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# taz.de -- Gesichert Rechtsextreme mit Waffenschein: Die Entwaffnung der AfD
> In der AfD tummeln sich auch Jäger und Sportschützen. In letzter Zeit
> entzogen Gerichte ihnen schon ihre Waffen.
Bild: Stefan Hrdy, AfD-Delegierter aus Nordrhein-Westfalen, zeigt seine Zähne
Berlintaz | Es war eine stattliche Sammlung, die Stefan Hrdy sein Eigen
nannte. Knapp 200 Waffen besaß der 69-Jährige aus Neuss in
Nordrhein-Westfalen laut Justizangaben. Doch Hrdy ist nicht nur
Sportschütze und Waffensammler. Er ist auch AfD-Funktionär. Hrdy
kandidierte für den Bundestag und Landtag, war Vizekreisvorsitzender und
erlangte bundesweit Bekanntheit, weil er im Juni 2024 beim
AfD-Bundesparteitag in Essen [1][einem Gegendemonstranten ins Bein biss].
Und nun ist Hrdy Teil einer Partei, die das Bundesamt für Verfassungsschutz
als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Als Waffenliebhaber drohen ihm
da Probleme – wie vielen anderen Parteimitgliedern auch.
Denn die Ansage des Bundesinnenministeriums und der Innenministerien der
Länder war in den vergangenen Jahren klar: keine Waffen in den Händen von
Extremisten. Jetzt zählt die AfD zu diesen Extremisten, und eine
taz-Umfrage in allen Bundesländern zeigt, dass ein Entzug von Waffen für
AfD-Mitglieder jetzt wahrscheinlicher wird. Innenministerien und Behörden
beraten gerade ein gemeinsames Vorgehen. Einige Innenminister wie Thomas
Strobl (CDU) aus Baden-Württemberg werden bereits deutlich. „Wenn eine
Partei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist, ist das natürlich
von Bedeutung“, sagte Strobl der taz. „Waffen gehören nicht in die Hände
von Feinden unserer Demokratie. Daher müssen wir alle rechtlichen
Möglichkeiten voll ausschöpfen.“
Den Handlungsbedarf zeigen auch Fälle, in denen es nicht nur um den
Waffenbesitz vermeintlich harmloser Jäger*innen und Sportschütz*innen
ging, wie etwa der der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit
Malsack-Winkemann, die als Sportschützin eine Waffe besaß und als Teil der
Reichsbürger-Gruppe Reuß offenbar einen Umsturz sowie die Erstürmung des
Reichstags mit plante.
Sie ist [2][als Teil der Gruppe angeklagt]. Oder der Fall Kurt Hättasch,
ehemaliger AfD-Fraktionschef im Grimmaer Stadtrat und Mitarbeiter eines
sächsischen Landtagsabgeordneten. Er wurde im November 2024 als Teil einer
mutmaßlichen rechten Terrorzelle festgenommen: der [3][Sächsischen
Separatisten, die „ethnische Säuberungen“] geplant haben sollen. Vor seiner
Festnahme soll Hättasch eine Waffe gezogen haben, woraufhin Schüsse der
Polizei fielen. Der AfD-Mann wurde am Kiefer verletzt und musste ins
Krankenhaus.
Das juristische Ringen mit Waffen besitzenden AfD-Mitgliedern währt dabei
schon länger, auch im Fall Stefan Hrdy. Bereits im Juni 2023 hatte seine
heimische Waffenbehörde seine Waffenerlaubnisse widerrufen – mit Verweis
auf Hrdys AfD-Aktivitäten. Der frühere GSG-9-Polizist musste daraufhin
seine Waffen abgeben, andere hatte er zuvor verkauft. Gleichzeitig klagte
Hrdy gegen die Maßnahme. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies diese Klage
zunächst ab. Ende April hob das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
die Entscheidung dann auf: Allein die Mitgliedschaft in einer Partei, die
als Verdachtsfall eingestuft sei, reiche für einen Waffenentzug nicht aus.
Anders könne es aussehen, wenn eine Partei als gesichert rechtsextrem
eingestuft sei, so die Richter. Was [4][wenige Tage später bundesweit
erfolgte].
