auch bei den Linken nicht | |
mehr ganz so klar. So ganz sicher ist man sich nicht mehr, dass ein | |
staatlich geführter Stahlkonzern die Transformation sicher bewältigen | |
könnte.„Ich habe seit Ende vergangener Woche selbst eine steile Lernkurve | |
hinter mir“, sagt Christoph Spehr, Sprecher der Partei. | |
Ein Parteitagsbeschluss aus dem Juni liest sich daher viel zurückhaltender | |
als die ursprüngliche Pressemitteilung: Von Vergesellschaftung ist noch die | |
Rede, aber sie geht ein bisschen unter zwischen einer Vielzahl anderer | |
geforderter Maßnahmen. | |
## Argumente der Gegenseite aufgenommen | |
Aufgenommen werden damit von linker Seite ausgerechnet Argumente, die der | |
belgische Konzernchef Geert van Poelvoorde zur Begründung seines Rückzugs | |
ins Spiel gebracht hatte: „Selbst mit der finanziellen Unterstützung ist | |
die Wirtschaftlichkeit dieser Umstellung nicht ausreichend gegeben“, hatte | |
der in einem ersten Statement gesagt. Die europäische Stahlindustrie stehe | |
„unter einem noch nie dagewesenem Druck, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu | |
erhalten“ – bereits ohne zusätzliche Kosten für die Dekarbonisierung. „… | |
höchste Priorität ist derzeit, die Stahlnachfrage in Europa so | |
wiederzubeleben, dass europäische Hersteller auch daran teilhaben können“. | |
Teuer ist die Stahlproduktion in Europa nicht nur durch die politisch | |
erzeugten Kosten für die CO2-Emissionen, sondern auch durch den hohen | |
Strompreis. Ein Industriestrompreis könnte hier für Abhilfe sorgen. | |
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) sagt mittlerweile: „Es geht um | |
unsere industrielle Unabhängigkeit. Dafür brauchen wir verlässliche und | |
bezahlbare Strompreise für die Industrie, klare grüne Leitmärkte und einen | |
wirksamen Schutz vor Billigstahlimporten, ganz gleich ob konventionell oder | |
klimafreundlich hergestellt.“ | |
Der linke Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sitzt seit vielen | |
Jahren selbst im Aufsichtsrat bei Flachstahl Salzgitter. „Im Prinzip | |
braucht es jemanden, der einen zuverlässigen Planungshorizont für die | |
nächsten zehn, zwanzig Jahre aufstellen und auch garantieren kann“, sagt | |
Hickel. Das gelte für zuverlässige Abnahmen von grünem Stahl – etwa über | |
staatliche Investitionen – aber auch über ein zuverlässiges Angebot von | |
grünem Wasserstoff. | |
## Quote für grünen Stahl? | |
Ähnliches hatte die linke Bundeschefin Ines Schwerdtner schon ins Spiel | |
gebracht: Eine Quote für grünen Stahl im Schienenbau etwa könnte den | |
Konzernen eine Nachfrage für ihr teures Produkt garantieren. | |
Komplett vom Tisch ist die Option Verstaatlichung damit nicht bei der | |
Linken, auf dem Landesparteitag hat sie es als „Vergesellschaftung der | |
Produktionsanlagen“ noch in einen Parteitagsbeschluss gebracht. Ein Hinweis | |
darauf, dass staatliche Anteile einen Unterschied machen, sieht Spehr in | |
den anderen Stahlkonzernen, bei Salzgitter und Saarstahl Bei beiden hält | |
das Land Anteile – und beide stehen weiter hinter der Investition in die | |
neue Technologie. | |
29 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Bremer-Stahlwerk-wird-nicht-umgeruestet/!6091749 | |
[2] /Konversion-des-Bremer-Stahlwerks/!5711339 | |
[3] /Umstellung-auf-Wasserstofftechnologie/!5987542 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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