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# taz.de -- Linke Antworten auf Trump: Die dunkle Seite der Macht
> Überwältigung durch Tempo – damit attackiert Donald Trump nicht nur die
> USA. Statt zu erstarren, muss die Linke sich auf ihre Radikalität
> besinnen.
Bild: ⁦Mit Kaleidoskopfilter: Trump-Anhängerin bei seiner Rede vor dem Kongr…
Im „Star Wars“-Klassiker „Das Imperium schlägt zurück“ fragt Luke
Skywalker: „Ist die dunkle Seite stärker?“ „Nein“, ist die Antwort von
Meister Yoda, „nein, nein: Schneller. Leichter. Verführerischer.“ Auch wer
die faschistischen Protagonisten von Trump bis Putin – dazwischen liegt
nicht nur geografisch die AfD – widerlich findet, kann fasziniert davon
sein, wie schnell diese Gestalten handeln, wie leicht ihnen ihre Untaten zu
fallen scheinen, wie viel Selbstbewusstsein sie ausstrahlen und wie wenig
diejenigen, die sich eben noch als ihre entschiedensten Gegner
präsentierten, ihnen entgegenzusetzen haben.
Gerade die Trump-Regierung vermittelt mehr als einen Hauch von
„Blitzkrieg“. Sie agiert überfallartig und trotz größenwahnsinniger Ziele
spielerisch, an vielen Fronten gleichzeitig und zeigt sich dabei mit Kalkül
offen, ganz bewusst jenseits altmodischer Hinterzimmerpolitik: etwa wenn
ein ehemaliger enger Verbündeter – der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj – [1][in einer „great television“-Session vor den Augen der Welt
erniedrigt wird.]
Leichtigkeit, Schnelligkeit, Sichtbarkeit, Vielseitig- und
Gleichzeitigkeit: Wer für die von Trump und Co bevorzugten Attitüden einen
historischen Ursprung sucht, kann auf einen Text stoßen, von dem wir uns
nicht hätten vorstellen können, dass er einmal als Anregung rechtsextremer
Revolutionäre dienen könnte: Der italienische moderne Klassiker Italo
Calvino wagt in seinen nachgelassenen geplanten Harvard-Vorträgen
„Amerikanische Lektionen – Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend�…
von 1988 einen Blick nach vorne. Als raffinierter Literat prüft Calvino die
Tradition auf „einige Werte, Eigenschaften und Eigenheiten“, denen er eine
Perspektive für das kommende, also für unser Jahrtausend gibt.
Er nennt dabei unter anderem jene avantgardistischen Qualitäten, mit denen
Trump gerade reüssiert. Calvino – politisch sozialisiert in der Resistenza
– wuchs in Italien zur Zeit des Mussolini-Faschismus auf, mit dessen
Beschleunigung und Brutalisierung des Politischen auch als Fortführung der
Avantgardebewegung der Futuristen. Letztere feierten Angriff, Aggression
und kriegerische Männlichkeit und hatten eine Obsession für Tempo und
Technik. Die Raketen von Musk sind heute das, was der Rennwagen für die
Futuristen war. Und das ist nicht die einzige Reminiszenz. [2][Das
Männerbündische und die Lust am Angriff] haben gerade Konjunktur.
## Die Mafiabosse
Aber wie gehen wir damit um, wenn sich Trump und Konsorten bei ihrer
lässigen Performance bei den Avantgarden von Moderne und Postmoderne
bedienen wie aus einem Munitionsdepot? Warum stehen wir hilflos daneben,
während die Welt um uns herum explodiert? Und vor allem: Wie kommen wir aus
diesem Albtraum möglichst schnell wieder raus?
Der einfache Weg frei nach Meister Yoda lautet, sich auf die Schwäche
seiner Gegner zu verlassen, auf die Hoffnung, dass die Logik der Geschichte
sich schon auf unsere Seite schlagen werde. In dieser Perspektive scheint
es nur zu absehbar, dass die beiden Mafiabosse Trump und Putin, die ganz
clanmäßig keine demokratisch-öffentlichen Regeln akzeptieren, über kurz
oder lang eben einen Mafiakrieg werden führen müssen, weil ein solches
Shoot-out nun mal das ist, was solche Leute tun, wenn sie mit dem
gegenseitigen Arschkriechen durch sind und keine Schwächeren mehr zum
Drangsalieren übrig.