## Eine unklare Rechtslage
Doch der Fall Stefan Hrdy bleibt bisher einer von wenigen. In
Nordrhein-Westfalen gab es laut Innenministerium zuletzt gerade noch zwei
weitere AfD-Mitglieder, denen Waffen entzogen wurden. Und selbst in
Sachsen, wo die AfD bereits seit 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft
ist, gab es zwar laut Innenministerium Prüfverfahren „im mittleren
zweistelligen Bereich“ – aber bisher keinen einzigen Vollzug.
Denn die Rechtslage war auch außerhalb von NRW nicht eindeutig. Eine reine
Mitgliedschaft bei der AfD reichte bisher vielen Gerichten nicht für
Waffenentzüge aus, vor allem dort, wo die Partei nur als Verdachtsfall
eingestuft war. Die Gerichte forderten dann noch weitere Belege für eine
Unzuverlässigkeit der Betroffenen ein. Am Ende bleibt es immer eine
Einzelfallprüfung.
Den Anfang mit dem Waffenentzug bei AfD-Mitgliedern machte Thüringen, wo
die Partei 2021 auch als Erstes als gesichert rechtsextrem eingestuft
wurde. 22 Verfahren, in denen die Waffenerlaubnisse für Parteimitglieder
widerrufen werden sollten, wurden dort seitdem laut Innenministerium
durchgeführt – einige noch mit offenem Ausgang.
Aktuell besitzen in Thüringen nach Kenntnis des Ministeriums aber immer
noch 34 AfD-Mitglieder insgesamt 154 Kurz- und Langwaffen. Und das
Oberverwaltungsgericht Thüringen trat im Februar 2024 auf die Bremse. Es
sah in einem Streitfall der Thüringer AfD zwar deutliche Hinweise auf eine
verfassungswidrige Ausrichtung. Aber es brauche auch Belege für eine
„kämpferisch-aggressive Haltung“ der Partei und im Einzelfall spezifische
waffenrechtliche Verfehlungen der Waffenbesitzenden, so das Gericht.
In diesem Punkt aber fällte Ende März das Verwaltungsgericht Magdeburg eine
einschneidende Entscheidung. Dort hatten zwei AfD-Mitglieder und ein
inzwischen ausgeschlossenes Mitglied gegen ihre Waffenentzüge geklagt – und
unterlagen nun. Denn das Gericht attestierte ihrem AfD-Landesverband
ebenjene „kämpferisch-aggressive“ Haltung gegen die Verfassung. Die Partei
verletze „fortlaufend“ die Menschenwürde anderer, würdige Migranten
pauschal herab und mache die Demokratie „verächtlich“. Dass sich die
klagenden AfD-Mitglieder davon distanzierten, sei „nicht erkennbar“.
## Für Verfassungsfeinde gilt die „Regelunzuverlässigkeit“
Auch die Waffenbehörden in Sachsen-Anhalt, wo die AfD seit Ende 2023 als
gesichert rechtsextrem eingestuft ist, waren früh aktiv geworden. Gegen 21
Jäger und 51 Sportschützen mit AfD-Parteibuch liefen dort bisher
Widerrufsverfahren, so das Innenministerium. Das Landesverwaltungsamt
hatte, in Abstimmung mit dem Ministerium, bereits im Januar 2024 eine
Rundverfügung an die Waffenbehörden versandt mit konkreten Hinweisen „für
einen einheitlichen Vollzug des Waffengesetzes in Bezug auf die Einstufung
des AfD-Landesverbands als gesichert rechtsextremistisch“.
Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) nannte es eine „Pflicht“, die
AfD-Mitglieder diesbezüglich zu überprüfen. Wer extremistische Bestrebungen
verfolge, müsse sich klar darüber sein, „dass die Rechtsordnung, gegen
deren Werte er sich positioniert, es nicht dulden wird, dass er über
Schusswaffen verfügt“.
