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# taz.de -- US-Armee unter Trump: Der Kampf um Fort Bragg
> Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth kommt nicht aus den
> Schlagzeilen. Wie gehen die Menschen rund um die größte Militärbasis der
> USA damit um?
Bild: Freiwillige stellen die Belagerung Grenadas 1983 bei der All American Wee…
Fayetteville taz | Die Autobahn zur größten Militärbasis der Welt führt
über spärlich besiedeltes Gebiet. Laubwälder wechseln sich ab mit Wiesen
und Kirchen aus rotem Backstein. „Welcome to America’s CAN DO City“ begr�…
Fayetteville seine Besucher.
In Fayetteville, North Carolina, liegt der Armeestützpunkt Fort Bragg: der
Wirtschaftsmotor der Region und ein Name, der wie kein anderer auf der Welt
für US-amerikanische Macht steht. Aus Fort Bragg entsandte man mehr
Soldat:innen nach Afghanistan und Irak als von jeder anderen US-Basis.
Fast 50.000 Soldat:innen sind hier untergebracht, viele weitere
Angestellte und Veteranen leben mit ihren Familien in Fayetteville.
Spezialkommandoeinheiten sowie das Zentrum für militärische
Terrorismusbekämpfung sind in Fort Bragg stationiert.
Wie blicken Angehörige des Militärs und Veteranen in Zeiten wie diesen, in
denen die Ordnung der Welt sich neu sortiert, auf ihr Land?
## Black Lives Matter – immer noch?
Auf halber Strecke zwischen Militärbasis und dem mickrigen Stadtzentrum
leuchtet in neongelben Lettern die Aufschrift „Liberty Island Foods“.
Draußen drückt die Mittagssonne auf den Asphaltdschungel Fayettevilles.
Drinnen warten der Veteran Marvin Samuels und seine Frau in einem fast
leeren Restaurant für Spezialitäten aus Jamaika auf Kundschaft.
Samuel, ein kräftiger Schwarzer Mann, serviert Reis mit gebratenen
Kochbananen und Akee, ein gekochtes Seifenbaumgewächs. Unpolitisch wolle er
bleiben, sagt er. Aber ein Name entfalte nun einmal auch eine gewisse
Wirkung. Liberty. Er lacht. Im Januar, nachdem er aus dem Armeedienst
ausgeschieden war, eröffnete er sein Restaurant. Der Name sollte eine
Hommage an seine Basis sein, in der er fast 20 Jahre stationiert war. Doch
dann kam alles anders.
Seit seiner Gründung 1918 verdankte der Stützpunkt seinen Namen Braxton
Bragg, einem General der Konföderierten, der auch nach Ende des
Bürgerkrieges eine Plantage mit über 100 Sklaven besaß. Nach den
Black-Lives-Matter-Protesten benannte das Verteidigungsministerium Fort
Bragg 2023 in „Fort Liberty“ um. Die Umbenennung kostete mehr als sechs
Millionen Dollar.
## Pete Hegseth sorgt für Umbenennung
Im Februar ordnete Trumps neuer Verteidigungsminister Pete Hegseth mit dem
Befehl „Bragg is back!“ die Rückbenennung an, offiziell nunmehr zu Ehren
von Roland L. Bragg, einem einfachen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg.
Der Familie des 1999 verstorbenen hatte niemand Bescheid gesagt. Sie
erfuhren durch einem Lokalreporter davon.
„Fort Bragg verkörperte für uns Soldaten immer den Stolz, hier zu dienen.
Ich kannte die historische Bedeutung des Namen nicht“, sagt Marvin Samuels.
Wenige Wochen nach der Eröffnung seines Restaurants erfuhr er, dass aus
Liberty wieder Bragg werden sollte. Er zuckt mit den Schultern. Die
Probleme, die jetzt auf ihn zukommen könnten, fühlen sich größer an als ein
Name.
Der Konflikt um den neuen alten Namen wirkt wie ein Vorbote. Pete Hegseth,
dem jede politische Erfahrung fehlt, verwaltet ein Budget von etwa 800
Milliarden Dollar und übernimmt die Verantwortung für Rüstungsprojekte und
sicherheitspolitische Entscheidungen.