Darauf können wir uns nicht verlassen; schon deshalb nicht, weil die
Kollateralschäden zu hoch wären, und zwar nicht nur für das Hauptopfer – im
konkreten Fall des russischen Angriffskriegs die Menschen in der Ukraine,
deren Recht auf ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde nicht geringer
ist als das unsere.
Wenn wir uns davon überzeugt haben, dass das Böse nicht weggehen wird, dann
müssen wir zusehen, wie wir eigene Stärke zurückgewinnen.
Interessanterweise finden wir auch dafür bei Calvino, der 1944 als Partisan
gegen die Nazifaschisten in die Berge ging, einen Hinweis. Was die
italienische Resistenza ausgezeichnet habe, sei die Begabung gewesen,
„Gefahren und Schwierigkeiten mit Schwung zu überwinden“. Calvino spricht
von einer „Mischung aus Stolz auf die eigene Fähigkeit zur Militanz“ wie
auch einem selbstironischen Umgang mit ebendieser Militanz. Er erinnert
sich an ein „immer von Großzügigkeit beseeltes Auftreten, das darauf
bedacht war, jede großzügige Sache zu seiner eigenen zu machen“.
## Kampf für die eigenen Werte
Echter Wille zum Kampf für die eigenen Werte, ohne sich selbst zu ernst zu
nehmen, und Großzügigkeit, die wir auch Liebe oder Solidarität nennen
können, gegenüber allen, die ihren individuellen Weg gehen, um unsere Welt
zu erhalten oder sogar besser zu machen: Wer sehnt sich nicht danach?
Gerade erleben wir, wie die Umfragewerte der bösartigen AfD immer neue
Höhen erreichen. Und wir erinnern uns mit Schaudern an die Ampelregierung.
Nichts geschah dort schnell, leicht und schon gar nicht großzügig. Nie
hatte man den Eindruck, hier würden entschlossene Leute auf allen wichtigen
Politikfeldern gleichzeitig entschieden vorrücken. Im Gegenteil verfestigte
sich, besonders seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2023 zur
Nichtverwendung der Coronamittel, der Eindruck, dass Entscheidungen
überhaupt nicht möglich seien, weil immer etwas Administratives,
Strukturelles, (Europa)rechtliches oder letztlich Finanzielles einem
Schritt nach vorne entgegenstünde.
Stand dann doch mal was zur Entscheidung an, wurden so offensichtlich wie
unerklärlich ungeklärte Details so lange durchgestochen, bis das
Gesamtprojekt gründlich durchlöchert war: Sag noch einmal Wärmepumpe, sag
noch einmal Taurus, sag noch einmal Tempolimit, Einwanderungs- oder
Cannabisreform!
Die Ampel blinkte so wild durcheinander, dass alle
Verkehrsteilnehmer:innen, ob sie nun rasen oder radeln wollten, einfach nur
noch genervt abschalteten. Und nun schauen wir schockstarr dabei zu, wie
eine Doge-Armada, derzeit noch mit [3][Elon Musk an der Spitze, beim
Angriff auf US-Staatsinstitutionen] auf Chaos und Überwältigung setzt –
euphemistisch als „Bürokratieabbau“ geframt.
## Links bedeutet: emanzipatorisch für alle Menschen
Das reine Tempo, [4][mit dem hierzulande die Union ihre nicht ganz
unradikale Handbremswende vollzogen] und der Bundestag das autoritäre
Schuldenbremsenregime gelockert hat, ist da schon eine Erleichterung: Sie
bewegt sich doch, die Politik, und zwar nicht nur vollends übel! Es geht
eben nicht nur darum, das Richtige zu tun; es geht auch darum, wenigstens
ein bisschen Richtiges sehr schnell zu tun.