Doch auch in Sachsen-Anhalt besitzen nach Kenntnis von Zieschangs
Ministerium weiterhin 274 AfD-Mitglieder Waffenbesitzkarten, mit denen sie
über insgesamt 330 Schusswaffen verfügen. Mit der bundesweiten Einstufung
der AfD als gesichert rechtsextrem erhöht sich der Druck. Denn im
Waffenrecht gilt für Mitglieder verfassungsfeindlicher Organisationen eine
sogenannte Regelunzuverlässigkeit. Das traf etwa Mitglieder der Partei Die
Heimat, einst NPD, oder der schon länger entsprechend eingestuften
Parteijugend der AfD. Sie gelten per se als zu unzuverlässig, um Waffen zu
besitzen – es sei denn, sie können das entkräften.
Einige Bundesländer ziehen sich in der taz-Umfrage auf das Argument zurück,
dass eine Parteimitgliedschaft im Nationalen Waffenregister gar nicht
abgespeichert wird, man deshalb also schwer gegen AfD-Mitglieder vorgehen
könne. Allerdings erfolgt bei Neuanträgen oder Überprüfungen von
Waffenerlaubnissen inzwischen eine Abfrage auch an den Verfassungsschutz,
ob extremistische Aktivitäten bekannt sind. Auf diesem Weg oder über
öffentliche Auftritte von AfD-Funktionären wird ein Waffenbesitz regelmäßig
doch bekannt.
Andere Bundesländer wollen vorerst den Ausgang des Rechtsstreits zwischen
der AfD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz abwarten. Die Partei hatte
[5][umgehend Eilklage gegen ihre Hochstufung eingelegt]. Auch das
Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) wollte sich mit Verweis
darauf nicht äußern – etwa auf die Frage, ob Parteimitgliedschaften von
Waffenbesitzenden künftig erfasst werden sollen. Zudem verweist Dobrindts
Ministerium darauf, dass Waffenentzüge Entscheidungen der Waffenbehörden
und damit Ländersache seien.
## Die AfD selbst gibt sich gelassen
Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) hatte dagegen noch offensiv auf
eine Waffenrechtsreform gedrängt, war aber an der FDP gescheitert. Die neue
schwarz-rote Bundesregierung will nun das Waffenrecht vorerst nur
evaluieren und dann bis 2026 „fortentwickeln“. Einerseits soll laut
Koalitionsvertrag ein Waffenbesitz von Extremisten und psychisch Erkrankten
erschwert werden, andererseits das Waffenrecht „anwenderfreundlicher“
werden.
Baden-Württembergs Innenminister Strobl drängt in Sachen AfD-Mitglieder mit
Waffenbesitz bereits jetzt auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen. Es
dürfe hier „kein Flickenteppich“ entstehen. Und jeder Extremist, dem Waffen
abgenommen werden, sei „ein absoluter Sicherheitsgewinn“, so Strobl.
Tatsächlich gab es unlängst schon ein Treffen von Vertreter*innen der
Länder und des Bundesinnenministeriums, um den Umgang mit den
AfD-Mitgliedern zu besprechen. Eine konkrete Verabredung wurde dort noch
nicht getroffen.
Die AfD selbst gibt sich bisher gelassen und verwies kürzlich darauf, dass
die Hochstufung rechtlich ja noch gar nicht final geklärt sei. Aber das
Thema Waffenbesitz von AfD-Mitgliedern wird auch auf der
Innenministerkonferenz am 11. Juni in Bremen besprochen – ebenso die Frage
eines AfD-Verbotsverfahrens oder der Konsequenzen für AfD-Mitglieder im
Staatsdienst.
Für waffenverliebte AfD-Funktionäre wie Stefan Hrdy dürfte der Druck danach
noch mal steigen. Und ihm droht weiteres Ungemach. Nach taz-Informationen
muss er sich bald auch für seine Beißattacke beim AfD-Bundesparteitag in
Essen verantworten: Er erhielt dafür Ende März einen Strafbefehl wegen
Körperverletzung, den er verweigerte. Nun wird über den Angriff demnächst
in einem Prozess verhandelt.
Mitarbeit: Gareth Joswig
31 May 2025
## LINKS
[1] /Anti-AfD-Demo-in-Essen/!6020484
[2] /Reichsbuergerprozess-in-Frankfurt/!6089426
[3] /Rechtsextreme-Saechsische-Separatisten/!6045443
[4] /Was-steht-im-AfD-Gutachten/!6087894
[5] /Hochstufung-der-Afd-vorlaeufig-ausgesetzt/!6086868
## AUTOREN
Konrad Litschko
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