# taz.de -- Fischerei in der Ostsee am Limit: Auch Beifang leert das Meer | |
> Ein Meeresforscher empfiehlt, in der Ostsee keinen Hering und Dorsch mehr | |
> zu fangen – auch nicht als Beifang. Die Fischer fürchten um ihre | |
> Existenz. | |
Bild: Früher war er Fischers Brotfisch, heute gibt es in der Ostsee immer weni… | |
Hamburg taz | Die schleswig-holsteinischen Küstenfischer sehen sich von | |
verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt. Da ist zum einen die Empfehlung | |
eines Kieler Forschers, gar keine Heringe und Dorsche mehr in der Ostsee zu | |
fangen – auch nicht als Beifang. Das würde ihre Arbeit fast unmöglich | |
machen. Zum anderen will ihnen das Land in Schutzgebieten die Fischerei | |
verbieten. Für Letzteres hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) beim | |
Verbandstag am Donnerstag vergangener Woche einen Ausgleich versprochen. | |
[1][Dorsch] und [2][Hering] waren einmal die Brotfische der | |
schleswig-holsteinischen Küstenfischer in der Ostsee. Doch von den einst | |
üppigen Beständen ist kaum noch etwas übrig. Der Dorsch-Bestand in der | |
westlichen Ostsee ist so klein, dass sich dazu kaum mehr Daten erfassen | |
lassen, wie der Internationale Rat für Meeresforschung (Ices) schreibt. | |
Beim Hering sei der Bestand in der westlichen Ostsee „tief im roten | |
Bereich“. | |
Der Ices hatte deshalb bereits im Mai [3][erneut Null-Fangquoten] für das | |
kommende Jahr vorgeschlagen – mit Ausnahme des Herings in der zentralen | |
Ostsee östlich von Bornholm. Was die Ices-Empfehlungen allerdings immer | |
noch zulassen, sind einige Tonnen Beifang, um die Fischerei überhaupt, also | |
etwa auf Plattfische, zu ermöglichen. | |
Thorsten Reusch vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel | |
würde noch etwas weiter gehen. Vor dem Agrarausschuss des Landtags | |
bezweifelte er, dass sich der Dorsch ohne Fangverbot erholen kann. „Beim | |
Dorsch ist es schwierig, weil der wirklich so weit unten ist, dass der | |
überhaupt mal wieder einen Ansatz haben muss, dass er vielleicht noch | |
hochkommt“, sagte Reusch. | |
## Die Zeit drängt | |
„Die Zeit drängt, weil im Augenblick die letzten Heringe und Dorsche ganz | |
legal und gegen den wissenschaftlichen Rat des internationalen Rats für | |
Meeresforschung weggefangen werden“, kritisierte Reusch. Die Fische dürften | |
weder gefangen noch geangelt oder anderweitig entnommen werden – sie | |
müssten geschützt werden. | |
Den Deutschen Fischereiverband beunruhigen solche Forderungen. „Was das | |
Geomar will, ist das Ende der Fischerei“, sagt Pressereferent Claus Ubl. | |
Dorsche und Heringe dürften schon länger nur noch als Beifang gefischt | |
werden. Heute kämen so wenige Dorsche und [4][Heringe] durch die Fischerei | |
ums Leben wie selten zuvor. Dass die Populationen so klein seien, habe mehr | |
[5][mit den Umweltbedingungen zu tun] als mit der Fischerei. | |
Den Beifang von diesem niedrigen Niveau aus auf Null zu fahren, werde daher | |
den Fischpopulationen nichts nützen – aber der Fischerei den Garaus machen. | |
Denn dass bei der Fischerei auf Schollen oder Sprotten auch ein paar | |
Dorsche oder Heringe ins Netz gingen, lasse sich nun mal kaum vermeiden. | |
## Beifang lässt sich nicht ganz vermeiden | |
„Beifang lässt sich nicht völlig, aber doch wesentlich vermeiden, bei | |
entsprechender Einstellung der Fanggeräte“, sagt dagegen Reusch. So ließen | |
sich etwa Stellnetze für Plattfische nur mit geringer Höhe über dem Grund | |
und mit großen Maschenweiten einsetzen. Noch wesentlicher lasse sich der | |
Beifang von Dorschen durch Auswahl von Ort und Zeit des Fangens minimieren, | |
indem also dort gefischt werde, wo der Beifang am geringsten sei. | |
Für den Hering sei es sogar noch wesentlich einfacher, sagt der Forscher. | |
Der werde nur mit speziellen Netzen mit geringer Maschenweite gefangen. | |
„Wenn man diese nicht einsetzt, dann gibt es auch keinen Fang und keinen | |
Beifang“, sagt Reusch. | |
Auf der Mitgliederversammlung des Landesfischereiverbandes spielte eine | |
andere Sorge eine große Rolle: Die schleswig-holsteinische Landesregierung | |
will 12,5 Prozent der in ihrer Zuständigkeit liegenden [6][Meeresgebiete | |
unter Schutz] stellen und die Fischerei dort verbieten. Das sind | |
zweieinhalb Prozentpunkte mehr als von der EU gefordert. Dafür hat die | |
schwarz-grüne Koalition aber darauf verzichtet, einen Nationalpark Ostsee | |
einzurichten. | |
## Fischer sollen mehr fürs Meer tun | |
Zum Ausgleich der zusätzlichen Einschränkungen bot Ministerpräsident | |
Günther bei der Mitgliederversammlung den 25 hauptberuflichen Fischern eine | |
Kompensation von insgesamt 400.000 Euro pro Jahr an. Im Gegenzug sollen die | |
Fischer etwas für das Meer tun: Umweltdaten aufzeichnen, Wasserproben | |
nehmen, Müll herausfischen. | |
Der Landesfischereiverband nahm das Angebot grundsätzlich an. Allerdings | |
müssten noch die genauen Konditionen zur beiderseitigen Zufriedenheit | |
ausgehandelt werden. „Sonst läuft das nicht“, warnt Fischermeister Lorenz | |
Marckwardt, der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes. | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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