Beim Thema Revolution und Tempo müssen wir den Aspekt der Überwältigung
streifen. Die Überwältigung, die wir gerade empfinden, entspricht nämlich
einer auf der anderen Seite, und zwar bei jenen, die in den letzten Jahren
ihre Weltsicht und ihre materiellen und gesellschaftlichen Privilegien
massiv infrage gestellt sahen und jetzt vom großen Rollback träumen.
Was man linker Identitätspolitik vorwarf, stimmt ja: Sie war links,
insofern sie emanzipatorisch für tatsächlich alle Menschen dieser Erde war,
und sie stiftete Identitäten, die nicht sofort auf Dialog und Versöhnung
aus waren, sondern auf eine neue Welt, in der die versammelten,
diskriminierten Minderheiten ihr gemeinsames Mehrheitsrecht beanspruchten –
ganz wie die alte Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert in ihren
radikalsten Zeiten.
Verleumdet wurde diese von unten links kommende Emanzipationsbewegung von
oben rechts als „Elitenprojekt“. Mit dem Effekt, dass sich Multimilliardäre
plötzlich als Volkstribune und Vertreter der „kleinen Leute“ inszenieren
können. Und es sind diese Eliten, die jetzt das Rad zurückdrehen wollen mit
zumindest in den USA einer schweigenden (Wahl)mehrheit im Rücken, die aber
merkwürdig leise und unsichtbar bleibt: Es gibt keine flächendeckenden
Pro-Trump-Fackelmärsche, nichts, was etwa der deutschen Hitler-Begeisterung
1933 ff. auch nur entfernt gleichkäme.
## „I would prefer not to“ – was Bartleby sagt
Die Trump-Unterstützer:innen scheinen vom Feuerwerk, das er knallen lässt,
nicht viel weniger überwältigt als wir. Ihr Überwältigung ist allerdings
eine positive – für sie ist es so, als sei nach Jahren der
Produktenttäuschung nun endlich jemand in der Hotline, dem man seine
Probleme nicht nur schildern kann, sondern der auch tatsächlich zackig
Lösungen anbietet. Dass er dabei eine komische Mütze trägt – so what? Er �…
Trump – liefert!
Der heutige Faschismus erscheint also gerade nicht als aktivistische
Bewegung, sondern als eher passive, auch speziell in Russland zutiefst
eingeschüchterte, wenn nicht gleich eingesperrte Ansammlung dumpfer
Konsumenten, die auf Beschleuniger starren. Ihr fehlt in der Breite
jugendlicher Elan, obwohl es zweifellos einen Autoritätsdrall in Teilen
der jungen Generation gibt. Doch am Ende sind sie in West wie Ost schlicht
zu wenige, um das Ergebnis entscheidend zu beeinflussen. Mussolini war 39,
als er an die Macht kam, Hitler 43. Trump ist 78, Putin 72.
Den letzten, unvollendet gebliebenen Vorschlag für unser Jahrtausend hätte
Calvino der consistency gewidmet. Consistency, sagt das Wörterbuch, steht
für altmodische Sachen: Beständigkeit, Stetigkeit, Stimmigkeit. Calvino
hätte sich mit Herman Melvilles Romanhelden des passiven Widerstands,
Bartleby, beschäftigt. Der macht sich mit seinem „I would prefer not to“
niemals gemein mit den Zumutungen einer Gegenwart, die genau das fordert:
um jeden Preis dabei zu sein. Wenn unser Denken und Handeln wieder stimmig
wird, radikal im Nein, aber großzügig, ja liebevoll wie die Partisanen
gegenüber allen, die Positives beitragen wollen – dann haben wir vielleicht
noch eine Chance. Denn Liebe ist das eine, wonach sogar die dunkle Seite
heimlich Sehnsucht hat.
6 Apr 2025
## LINKS
[1] /Nach-dem-Eklat-im-Oval-Office/!6070090
[2] /Toxische-Bro-Kultur/!6046771
[3] /Elon-Musks-politischer-Feldzug/!6058331
[4] /Erfolg-der-Grundgesetzaenderung/!6073196
## AUTOREN
Ambros Waibel
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