# taz.de -- Gewaltbereite AfD-Politiker: Wenn aus Worten Taten werden | |
> Pfefferspray, Tritte, Schläge – der AfD-Lokalpolitiker Sven Ebert wurde | |
> mehrfach verurteilt. Doch sein Fall zeigt, dass die Justiz die politische | |
> Dimension oft verkennt. | |
Bild: Sven Ebert ist nicht der einzige gewaltbereite Politiker in der AfD | |
Sven Ebert ist Umzugsunternehmer und sieht auch aus wie einer. Er ist eine | |
imposante Erscheinung – breit, groß und schwer. Ebert selbst bezeichnet | |
sich als „Punk“, der sich „noch mit richtigen Nazis rumgeschlagen“ habe. | |
Mittlerweile steht er politisch jedoch auf einer ganz anderen Seite. Der | |
55-Jährige ist einer von vielen AfD-Politikern, [1][die wegen | |
Gewaltdelikten verurteilt wurden]. Er sitzt für die AfD im Gemeinderat | |
Schkopau in Sachsen-Anhalt und hielt Reden gemeinsam [2][mit Neonazis wie | |
Sven Liebich]. Er hat Veranstaltungen des extrem rechten Instituts für | |
Staatspolitik besucht und der [3][Identitären Bewegung Geld gespendet]. | |
Mehrfach hat der AfD-Politiker Menschen mit Pfefferspray attackiert. | |
Zweimal wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Bei | |
beiden Fällen gibt es klare Hinweise auf eine politisches Motiv. | |
Der Fall Ebert zeigt zum einen, wie sich AfD-Ideologie häufig bei | |
männlichen Politikern der Partei in tatsächliche physische Gewalt übersetzt | |
– und zum anderen, wie die Behörden bei der Verfolgung von rechter Gewalt | |
eher nachsichtig sind. Die extrem rechte Partei treibt mit ihrer | |
rassistischen Agenda nicht nur die Zahlen rechter Gewalt [4][auf | |
Rekordhöchststände], ihre Mitglieder und Funktionäre werden auch häufig | |
selbst zum Täter. | |
Sven Ebert mangelt es nicht an Sendungsbewusstsein: Zu Sitzungen des | |
Gemeinderats erschien er schon mit Trinkhorn, verglich dort Coronamaßnahmen | |
mit Deportationen der Juden in der NS-Zeit, beschimpfte politische Gegner | |
als „Nazis“ oder „Faschostalinisten“. Ende 2023 nannte er eine | |
Holocaustüberlebende gar „ukrainische Tingeltangeltänzerin“. | |
## Verurteilt wegen gefährlicher Körperverletzung | |
Ebert wurde in mehreren Instanzen für einen gewaltsamen Angriff im Mai 2021 | |
verurteilt. Er besprühte zwei Frauen mit Pfefferspray, versetzte einer von | |
ihnen einen Tritt in den Bauch und schlug ihr ins Gesicht, [5][wie die | |
Mitteldeutsche Zeitung vom Prozess berichtete]. Die Frauen hatten zuvor auf | |
einem Parkplatz AfD-Wahlplakate mit Farbe übersprüht. | |
Das Amtsgericht Merseburg verurteilte Ebert wegen gefährlicher | |
Körperverletzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die | |
Berufungsverhandlung vor dem [6][Landgericht Halle bestätigte das Urteil]. | |
Ebert stritt zwar alles ab, letztlich überzeugten das Landgericht aber | |
Handyaufnahmen der Betroffenen, auf denen ein Fußtritt zu erahnen war, | |
sowie Drohungen Eberts und Hinweise auf seine Nutzung von Pfefferspray. | |
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, Ebert hat Revision eingelegt. | |
In dem zweiten Verfahren, das sich sogar schon seit 2019 hinzieht, kommt | |
Ebert nun glimpflich davon. Zwar wurde er auch hier erstinstanzlich zu | |
einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Aber der | |
AfD-Lokalpolitiker ging dagegen in Berufung – und die lief aus seiner Sicht | |
