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# taz.de -- Kreislaufwirtschaft bei Schiffen: Schmilz ein, den Schrott
> Schiffe enthalten nützliche Stoffe wie Stahl und Kupfer, Recycling gibt
> es aber in Deutschland kaum. Eine Traditionswerft will das nun ändern.
Bild: Schiffsrecycling in Indonesien: Bald soll es das auch in Deutschland geben
Emden taz | Yachten, Marine-U-Boote, Forschungsschiffe, Kreuzfahrtriesen:
Deutsche Werften fertigen verschiedenste und anspruchsvollste [1][Schiffe].
Zudem wird dort umgebaut, repariert und gewartet. Es fehlen aber Betriebe,
die alte Schiffe zerlegen. Aktuell sei das Recycling von Schiffen
hierzulande weitgehend „inexistent“, erklärt Reinhard Lüken vom Verband f…
Schiffbau und Meerestechnik (VSM).
Dabei enthalten die Wasserfahrzeuge begehrte Materialien wie Stahl,
Aluminium und Kupfer, deren Wiederverwertung sinnvoll wäre. Eine Liste der
Europäischen Union verzeichnet Betriebe, die bestimmte Schiffe mit
EU-Flagge recyceln dürfen. Es gibt beispielsweise Einträge für Dänemark,
die Niederlande und die Türkei – aber keinen einzigen aus Deutschland.
Das soll sich ändern. In [2][Emden] steht der Betrieb Emder Werft und Dock
in den Startlöchern. Der Traditionsbetrieb, der inzwischen zur
Bremerhavener Benli Gruppe gehört, ist auf Umbau, Nachrüstungen,
Reparaturen und kleinere Neubauten spezialisiert.
Für das Schiffsrecycling hat er sich mit der Firma Relog des
Recyclingspezialisten Sebastian Jeanvré zusammengetan. Relog bietet zum
Beispiel den Rückbau von Stahlgebäuden und Fahrstühlen an. Die
Umweltkanzlei Beratungs- und Prüfgesellschaft, deren Geschäftsführer
ebenfalls Jeanvré ist, kümmert sich um die Genehmigungen.
## „Weltweites Umdenken hin zur Kreislaufwirtschaft“
Der Großteil der Tonnage weltweit wird in Südasien verschrottet. Dabei
spielten „Löhne und Entsorgungskosten eine große Rolle“, erklärt Karin
Logemann, die im Niedersächsischen Landtag im Unterausschuss für Häfen und
Schifffahrt wirkt.
Sie sieht aber Zeichen für Veränderung: „Im Zuge eines weltweiten Umdenkens
hin zu mehr [3][Kreislaufwirtschaft] wandelt sich das Bild: Der
Stahlschrott ist für die hiesige Industrie hochinteressant“, so die
SPD-Politikerin aus der Wesermarsch. Zudem trete 2025 die Hongkong
Convention in Kraft. Das internationale Übereinkommen schreibt ab Juni
Standards für Umwelt- und Arbeitsschutz beim Abwracken von Schiffen vor.
„Die Konvention wird dort, wo Schiffe bisher unter unwürdigen und
gefährlichen Bedingungen abgewrackt wurden, die Preise in die Höhe
schnellen lassen.“
Eine Verteuerung der Arbeit in Asien könnte die Position des Hochlohnlandes
Deutschland verbessern. Und das vor dem Hintergrund globaler Nachfrage nach
Recyclingkapazitäten.
Susanne Neumann vom Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) urteilt: „In
der Schifffahrt wird aufgrund neuer Emissionsziele in den kommenden Jahren
ein historischer Höchststand an Recyclingaktivitäten erwartet.“ Die Welle
könne sich aufgrund geopolitischer Bedingungen zwar verschieben, werde
danach aber umso heftiger ausfallen. „Dementsprechend ist das
Geschäftsumfeld für neue Recyclingwerften sehr positiv zu bewerten.“
Künftig will man also in Emden Schiffe zerlegen. Jeanvré skizziert den
Ablauf bei einem Ortstermin: Das Schiff werde an der Pier von Schadstoffen
befreit und dann ins Trockendock verbracht. Arbeiter würden es mit
Schneidbrennern in rund 20 Tonnen schwere Teile zerschneiden, die die
Dockkräne gut heben können. Auf der Schwerlastfläche nebenan werde der
Stahl weiter zerkleinert. Schuten brächten den Stahl anschließend über
Wasserwege wie den Mittellandkanal zu Stahlwerken nach Salzgitter oder
Bremen.
