# taz.de -- Der Koalitionsvertrag und die Ozeane: Da sollte Meer drin sein | |
> Union und SPD müssten beim Meeresschutz Ernst machen, doch wollen sie | |
> Fischerei und Erdgas fördern. Umweltverbände fordern eine | |
> Schutzoffensive. | |
Bild: Unterwegs in der Ostsee: Das Forschungsschiff „Clupea“ erforscht Sch�… | |
Berlin taz | Die Ozeane sind die wichtigsten Klimaschützer der Erde: Sie | |
schlucken gewaltige Mengen CO₂, regulieren Temperaturen und stabilisieren | |
das Wetter. Doch [1][im Koalitionsvertrag von Union und SPD] tauchen sie | |
kaum auf. Sieben Sätze widmet die wohl nächste Bundesregierung dem | |
Meeresschutz – inklusive des Versprechens, „ein besonderes Augenmerk auf | |
den Kampf gegen die Verschmutzung, den Erhalt der Biodiversität und die | |
Beseitigung von Munitionsaltlasten“ zu legen. | |
Die Zeit drängt. Nord- und Ostsee leiden Forschenden zufolge bereits stark | |
unter den Folgen von Erderhitzung und Umwelteingriffen. Ausgerechnet die | |
Klimaschutz-Pläne der künftigen Koalitionäre dürften den Druck auf die | |
Ökosysteme noch erhöhen: Der Ausbau der Offshore-Windenergie soll | |
fortgesetzt, CO₂ im Meeresboden gespeichert werden. | |
Gleichzeitig müssen laut EU-Renaturierungsgesetz bis 2030 zehn Prozent der | |
europäischen Meeresflächen streng geschützt werden – auch in Deutschland. | |
Das bedeutet: Klima- und Naturschutz im Meer müssten besser verzahnt | |
werden. | |
„Der Schutz der Ostsee als vom Klimawandel besonders betroffenem Binnenmeer | |
hat für uns Priorität“, erklärt der Koalitionsvertrag. Ein Vorhaben: In | |
Ostdeutschland soll ein „Kompetenzzentrum“ für die Bergung von | |
Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee entstehen. Das von der | |
Vorgängerregierung initiierte Bergeprogramm soll weiterlaufen. | |
Noch-Umweltministerin betont Erfolge | |
Kontinuität gibt es auch beim Geld: Durch Versteigerungen von Gebieten für | |
Offshore-Windparks flossen bereits 400 Millionen Euro in einen | |
Meeresschutzfonds für Projekte in Nord- und Ostsee. Laut Koalitionsvertrag | |
soll dieser Fonds bestehen bleiben. | |
Eine Absage an neue Öl- und Gasförderung in der Nordsee fehlt jedoch. Das | |
Umweltministerium stellt auf taz-Anfrage klar: Vorhaben wie das geplante | |
Gasfeld vor Borkum seien „weder mit den Klimazielen noch mit dem Schutz des | |
Weltnaturerbes Wattenmeer“ vereinbar. Trotzdem startete [2][Ende März dort | |
ein Testbetrieb.] | |
Steffi Lemke, geschäftsführende Umweltministerin (Grüne), war Gegnerin des | |
Projekts, setzte sich aber in der Ampelkoalition nicht gegen SPD und FDP | |
durch. Dennoch zieht sie eine positive Bilanz: „Die Meeresoffensive der | |
alten Regierung hat den Schutz der Ökosysteme verbessert“, sagte sie der | |
taz. | |
Diese habe eine dauerhafte Finanzierung des Fonds sichergestellt, der nun | |
von Union und SPD fortgeführt wird. Im Aktionsprogramm Natürlicher | |
Klimaschutz stehen laut Umweltministerium zusätzlich 112,3 Millionen Euro | |
für den Meeresschutz bereit. | |
Grundschleppnetze bleiben erlaubt | |
Manch Umweltschützender hält das für widersprüchlich. „Deutschland | |
investiert Millionen in die Renaturierung von Seegraswiesen oder | |
Algenwäldern, erlaubt aber weiterhin die Grundschleppnetzfischerei, die | |