erfolgreich: Das Landgericht und die Staatsanwaltschaft Halle bestätigten | |
der taz, dass das Verfahren gegen Ebert wegen eines weiteren mutmaßlichen | |
Angriffs mit Pfefferspray gegen die Zahlung einer Geldauflage inzwischen | |
eingestellt wurde. Eine Einstellung gegen Geldauflage bedeutet, dass offen | |
bleibt, ob Ebert schuldig ist oder nicht. Er hat die Geldauflage von 2.000 | |
Euro gezahlt. Ebert kommt in diesem Fall also ohne Vorstrafe, | |
Freiheitsstrafe oder Bewährungsauflage davon. | |
## „Mir geht der Glaube an den Rechtsstaat verloren“ | |
Der Vorfall liegt mittlerweile fünf Jahre zurück. Die taz hat mit dem | |
Betroffenen Nikolas Schulz gesprochen, der eigentlich anders heißt. Der | |
heute 34-Jährige kannte den AfD-Politiker bereits aus der Uni-Mensa, wo | |
Ebert mit einem Shirt der rechtsextremen Identitären Bewegung provoziert | |
habe. Daraufhin kam es zu einer Szene und zu gegenseitigen Anzeigen wegen | |
Beleidigungen. | |
Ein paar Wochen später habe Schulz Ebert zusammen mit einem Kommilitonen | |
auf der Straße beim Falschparken gesehen und diesen auf seinen Parkverstoß | |
hingewiesen – daraufhin sei Ebert ausgerastet, habe die beiden Studenten | |
zunächst als „Nazis“ und „Stalinisten“ beschimpft. Schließlich habe e… | |
Pfefferspray hervorgeholt und die beiden Studenten damit angegriffen. Er | |
und sein Kommilitone hätten sich anschließend im Krankenhaus behandeln | |
lassen müssen. | |
Auch über fünf Jahre später spürt man noch, dass Schulz der Angriff nahe | |
geht. „Ebert hat uns am helllichten Tag mit Pfefferspray angegriffen, und | |
es passiert einfach nichts“, sagt er. Er fühle sich ohnmächtig. Gerade weil | |
das Verfahren schon so lange laufe, verfolge ihn die Sache bis heute: | |
„Dieser Angriff schränkt mein Sicherheitsgefühl extrem ein – mir geht der | |
Glaube an den Rechtsstaat verloren. Wenn einem Gewalt auf offener Straße | |
zugefügt wird, dachte ich immer, der Staat kümmert sich“, sagt Schulz. | |
Er gehe nun mit dem Gefühl aus dieser Sache, dass Menschen wie Ebert | |
aggressiv auftreten können, ihnen aber nichts passiere – „ich glaube nicht, | |
dass das für das Vertrauen in die Demokratie hilfreich ist“, sagt Schulz. | |
Gerade mit Blick auf politisch motivierte Straftaten sei das fatal, findet | |
er. Zumal die Geldauflage für Ebert als erfolgreichen Unternehmer „Peanuts“ | |
seien. Besonders schwer verständlich sei dies aber, weil es bereits einen | |
Termin für die Berufungsverhandlung gegeben hätte. Der sei aber wieder | |
abgesagt worden, weil Ebert im Ausland gewesen sei. „So scheint es also | |
möglich zu sein, der Strafverfolgung zu entgehen.“ | |
## Ebert meldet sich aus Paraguay | |
Der Vizepräsident und Sprecher des Landgerichts Halle, Wolfgang Ehm, | |
erklärt die Einstellung damit, dass der Fall juristisch nicht eindeutig | |
sei. Absagen von bereits terminierten Prozessen kämen häufiger vor. Aber | |
zur Einstellung durch die zuständige Richterin hätten mehrere andere Gründe | |
geführt: Die Tat liege lange zurück, und die Beweislage sei nicht | |
eindeutig. Der politische Hintergrund und damit ein gesteigertes | |
öffentliches Interesse lägen nicht vordergründig auf der Hand – „auch we… | |
politische Gründe eine Rolle gespielt haben mögen“. | |
Außerdem sei der Angeklagte Sven Ebert zwischenzeitlich wegen des späteren | |
