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# taz.de -- Prügelei beim AfD-Treffen in Gießen: „Die haben den Konflikt ge…
> Bei den Protesten gegen die AfD-Jugend wurde ein AfD-Abgeordneter
> verletzt. Fünf Zeugen sagen der taz, die Aggression sei von AfDlern
> ausgegangen.
Bild: AfD-Bundestagsabgeordneter Julian Schmidt posiert mit Verletzung: Ging di…
Es war eine kurze Szene, die innerhalb der extrem rechten AfD seit Wochen
dafür genutzt wird, sich wieder einmal als Opfer darzustellen: Der
Bundestagsabgeordnete Julian Schmidt und mindestens ein weiterer
Parteifreund prügelten sich auf dem Weg zur [1][Gründungsversammlung der
AfD-Jugend] mit Gegendemonstrant*innen.
Das zeigte ein kurzer Videoclip, der noch während des Parteitags im
hessischen Gießen viral ging. Die AfDler teilten dabei aus, aber steckten
wohl auch einen oder zwei Schläge ein: Der 36-jährige Bundestagsabgeordnete
Schmidt, ehemaliger Zeitsoldat mit vier Auslandseinsätzen, posierte im
Anschluss mit lädierter Nase und einem blauen Auge. Was vor dem kurzen
Videoclip geschah: unklar. Bislang zumindest.
Die taz hat nun mit fünf Menschen gesprochen, die das Geschehen aus
nächster Nähe erlebt haben. Sie waren aus Nordrhein-Westfalen angereist, um
sich an den [2][Protesten gegen die Gründungsveranstaltung] der neuen
AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ zu beteiligen. Was sie
erzählen, steht in maximalem Widerspruch zu der von der AfD verbreiteten
Märtyrer-Erzählung, dass Schmidt von aggressiven Antifa-Aktivisten ohne
Vorwarnung angegriffen und „verprügelt“ worden sei.
Durch Rufe „Da sind Nazis!“ seien sie auf Schmidt und seine drei Begleiter
aufmerksam geworden, berichten die Augenzeug*innen. Die AfDler seien am
noch recht frühen Morgen überraschend am Rand der einzigen zugelassenen
Gegenkundgebung auf der Westseite der Lahn aufgetaucht – und hätten sich
alles andere als unauffällig verhalten. „Sie wollten gesehen werden und
provozieren“, so drückt es [3][einer der Gegendemonstrant*innen aus].
Und auch die Gewalt sei von ihnen ausgegangen.
## AfD-Mann soll Frau zuerst Knie in Bauch gerammt haben
Zwei Frauen, die sich den AfDlern zuerst in den Weg gestellt hätten, seien
von diesen umstandslos attackiert worden. Ein Begleiter Schmidts habe einer
Frau in gelber Warnweste, die mit ihrem Fahrrad unterwegs gewesen sei, sein
Knie in den Bauch gerammt. Und als sie daraufhin nach vorne eingeknickt
sei, habe er mit dem Ellenbogen auf ihren Kopf geschlagen. Die andere Frau
sei von Schmidt selbst geschubst worden.
Eine Augenzeugin gewann den Eindruck: „Die haben den Konflikt gesucht,
obwohl wir viel mehr waren.“ Vielleicht, um Videobilder zu produzieren, die
sich anschließend propagandistisch ausschlachten lassen. Was ja auch
geschah: Das Video, das wohl einer der AfDler drehte, wurde von der
rechtsradikalen Wochenzeitung Junge Freiheit postwendend veröffentlicht und
soll [4][seither die Opfererzählung] stützen.
Das Video setzt genau in dem Moment ein, als die von den
Beobachter*innen geschilderten Attacken auf die beiden Frauen vorbei
waren und sich weitere Menschen einmischten. Zu sehen ist darauf ein
Handgemenge, an dem sich jedoch bloß wenige Gegendemonstrant*innen
beteiligen. Die meisten stehen drumherum, in durchaus aggressiver Pose
allerdings. Zweimal fliegt eine Faust in Richtung des Gesichts von Julian
Schmidt. Zu Boden geht der Bundestagsabgeordnete aber nicht deshalb,
sondern weil er, weit ausholend, selbst zuschlagen will, sein Ziel verfehlt
und daraufhin das Gleichgewicht verliert.
Und auch der Mann, der zu Beginn die Radfahrerin angegriffen haben soll,
schlägt noch einmal zu: Mit Anlauf verpasst er einem Demonstranten, dem der
gestürzte Schmidt vor die Füße gefallen ist, einen rechten Schwinger gegen
den Kopf. Dass der so Attackierte dafür irgendeinen Grund geliefert hat,
ist nicht zu erkennen. Möglicherweise war der mutmaßliche Schläger schon
mit Wut im Bauch nach Gießen gefahren: Wenige Tage vor dem
Gründungskongress der „Generation Deutschland“ waren an seinem Studienort
Marburg Flugblätter aufgetaucht, auf denen er als „Faschist“ geoutet wurde.