genau diese empfindlichen Ökosysteme wie den Nationalpark Wattenmeer | |
zerstört“, kritisiert Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung | |
Meeresschutz (DSM). | |
Grüne Minister*innen hätten sich mit „Händen und Füßen“ gegen den | |
EU-Beschluss gewehrt, die Fangmethode in Meeresschutzzonen bis 2030 | |
einzustellen. | |
Zwar schuf Lemke mit der Amrumbank eine erste „Nullnutzungszone“ in der | |
Nordsee. Vor Borkum und Sylt gelten zudem neue Fischereibeschränkungen. | |
Doch laut einem [3][Bündnis aus 13 Umwelt- und Meeres-NGOs], darunter die | |
DSM, müsste mindestens die Hälfte aller bestehenden Schutzgebiete | |
vollständig nutzungsfrei werden. | |
Im Koalitionsvertrag fehlt eine solche Regelung ganz. Dort heißt es: „Wir | |
stehen zur Fischerei und stärken deren Entwicklung“ – und zwar entsprechend | |
der Empfehlungen zweier Expert*innen-Kommissionen. | |
Eine davon, die „[4][Zukunftskommission Fischerei]“, hat am Dienstag ihren | |
[5][Abschlussbericht] vorgelegt. Ein Ende der Schleppnetzfischerei in | |
Schutzzonen taucht darin nicht auf. Stattdessen empfiehlt sie | |
„umweltschonendere Fangmethoden“ und finanzielle Anreize. Die ältere | |
„[6][Leitbildkommission Ostseefischerei]“ erwähnt immerhin das EU-Vorhaben, | |
das ein Auslaufen der umstrittenen Fangmethode bis 2030 vorsieht. | |
Offene Baustelle in der Hochsee | |
Auf internationaler Ebene bleibt die Koalition vage. Sie verspricht, sich | |
weiterhin für eine vorsorgliche Pause im Tiefseebergbau einzusetzen. Keine | |
Aussage gibt es zum UN-Hochseeschutzabkommen, das große Meeresgebiete unter | |
Schutz stellen soll. | |
Diesen Vertrag hat Deutschland bereits im Jahr 2023 unterzeichnet, aber | |
noch nicht ratifiziert. Das Umweltministerium begründet die Verzögerungen | |
mit den Neuwahlen und gibt vor, den Prozess zügig wieder aufnehmen zu | |
wollen. Zudem kündigte es eine ressortübergreifende Meeresstrategie an. Ob | |
die neue Regierung an den grünen Kurs anknüpft, ist offen. | |
Der WWF mahnt zur Eile. Anna Holl-Buhl, Meeresexpertin der Organisation, | |
fordert: „Die neue Bundesregierung muss schnellstmöglich eine | |
Schutzoffensive für Nord- und Ostsee umsetzen.“ Der Druck auf die Meere | |
steige – durch Bebauung, Lärm, Überfischung. „Die Fischbestände gehen | |
zurück, ikonische Arten wie Schweinswale verschwinden.“ | |
Holl-Buhl hofft auf eine neue Meeresraumordnung bis spätestens 2026. Sie | |
soll Klimaschutz, Naturschutz und Energiepolitik unter einen Hut bringen. | |
„Nur so können die Meere zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise | |
und zur Sicherung unserer Ernährungs- und Wirtschaftsgrundlagen beitragen“, | |
sagt sie. | |
11 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitionsvertrag-von-Union-und-SPD/!6081312 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energie-niederlande-umstrittene-gasf… | |
[3] https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/lebensraum-meer/27738.html | |
[4] /Zukunftskommission-ueber-Fischerei/!6077749 | |
[5] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Fischerei/abschlussbericht-zkf… | |
[6] https://www.bmel.de/DE/themen/fischerei/leitbildkommission-ostseefischerei.… | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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