Angriffs auf die beiden Frauen bereits zu sechs Monaten Freiheitsstrafe | |
verurteilt worden. Im Zuge dessen wäre beim Angriff auf die Studenten eine | |
Gesamtstrafe zu bilden gewesen. Im Ergebnis wären die sechs Monate wohl nur | |
„maßvoll“ um ein bis zwei Monate erhöht worden, wie Wolfgang Ehm schätzt: | |
„Die Gesamtheit dieser Gesichtspunkte haben die Kammer dazu bewogen, auch | |
unter Berücksichtigung der Interessenlage der Geschädigten und Nebenkläger | |
eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen in Erwägung zu ziehen.“ | |
Die taz fragte auch den AfD-Politiker Ebert per Mail an. Der meldete sich | |
schließlich telefonisch zurück – aus Paraguay, wo er nach eigener Auskunft | |
den Großteil des Jahres verbringt – im „politischen Exil“, wie er es nen… | |
Sein Blutdruck liege hier bei 130 statt bei 170 in Deutschland, wo er sich | |
über vieles aufrege. Er habe dort eine Niederlassung gegründet, sein | |
Umzugsunternehmen in Deutschland laufe weiter über Prokuristen. | |
Am Telefon redet Ebert wie ein Wasserfall, schweift immer wieder ab und | |
schimpft über die Politik in Deutschland, politische Gegner oder erzählt | |
Anekdoten über Schlägereien aus seiner „Punk-Zeit“. Gleich zur Begrüßung | |
sagt er, dass er mal bei Bündnis 90 war, aber mittlerweile die Grünen für | |
die gleichen Leute wie diejenigen halte, „die 1933 Hitler hinterhergerannt | |
sind und sich nun gegen Corona impfen lassen“. Kurz darauf lobt Ebert die | |
„zwischenmenschlichen Qualitäten“ seines „dicken Freundes“ Björn Höc… | |
nur um danach zu betonen, dass das Wort „N****“ für ihn eine ganz korrekte | |
Bezeichnung für Schwarze sei. | |
## „Ihr Dummbeutel, ihr faschostalinistischen Triebtäter!“ | |
Ebert habe die Geldauflage mittlerweile bezahlt, das Verfahren ist damit | |
eingestellt. Zufrieden sei er dennoch nicht, wie er der taz sagt. Er sieht | |
sich als das eigentliche Opfer. Als er auf die Tat zu sprechen kommt, regt | |
er sich schnell wieder auf, beschimpft die Betroffenen als „Nazis“, | |
„Stalinisten“ oder als „kriminelle Nazi-Fascho-Stalinisten“ und räumt … | |
ein, dass er eben das sowohl bei der ersten Begegnung in der Mensa als auch | |
bei der zweiten Begegnung getan habe. Allerdings sei er in der Mensa zuerst | |
angepöbelt worden, beharrt er, daraufhin sei die Situation eskaliert. Dass | |
er ein T-Shirt der Identitären Bewegung getragen habe, gibt er zu – das | |
habe ihm Identitären-Chef Martin Sellner persönlich geschenkt, sagt Ebert. | |
Bei der zweiten Begegnung sei er von den beiden Männern angegriffen worden, | |
behauptet er. Die hätten gegen seine Scheibe geklopft, während er in seinem | |
VW-Bus gesessen habe: „Ich habe für meine Begriffe witzig reagiert und | |
gesagt: ‚Ich ahne, dass es schwierig ist, als junges, pubertierendes | |
Mädchen im Körper eines jungen, pubertierenden Mannes heranzuwachsen. | |
Einfach ist das nicht, ne?‘ “ Die Studenten hätten ihn regelmäßig gestal… | |
behauptet er, was diese jedoch abstreiten. | |
Den Fortgang dieser Situation schildert Ebert dann mit einem Satz, der tief | |
blicken lässt: „Dann dachte ich: Was mache ich jetzt? Setzt du dich jetzt | |
so zur Wehr, dass die beiden zum Schluss mit zwei zerstörten Kehlköpfen | |
zuckend am Boden liegen, und schaust zu, wie sie kälter werden? Oder nutzt | |