## AfD-Abgeordneter scherzt über seine Boxtechnik
Die fünf Augenzeug*innen haben sich nicht bei der Polizei gemeldet,
weil sie nicht wollen, dass ihre Namen und Adressen in den Ermittlungsakten
landen – und damit irgendwann bei den beschuldigten AfD-Leuten.
[5][„Rechtsradikale“, sagt einer von ihnen, „sind gefährlich“.] Sie ho…
aber, dass jetzt weitere Beobachter*innen oder Beteiligte des
Geschehens ihrem Beispiel folgen und den Weg in die Öffentlichkeit suchen.
Direkt nach dem Vorfall hatte der AfD-Bundestagsabgeordnete die Prügelei
instrumentalisiert. Er habe einen „unglücklichen Zusammenstoß mit unseren
Freunden von links“ gehabt, sagte Schmidt danach in einem Video, das er aus
einem Auto wohl auf dem Rückweg postete. Er bedankte sich für
Genesungswünsche und sei mit dem „sprichwörtlichen blauen Auge“ und einer
gebrochenen Nase davon gekommen, sagte Schmidt da.
Ihm gehe es aber soweit ganz gut, er sei ja nicht aus Zucker – „aber an der
Boxtechnik muss ich vielleicht doch noch ein bisschen arbeiten, das war
durchaus ausbaufähig“, witzelte er. Er äußerte sich auch dazu, dass er und
sein Begleiter danach von der Polizei festgehalten wurden. Das erklärte er
damit, dass die Situation für die Polizei unübersichtlich gewesen sei. Sie
habe nicht erkennen können, dass er Bundestagsabgeordneter sei. Da hat er
wohl recht – dass Abgeordnete sich prügeln, kommt in der Regel selten vor.
Aber auch in Richtung der linken Gegendemonstrant*innen machte
Schmidt danach eine Ansage. Er lasse sich nicht einschüchtern, sagte er:
„Wir kämpfen weiter, weil wir ganz einfach im Recht sind“ – für „unse…
Kinder, unsere Zukunft und Deutschland“. Direkt danach blendet er in seinem
Video noch einmal den brutalen Schwinger seines Begleiters gegen den Kopf
eines Gegendemonstranten ein, Ende des Statements. Auch eine Ansage.
## „Auf in den Kampf“-Post
Auf Anfrage der taz zu den neuen Aussagen der Zeug*innen wies Schmidt die
Darstellung zurück, dass die Aggressionen zuerst von seiner Gruppe
ausgegangen sei. Er stellt es so dar: Die erste als Angriff zu wertende
Aktion habe in seinem Rücken stattgefunden, als ein Demonstrant versucht
habe, einem seiner Begleiter ein Notebook zu klauen.
Daraufhin sei es zu einer Rangelei gekommen. Von einem Angriff seinerseits
könne keine Rede sein, so Schmidt. Auch sei seine Gruppe nicht provokativ
und konfrontativ aufgetreten. Sein Begleiter, der auf dem Video so heftig
zuschlägt und auch für die Kommunalwahlen 2026 als AfD-Kandidat in
Marburg-Biedenkopf antritt, äußerte sich auf taz-Anfrage bislang nicht.
Schmidt bestätigte allerdings, dass er in der Nacht vor dem
Gründungsparteitag in Gießen ein Foto bei Instagram postete mit der
Aufschrift „Auf in den Kampf“. Ebenso gab er zu, dass er das Bild nach der
Auseinandersetzung wieder gelöscht habe.
Auf taz-Anfrage behauptete er: Das „Auf in den Kampf“ sei
selbstverständlich keine Ankündigung gewesen „im Sinne eines Kampfes, wie
er dann stattfand, sondern bezog sich lediglich auf den ‚Kampf‘, die
Versammlungsstätte trotz Blockaden irgendwie zu erreichen.“ Unter dem
Eindruck der Vorkommnisse habe er es für angebracht gehalten, das Bild zu
löschen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. „In der Rückschau wäre es in
diesem Sinne jedoch wahrscheinlich sinnvoller gewesen, das Bild nicht zu
löschen.“
Die Polizei wollte zum Ermittlungsstand und Tatablauf auf taz-Anfrage keine
weiteren Angaben machen. Die eingesetzten Beamt*innen seien in einer
„äußerst dynamischen Lage“ eingetroffen, bei der es zuvor „offensichtli…
zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen“ sei.
Um weitere Eskalationen zu verhindern, seien die vor Ort angetroffenen
Personen zunächst getrennt und kontrolliert worden. Die Polizei habe
Identitäten von verschiedenen Personen festgestellt, weitere Details
müssten die Ermittlungen zeigen. Über anderes Bildmaterial als die im
Internet veröffentlichten Videos verfüge die Polizei nicht.
22 Dec 2025
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## AUTOREN
Joachim F. Tornau
Gareth Joswig
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