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# taz.de -- Nationale Ozeankonferenz in Berlin: Ab jetzt ohne Meeresbeauftragten
> Der erste Ozeangipfel des Bundes fällt mit dem Regierungswechsel
> zusammen. Wo entschlossenes Handeln gefragt ist, wird ein wichtiger
> Posten gecancelt.
Bild: Vom Tiefseebergbau gefährdete Idylle: ein paar Gewächse wanken im Wasse…
Berlin taz | Das Timing war knapp: Der neue Umweltminister, Carsten
Schneider, schaffte es gerade so noch zum Abschluss des Meeresgipfels,
nachdem er am Vortag erst vereidigt worden war. An beiden Tagen hätte der
fachfremde SPD-Politiker viel lernen können über Konflikte der Wirtschaft
mit dem Umwelt- und Klimaschutz, die er in seinem Haus nun zu verantworten
hat. Im Meer sind das zum Beispiel der Ausbau erneuerbarer Energien und der
ungebremste Hunger auf Rohstoffe und Fisch.
Bei der ersten Nationalen Meereskonferenz, organisiert vom
Bundesumweltministerium, kamen am Dienstag und Mittwoch in Berlin rund 400
Expert*innen von Politik, Verwaltung, Forschung und Verbänden zusammen,
um über die Zukunft der Meere zu diskutieren. Der Gipfel diente auch der
Vorbereitung des Weltozeangipfels, der im Juni in Nizza beginnt.
„Die Meere sind der Ursprung allen Lebens und Lebensgrundlage für uns
Menschen heute“, betonte Umweltministerin [1][Steffi Lemke (Grüne) in der
Eröffnungsrede am Dienstag, ihrer letzten Amtshandlung als Ministerin],
bevor sie die Geschäfte an Schneider übergab. Die Ozeane seien Lebensraum
vieler Arten und trügen zum Klimaschutz bei, so Lemke. Zugleich sicherten
sie Milliarden Menschen Nahrung, Einkommen und Erholung: „Die Meere müssen
geschützt werden.“
In ihrer Rede hob Lemke einige Fortschritte hervor: Die
„Jahrhundertaufgabe“ der Munitionsbergung in Nord- und Ostsee sei endlich
angegangen worden, auch sei es gelungen, einen Meeresnaturschutzfonds
einzurichten, mit dem zusätzliche Projekte im Meeresschutz dauerhaft
finanziert werden.
## „Reine Symbolpolitik“
Ein besonderer Moment sei für sie die [2][historische Einigung der
Staatengemeinschaft auf das UN-Hochseeschutzabkommen gewesen.] „Die
künftige Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihr
gelingt, an diese Erfolge anzuknüpfen und den Meeresschutz fest in der
Bundespolitik zu verankern“, richtete Lemke an ihren Nachfolger.
Die erste Kabinettssitzung spricht nicht dafür: Kaum im Amt, hat die neue
Bundesregierung am Mittwoch die Abschaffung mehrerer Posten von
Beauftragten beschlossen. Darunter auch der des Meeresbeauftragten.
Ein Unding, findet die Ex-Umweltministerin. [3][Die Streichung durch Union
und SPD sei „reine Symbolpolitik“], da der Beauftragte diese Aufgabe
„zusätzlich zu seiner normalen Tätigkeit als Unterabteilungsleiter“
wahrnehme und keine Mehrkosten für die Bundesregierung generiere. Unter
Lemke wurde das Amt im Umweltministerium erstmals geschaffen.
Der Appell des bis dato Meeresbeauftragten Sebastian Unger auf der
Konferenz, „nur mit einer engen Zusammenarbeit aller betroffenen Sektoren
können wir unsere Meere wirksam schützen“, verklingt vor diesem Hintergrund
wie Wellenrauschen.
## WWF fordert Meeresstrategie und maritime Raumordnung
Umweltverbände halten das Treffen dennoch für wichtig. „Die Meereskonferenz
kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, freut sich Heike Vesper, Vorständin
für Politik und Transformation beim WWF, „um der neuen Regierung vollen
Rückenwind zu geben und sie bei der Übernahme von Verantwortung zu
unterstützen.“
Deutschlands Weg im Meeresschutz müsse national und international
fortgesetzt werden, um zur Erfolgsbilanz der neuen Regierung beizutragen“,
sagt Heike Vesper. „Ein Blick in den neuen Koalitionsvertrag zeigt jedoch,
[4][dass sich die Bundesregierung kaum mehr für die Wiederherstellung
gesunder Meere einsetzen will]“, kritisiert sie.
Der WWF fordert eine Meeresstrategie und eine maritime Raumordnung, um den
wachsenden Flächenbedarf für Windkraftanlagen und maritime Wirtschaft in
Einklang zu bringen. Zudem brauche es effektive Schutzzonen frei von jeder
Nutzung, bekräftigt Vesper in einer Podiumsdiskussion. Mindestens die
Hälfte der Gebiete sollte ohne menschliche Eingriffe auskommen.
## Hochseeabkommen nicht ratifiziert
Baustellen für den neuen Minister Carsten Schneider gibt es auch global
genügend. Bereits im Jahr 2023 hat Deutschland das UN-Hochseeabkommen
unterzeichnet, das große Seegebiete in internationalen Gewässern unter
Schutz stellt. Diesen Vertrag wollte die Bundesregierung vor der
Meereskonferenz in Nizza ratifizieren lassen, auch um der internationalen
Gemeinschaft zu signalisieren, dass Deutschland zu seinen multilateralen
Vereinbarungen steht. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen ist das bislang
nicht passiert.
Unklar ist auch, wie es mit dem Tiefseebergbau weitergeht. Eine
vorsorgliche Pause, für die sich Deutschland einsetzen will, schaffte es
nur auf Druck der SPD überhaupt in den Koalitionsvertrag. [5][In den USA
hat Präsident Trump angekündigt, den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee
künftig zu erlauben.]
„Deutschland ist ein wichtiger Player im Meeresschutz“, mahnte der
UN-Sondergesandte für die Ozeane, Peter Thomson in Berlin. Es habe
internationale Verhandlungen wie das Hochseeschutzabkommen und die
Gespräche eines Abkommens gegen Plastikvermüllung entscheidend
vorangetrieben.
„Gerade in Zeiten, in denen multilaterale Zusammenarbeit unter Druck gerät,
ist das wichtiger denn je. Ich setze darauf, dass sich die neue deutsche
Bundesregierung weiter ambitioniert auf internationaler Bühne für wirksamen
Meeresschutz einsetzt“, so Thomson.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es
entsprechend ursprünglicher Ankündigungen aus dem Bundesumweltministerium,
Carsten Schneider habe den Nationalen Ozeangipfel nicht besucht. Er
schaffte es zu dessen Ende aber doch noch.
8 May 2025
## LINKS
[1] /Scheidende-gruene-Umweltministerin/!6078941
[2] /UN-Konferenz-zur-Hochsee/!5914503
[3] /Der-Koalitionsvertrag-und-die-Ozeane/!6081767
[4] /Der-Koalitionsvertrag-und-die-Ozeane/!6081767
[5] /Seerechtsexpertin-ueber-Konzernplaene/!6080447
## AUTOREN
Maximilian Arnhold
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