## Schadstoffe erhöhen den Recycling-Aufwand
Schiffe können auch problematische und gefährliche Substanzen enthalten,
etwa Blei, Bilgenöl, Asbest und giftige Beschichtungen des Rumpfs. Das kann
beim Recycling einen großen Aufwand bedeuten.
Bei Asbestfunden zum Beispiel müsse man das Schiff vor der Entfernung der
Fasern einhausen und Unterdruck erzeugen, erklärt Jeanvré. Die Entfernung
der Schadstoffe bildet den „Kostenblock“, die Wertstoffe bringen eine
„Gutschrift“, sagt der Fachmann. Vom Verhältnis hängt ab, ob der Kunde f�…
das Abwracken zahlen muss oder für sein altes Schiff noch Geld bekommt.
Der Werft kommt zugute, dass sie viele oder alle Arbeiten und Stoffe schon
kennt, die beim Recycling anfallen würden, wie EWD-Chef Björn Sommer
schildert. „Gemacht haben wir so gesehen alles. Das normale Prozedere einer
Schiffsreparatur ist ja auch, einen Schaden zu beheben, ein Schiff komplett
zu zerlegen. Man händelt wirklich alle Stoffe und auch alle Schadstoffe,
die an einem Schiff vorhanden sind.“
Auch beim Raum für das Recycling will die Werft das Vorhandene nutzen. Das
Schrottschiff würde idealerweise im Trockendock zerlegt werden, während
parallel an einem anderen Schiff gearbeitet wird. Während Jeanvré und
Sommer die Pläne vorstellen, steht beispielsweise gerade ein
Containerfrachter dort. Zwischen dessen roten Wulstbug und dem Dockende
sind noch etwa 80 Meter frei. Dort soll das Recycling stattfinden.
Demnach sollen in Emden keine Ozeanriesen zerlegt werden. Spannend für das
Geschäft seien Küstenschiffe, Binnenschiffe, Feederschiffe, sagt Jeanvré.
Ein wachsendes Segment seien Versorgungsschiffe für Windparks. „Wir können
bis 240 Meter und 40 Meter Breite. Das Maximum würden wir aber nur in
Sonderfällen ausnutzen.“
Es geht nicht nur um Schiffe im engeren Sinne, sondern auch um Schuten,
schwimmende Plattformen und sogar Offshore-Windräder. Zuallererst nennt
Jeanvré aber „staatliche Schiffe, Marineschiffe, Behördenschiffe – das
können wir alles unter deutscher Flagge“. Dafür brauche es kein
Notifizierungsverfahren.
## Die Bürokratie für das Recycling
Die Werft muss sich auch um Genehmigungen kümmern. Ein zentrales Regelwerk
ist das Bundesimmissionsschutzgesetz mit seinen Verordnungen. Bisher sei
die Werft zugelassen für Neubau und Reparatur von Schiffskörpern, erläutert
Jeanvré. Jetzt müsse das vollständige Recycling erlaubt werden.
Darüber hinaus will sich die Werft als Entsorgungsfachbetrieb genehmigen
lassen, um mit den Stoffen aus dem Schiff weiter umgehen zu dürfen – um
bestenfalls wieder Bleche oder sogenannte Halbzeuge für den Schiffsbau
herstellen zu können. Auch nach der EU-Schiffsrecycling-Verordnung will sie
sich zertifizieren lassen, die Standards für das Abwracken von Schiffen mit
EU-Flagge ab einer Bruttoraumzahl von 500 vorschreibt. Für alle Fälle, so
Jeanvré.
Er lobt übrigens die Zusammenarbeit mit den Behörden und auch den
Rückenwind aus der Politik. Wenn alles klappt, soll es in Emden im zweiten
Quartal 2025 losgehen. Zehn, fünfzehn Anfragen von Reedereien lägen schon
vor.
18 Dec 2024
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## AUTOREN
Phillipp Steiner
## TAGS
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