## Alkohol, sexuelle Übergriffe, White Supremacy
[1][Die Ernennung des ehemaligen Fox-Moderators zum Verteidigungsminister]
war selbst unter Republikanern kontrovers. Er gilt als Trinker, seine
Ex-Frau soll sich aus Angst vor ihm im Schrank versteckt haben. Wegen
sexueller Übergriffe hatte er 2017 einer Frau 50.000 Dollar zahlen müssen.
Auf seiner Brust trägt Hegseth das sogenannte Jerusalem-Kreuz eintätowiert.
Ein Symbol, das häufig mit ultrarechten christlichen Kreisen der White
Surpremacy in Verbindung gebracht wird. In Zukunft solle sich das Pentagon
auf „tödliche Schlagkraft, Leistungsprinzip, Kriegsführung und Bereitschaft
konzentrieren“, sagte er bei der Senatsanhörung vor seiner Ernennung.
Das Budget des Pentagons soll in den nächsten fünf Jahren um jeweils acht
Prozent gekürzt werden: pro Jahr um 50 Milliarden Dollar. Im
Kriegsveteranenministerium will man 80.000 Mitarbeiter:innen
entlassen. Einige der bereits vollzogenen Kündigungen befanden Gerichte als
gesetzeswidrig, die Mitarbeiter:innen durften nach Wochen wieder an
ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
Von der panischen Starre, die sich in diesen Tagen durch progressive Kreise
in US-Großstädten zieht, ist in Samuels Restaurant nichts zu merken. Ihm
ist Hegseth egal. „Uns Menschen im Militär interessiert eine Sache. Unter
welcher Regierung können wir am besten für unsere Familien sorgen? Bei den
Republikanern waren unsere Gehaltschecks immer am dicksten.“ Und dann noch:
„Aber wer in diesen Tagen keine Zukunftsängste hat, der spinnt.“
Wenn die Regierung tatsächlich die Richtung einschlagen wird, in die sie
sich gerade bewegt, könnten viele Militärangehörige ihre Jobs verlieren,
glaubt er. In der Stadt herrsche ein Gefühl von Unsicherheit. Obwohl bei
den vergangenen drei Wahlen 60 Prozent aller Veteranen und Reservisten für
Trump gestimmt haben.
Das Ende von Diversitätsprogrammen beunruhigt Samuels weniger, auch wenn er
selbst Diskriminierung in der Armee erfahren hat. Auch unter Schwarzen
hätte es Konkurrenzkämpfe gegeben. Trump sei nun mal ein Puppenspieler und
sein Kabinett ein Haufen Marionetten. „Wenn sie die Diversität vor ihrer
Nase nicht anerkennen wollen, heißt das, sie fürchten sie?“
## Dem Militär fehlt es an Nachwuchs
Ende des Zweiten Weltkrieges bestand das US-Militär aus zwölf Millionen
Soldaten im aktiven Dienst. Heute sind es 1,3 Millionen, obwohl die
Bevölkerung sich seitdem verdoppelt hat und das Militär auch Frauen
zulässt. Es fehlt an Nachwuchs. Laut einer Studie des Pentagons haben drei
Viertel der jungen Amerikaner:innen zwischen 17 und 24 entweder
Übergewicht, schaffen den Eignungstest nicht, würden unter psychischen und
physischen Einschränkungen leiden oder seien vorbestraft.
Fragt man Donald Trump oder Pete Hegseth, dann ist es die „woke“
Entwicklung des Militärs, die junge Menschen vom Eintritt in die Armee
abhält. Den von Hillary Clinton und Joe Biden viel zitierten Satz „Unsere
Vielfalt ist unsere Stärke“ bezeichnete Hegseth als „den dümmsten Satz in
der Militärgeschichte“. Gleichstellungsinitiativen würden spaltend wirken
und junge christliche Männer abschrecken. Dabei geben die allermeisten von
ihnen in Umfragen als Hauptgründe für ihr Desinteresse am Militär die Angst
vor dem Tod, Verletzungen und posttraumatischer Belastungsstörung an.
## Kampf der „Wokeness“ in der Armee
Trotzdem hat Hegseth der „Wokeness“ den Kampf erklärt. Ein Dekret, um
trans* Menschen aus dem Armeedienst zu verbannen, wurde bereits
unterschrieben, auch wenn es derzeit per richterlicher Anordnung vorläufig
gestoppt ist. Die neue Regierung entließ, kaum im Amt, den Schwarzen
Kampfpiloten und Generalstabschef Charles Q. Brown und die Kommandantin der
Küstenwache Linda Lee Fagan, die ihre Posten beide jeweils als erster
Schwarzer und als erste Frau bekleidet hatten.