du defensiv dein CS-Spray, um sie auf Distanz zu halten?“ | |
Schließlich aber habe er sich „im letzten Moment“ entschieden, sich mit | |
Pfefferspray zu verteidigen, als die beiden mit einem metallenen Gegenstand | |
auf ihn zugekommen seien. Die beiden hätten angegriffen, obwohl er „Stopp“ | |
gesagt und gewarnt hätte. „Ich gab dem einen die volle Ladung ins Gesicht – | |
nicht mal Kehlkopfschlag, kein Nasenbein gebrochen, kein Kieferbruch – nur | |
das Spray.“ Der andere habe noch mit seinem Roller nach ihm schlagen | |
wollen, behauptet Ebert – und habe dann auch noch was abbekommen. Er habe | |
dann noch so etwas gerufen wie: „Ihr habt in meinen Kreisen nichts zu | |
suchen, ihr Dummbeutel, ihr faschostalinistischen Triebtäter!“ | |
## Ebert ist kein Einzelfall | |
Am Ende des Gesprächs sagt Ebert, dass er nichts falsch gemacht habe. Auf | |
die Frage, warum er in erster Instanz für den Angriff verurteilt wurde, | |
wenn es nur Notwehr war, antwortet er: „Weil wir keinen Rechtsstaat mehr | |
haben.“ Der Richter sei ein „Antifa-Richter“ gewesen, ein „Inbegriff von | |
Schlichtheit mit Lappen im Gesicht“, obwohl man gar keine Maske mehr hätte | |
tragen müssen. | |
Die Staatsanwaltschaft nannte für die Einstellung des Verfahrens mehrere | |
Gründe – unter anderem verwies sie auch darauf, dass die Kriterien für die | |
Einstellung insbesondere die „Ausräumung der Wiederholungsgefahr“ seien, | |
ebenso „die Person des Täters“, sein „straffreies Vorleben“ und „sei… | |
Wiedergutmachungsbemühungen“. Die Strafverfolgungsbehörde hält Ebert | |
zugute, dass er nach der Verurteilung wegen des Pfeffersprayangriffs auf | |
die zwei Frauen nicht erneut straffällig geworden sei. Die Durchführung | |
eines Berufungsverfahrens sei gemessen an der erwarteten geringen Strafe | |
„wenig verfahrensökonomisch.“ | |
Sven Ebert ist kein Einzelfall. Die taz hat zusammen mit den | |
Beratungsstellen von Betroffenen von extrem rechter Gewalt allein aus dem | |
letzten Jahr viele vergleichbare Fälle recherchiert. Sie zeigen die | |
strukturelle Dimension gewalttätiger AfD-Politiker. | |
In weiteren Fällen auch aus den Jahren zuvor zeigt sich darüber hinaus: Die | |
Täter kommen häufig davon. Die politische Dimension und dadurch auch das | |
öffentliche Interesse wird von der Justiz häufig nicht ernst genug genommen | |
– und so kommt es, dass wie im Fall Ebert Verfahren erst verschleppt, dann | |
eingestellt werden. | |
Das Opfer Schulz sagt dazu: „Ich bin mehr als frustriert und kann es | |
einfach nicht glauben. Ich halte das für Justizversagen.“ Er halte Ebert | |
weiter für einen gefährlichen Mann – „nach fünf Jahren des Wartens und d… | |
Ungewissheit ist die Einstellung einfach nur zermürbend“. | |
2 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/steuerhinterziehung-korperverletzu… | |
[2] https://x.com/valentinhacken_/status/1261633124938678272 | |
[3] https://www.mobile-opferberatung.de/nach-rechtem-pfefferspray-angriff-afd-p… | |
[4] /Rechtsextreme-Gewalt/!6077300 | |
[5] https://www.mz.de/lokal/merseburg/afd-politiker-sven-ebert-freiheitsstrafe-… | |
[6] https://www.mz.de/lokal/merseburg/afd-politiker-sven-ebert-landgericht-hall… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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