# taz.de -- Schiffsrecycling in Südasien: Greenwashing mit neuen Regeln | |
> Die Hongkong-Konvention soll Abwracken sicherer machen. Untergräbt sie | |
> aber stattdessen sogar bestehende Regelungen? Davor warnt eine NGO. | |
Bild: Gesundheitsgefährdend und giftig für die Umwelt: Schiffsschrott | |
Hamburg taz | Das [1][Hongkonger Übereinkommen zum Schiffsrecycling] ist | |
noch nicht einmal in Kraft, und schon jetzt fordern Menschenrechts- und | |
Umweltschützer einen Reformprozess. Die Konvention soll die [2][Bedingungen | |
beim Abwracken ausgedienter Schiffe in Südasien verbessern]. In ihrer | |
jetzigen Form handle es sich aber um nichts anderes als Greenwashing, warnt | |
Ingvild Jenssen von der Organisation Shipbreaking Platform. | |
Die von der Weltschifffahrtsorganisation IMO gesetzten Standards „segnen | |
das toxische Business-as-usual auf den Stränden von Südasien ab“, so | |
Jenssen, die Gründerin und Geschäftsführerin der NGO in Brüssel ist. Das | |
Übereinkommen werde die beim Recycling verursachten Schäden nicht beenden. | |
Es werde weiter „Verluste von Leben, Gliedmaßen, Existenzgrundlagen und | |
Biodiversität“ geben. | |
Hintergrund der Konvention: Der Großteil der weltweit zu verschrottenden | |
Schiffe landet in Südasien, in Indien, Pakistan und Bangladesch und wird | |
dort in Handarbeit verschrottet. [3][Arbeitsschutz spielt dabei keine | |
Rolle, nicht nur deshalb ist es gesundheitsgefährdend, sondern auch weil | |
die Umwelt verschmutzt und so Boden und Wasser belastet werden. Beim | |
berüchtigten Beaching etwa werden die alten Fahrzeuge] auf den Strand | |
gefahren und dort zerlegt – dabei laufen schädliche Substanzen wie Öl und | |
schwermetallverseuchte Flüssigkeiten aus, beim Schweißen entstehen giftige | |
Dämpfe. Die meisten Substanzen werden nie genauer analysiert, | |
gesundheitliche Folgen bis hin zu Krebs sind verbreitet. | |
Zuletzt meldete [4][Shipbreaking Platform], 2024 seien in Südasien | |
insgesamt neun Arbeiter beim Abwracken gestorben. Unter anderem kam es in | |
Chattogram in Bangladesch während der Verschrottung eines Öltankers zu | |
einer Explosion, die sechs Menschen tötete und sechs weitere schwer | |
verletzte. | |
## Der Begriff Beaching taucht nicht auf | |
Am 26. Juni 2025 tritt nun das [5][Hongkonger Übereinkommen über das | |
sichere und umweltgerechte Recycling von Schiffen] (abgekürzt HKC) in | |
Kraft. Es wurde 2009 im Rahmen der IMO verabschiedet. Zu den | |
Vertragsstaaten gehören unter anderen die Haupt-Recyclingländer Indien, | |
Pakistan, Bangladesch und Türkei, wichtige Flaggenstaaten wie Liberia und | |
Malta sowie Deutschland. | |
Laut Jenssen wird das HKC seinem Anspruch aber nicht gerecht. Der Begriff | |
Beaching kommt im Vertrag zwar nicht vor. Dieser enthält aber Bestimmungen, | |
dass beim Schiffsrecycling das Auslaufen von Flüssigkeiten und Emissionen, | |
die Gesundheit oder Umwelt schaden können, zu vermeiden sind. | |
Trotzdem scheint die händische Verschrottung am Strand weiterhin möglich. | |
Shipbreaking Platform hat herausgefunden, dass mehr als 100 Abwrackwerften | |
in Südasien bereits sogenannte Konformitätsbescheinigungen erhalten haben. | |
Darin steht, dass sie den Vertrag einhalten – obwohl sie Beaching | |
betreiben. Jenssen meint, dass die Bestimmungen ignoriert würden und „die | |
Schifffahrtsbranche vom Greenwashing von Beaching profitiert“. | |
## Arbeitsschutz ist Thema | |
Ferner fehlten diesen formal vertragskonformen Werften laut der NGO | |
wichtige Bestimmungen zum Schutz der Arbeitenden wie beispielsweise die | |
Bereitstellung von Schutzausrüstung und medizinische Versorgung. | |
Investigativjournalisten und EU-Berichte hätten „schwerwiegende Probleme in | |
Bezug auf die Arbeitnehmerrechte aufgezeigt“. | |
Auch dazu umfasst der Vertrag detaillierte Vorschriften: Abwrackwerften | |
müssen demnach etwa für persönliche Ausrüstung wie Gesichtsschutz und | |
Atemschutz sorgen und Sicherheitstrainings organisieren. Ein grundlegendes | |
Versäumnis sei, kritisiert Shipbreaking Platform, dass der Vertrag „keine | |
unabhängige Prüfung“ der Abwrackwerften verlange. | |
Jenssen beklagt auch fehlende Anforderungen zum Umgang mit Gefahrstoffen, | |
sobald diese die Abwrackwerft verlassen haben. Exemplarisch führt sie an: | |
Wenn ein Land akzeptiere, dass auf einem Schiff gefundene Asbestplatten | |
weiter genutzt werden – und das sei Indien und Bangladesch der Fall –, | |
stehe das HKC dem nicht entgegen. | |
Dem Hongkonger Übereinkommen stellt Jenssen die | |
[6][EU-Schiffsrecycling-Verordnung] als strengeres Regelwerk gegenüber. Das | |
europäische Gesetz von 2013 gilt auf der einen Seite zwar nur für Schiffe | |
mit EU-Flagge, auf der anderen Seite aber weltweit in dem Sinne, dass sich | |
auch außereuropäische Werften von der EU zertifizieren lassen können. Das | |
ist zum Beispiel in der Türkei passiert, in Südasien noch nicht. | |
Shipbreaking Platform bilanziert: „Das Hongkonger Übereinkommen wird die | |
Probleme, die es angehen sollte, nicht lösen, sondern stattdessen den | |
Interessen von Schifffahrtsunternehmen dienen, die es weiter vermeiden | |
wollen, die echten Kosten für [7][nachhaltiges Schiffsrecycling] zu | |
zahlen.“ Damit drohe es, auch die Bemühungen um gleiche | |
Wettbewerbsbedingungen für verantwortungsvolle Schiffsrecycler zu | |
untergraben. | |
Jenssen sieht das Inkrafttreten des HKC in knapp acht Wochen daher nicht | |
als Anlass zum Feiern, sondern für Reformen. Denn ab diesem Zeitpunkt seien | |
wieder Änderungen am Text möglich. | |
5 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.imo.org/en/about/Conventions/pages/the-hong-kong-international-… | |
[2] /Arbeitsbedingungen-in-Suedasien/!6063506 | |
[3] /Entsorgung-auf-Kosten-der-Umwelt/!5272282 | |
[4] https://shipbreakingplatform.org/ | |
[5] https://www.imo.org/en/about/Conventions/pages/the-hong-kong-international-… | |
[6] /Schiffs-Recycling-in-Deutschland/!6025041 | |
[7] https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/ships_en | |
## AUTOREN | |
Phillipp Steiner | |
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