# taz.de -- Umstrittener Tiefseebergbau: Das Norwegen-Paradoxon | |
> Immer mehr Länder rufen auf der UN-Konferenz in Nizza zum Schutz der | |
> Ozeane auf. Doch die Regierung in Oslo verfolgt weiter andere Ziele. | |
Bild: Rohstoffabbau unter Wasser bedroht das Leben in der Tiefsee, warnen Exper… | |
Härnösand taz | Es wäre „verrückt“, den Grund des Meeres wirtschaftlich | |
auszubeuten: Emmanuel Macron machte auf der UN-Ozeankonferenz in Nizza | |
unmissverständlich klar, wie er zum Thema Tiefseebergbau steht. Das war | |
nicht zuletzt eine Botschaft in Richtung von US-Präsident Donald Trump, der | |
kürzlich einen beschleunigten US-Tiefseebergbau auf die Agenda gesetzt hat. | |
Doch auch Norwegen sollte den französischen Präsidenten gehört haben. | |
Die Regierung in Oslo will zwar nicht in internationalen Gewässern | |
schürfen. Aber sie plant Mineralabbau in eigenen Hoheitsgebieten und steht | |
auch damit seit langem in der Kritik. Bisher zeigte sie sich immun dagegen. | |
Auch dass sich Frankreich, Deutschland und mehr als 30 weitere Länder für | |
ein Moratorium in internationalen Gewässern einsetzen oder dass Fachleute | |
und Umweltschutzverbände im In- und Ausland unermüdlich vor den negativen | |
Umweltfolgen warnen, löste bislang jedenfalls keine Trendwende aus. | |
Der Tenor aus Oslo in etwa: Norwegen, die Offshore-Öl- und Gas-Nation, ist | |
extrem kompetent in diesen Dingen. Technik, Know-how, Daten. Wir machen das | |
ganz vorsichtig und passen dabei gut auf die Umwelt auf. | |
„Norwegen überschätzt sich“, schreibt Meeresbiologin Franziska Saalmann v… | |
Greenpeace der taz. Die Öl- und Gasförderung sei nur sehr begrenzt mit dem | |
Tiefseebergbau vergleichbar. Außerdem trage das Land mit seiner fossilen | |
Industrie ohnehin zum Biodiversitätsverlust bei. „Nun wollen sie | |
ausgerechnet in der sensiblen Arktis mit der nächsten zerstörerischen | |
Industrie starten“, kritisiert Saalmann. Bereits der erste geplante | |
Schritt, die nähere Untersuchung der von Norwegen dafür eingeplanten | |
Gebiete im Nordmeer, [1][könne unumkehrbare Schäden verursachen]. | |
## Norwegen verfolgt wirtschaftliche Interessen | |
Noch wurden keine Lizenzen an kommerzielle Akteure vergeben, was für 2025 | |
geplant ist. Die Sozialistische Linkspartei (SV) hatte die Regierung | |
vorerst ausgebremst, als sie ihre Zustimmung zum Staatshaushalt im | |
vergangenen Jahr vom Stopp des Prozesses abhängig machte. | |
Ministerpräsident Jonas Gahr Støre (Arbeiderparti) sagte damals direkt, | |
dass die Pläne nur aufgeschoben seien. In diesem September wird in Norwegen | |
gewählt, dann gibt es womöglich neue Mehrheiten. Greenpeace wertet die | |
Verzögerung bereits als Erfolg des auch internationalen Drucks: „Ganz | |
unbeeindruckt ist die norwegische Regierung nicht“, meint Saalmann. Bisher | |
überwiege aber offenbar noch der Wille, sich weiter als Rohstoffnation zu | |
positionieren. | |
In Kürze will Norwegen den jüngsten Schritt vorstellen: die detaillierte | |
[2][Regulierung der Lizenzvergabe] – auch am Entwurf hierfür hatte es in | |
einer öffentlichen Anhörung vorab wieder viel Kritik gegeben. | |
„Es ist paradox: Ausgerechnet ein Land, das sich gern als grüner Vorreiter | |
inszeniert, ignoriert bei der aktuell größten drohenden Gefahr für die | |
Meere das Vorsorgeprinzip“, so Saalmann. „Wirtschaftliche Interessen und | |
geopolitischer Ehrgeiz scheinen schwerer zu wiegen, als jegliche Vernunft – | |
noch.“ | |
## UN-Ozeankonferenz geht noch bis Freitag | |
Akteure wie das norwegische Meeresforschungsinstitut HI weisen immer wieder | |
auf den mangelnden Wissensstand über die sensiblen Ökosysteme am | |
Meeresgrund hin. Zuletzt forderte HI, dass bei kommerziellen | |
Erkundungsversuchen des Meeresbodens unabhängiges wissenschaftliches | |
Fachpersonal an Bord sein müsse – und dass die Regierung dies gesetzlich | |
festschreiben solle. | |
Greenpeace gehört nicht zu den Akteuren, die Kompromissvorschläge machen. | |
„Tiefseebergbau kann weder ökologisch, ökonomisch noch ethisch vertretbar | |
sein“, sagt Meereskampaignerin Saalmann. | |
Sie fährt bald zum zweiten Mal auf eine Expedition, bei der Meeressäuger in | |
der betreffenden Region dokumentiert werden. Allein der Lärm, der durch | |
Tiefseebergbau-Aktivitäten entstehe, könne erhebliche Auswirkungen auf sie | |
haben. „Die norwegische Regierung muss diese Gefahren endlich angemessen | |
berücksichtigen“, fordert sie. | |
[3][Oslo begründet], man brauche Übergangsmetalle wie Mangan für die grüne | |
Transformation. Greenpeace fordert hingegen, auf effektiveres Recycling, | |
eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und nachhaltigere Alternativen zu | |
setzen. | |
Von der an diesem Freitag zu Ende gehenden UN-Ozeankonferenz erwartet | |
Greenpeace wichtige Signale: „Die drohende Gefahr von Tiefseebergbau ist | |
hier in Nizza in aller Munde“, schreibt Saalmann von vor Ort. Kurz vor der | |
Tagung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) Ende Juni erzeuge die | |
UN-Konferenz so ein wichtiges Momentum und zeige internationalen | |
Zusammenhalt. Viele Staaten verurteilten die jüngsten Trump-Vorstöße. Und | |
die Zahl der Staaten, die ein Moratorium fordern, sei nun auf 37 gestiegen. | |
12 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anne Diekhoff | |
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