[2][Seit dem Signal-Gate], bei dem Trumps Sicherheitsberater einen streng
geheimen Militärschlag im Jemen per Signal-Chat diskutierten und ein
Journalist die interne Kommunikation mitlesen konnte, sind einige
hochrangige Militärvertreter verärgert, berichten Medien. Schließlich war
es die Sicherheit der Piloten, die man durch das fahrlässige Verhalten aufs
Spiel setzte. „Wir können nicht darauf vertrauen, dass es dem Pentagon
wirklich um unsere Sicherheit geht“, sagten sie der New York Times. Dass
Pete Hegseth versuchte, die Schwere des Vorfalls herunterzuspielen, statt
den eigenen Fehler zuzugeben, machte das Ganze nur noch schlimmer.
Schräg gegenüber von Samuels Restaurant, im Pfandleihhaus für
Militärzubehör, kriegt man von den Veränderungen unter der neuen Regierung
nur am Rande etwas mit. Alles hier ist wie immer. Die immer gleichen armen
Schlucker, die ihre Besitztümer verpfänden. Die Drogenabhängigen in den
Straßen Fayettevilles. Die trostlose Langeweile. Hier kaufen und verkaufen
sie Militärrucksäcke, Revolver und Jagdgewehre, patriotische Poster mit
Szenen aus dem Vietnamkrieg.
In einer Glasvitrine sind gold-glitzernde Eheringe wie traurige Zeugen
gescheiterter Ewigkeit aufgereiht. In der Mitte prangt einer mit
vergoldetem Hanfblättchen. „Der Mann wird ins Ausland versetzt, die Frau
bleibt hier und geht fremd. Dann trennen sie sich und bringen uns den
Ring“, erklärt der Angestellte so heiter, als würde er eine Episode aus
seiner liebsten Telenovela nacherzählen.
Dass man das Verteidigungsbudget kürzen will, wusste er noch nicht. Aber
bei all der Verschwendung und Korruption, die er von plauderfreudigen
Kunden aus nächster Nähe mitbekommt, hält er das für eine gute Idee.
## Militär ist in Fayetteville omnipräsent
In Fayetteville ist das Militär allgegenwärtig. In der Mall hängen Jeans im
Military-Look, Stripclubs locken mit Werbebannern, auf T-Shirts stehen
Sprüche wie „Proud Army Mom“. Überall wuseln Menschen in Uniform herum.
Aber wer im aktiven Dienst ist, darf keine politischen Aussagen machen und
soll nicht mit Medien sprechen. Nur eine Frau mit Pferdeschwanz zieht ihre
Augen zu Schlitzen und gibt mit passiv aggressiver Stimme von sich, sehr
gut würde es laufen.
Renate trägt keine Uniform mehr, als sie durch die Mall streift. Es ist ihr
Geburtstag. Sie hat dickes, blau leuchtendes Make-up aufgetragen, das ihr
von den Wimpern tropft. Im Vorbeigehen raunt sie: „Ich bin auch aus
Deutschland!“ Renate stammt aus Bamberg. In den Sechzigerjahren verliebte
sie sich in einen US-amerikanischen Soldaten, der in Deutschland
stationiert war. Die beiden heirateten. Sie zog mit ihm nach Fort Bragg,
nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und ging als IT-Frau selbst
zum Militär.
Jetzt ist der Mann schon lange tot, die Tochter und der Trump-wählende
Schwiegersohn leben in Washington. Renate ist alleine in Fayetteville
geblieben und vermisst ihre deutsche Heimat. Alle Nachbarn in ihrer
Siedlung seien Veteranen, sagt sie. Und alle seien sie entsetzt über ihr
Land. Renate fürchtet, dass man ihr [3][die Krankenversicherung wegnehmen]
könnte. Dem Schwiegersohn wird man wahrscheinlich seine Versehrtenrente
kürzen. Vielleicht wird er dann endlich einsehen, was Trump anrichtet. Sie
kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
4 Apr 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Marina Klimchuk
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