# taz.de -- Meldestellen für Menschenfeindlichkeit: Neuer Höchststand an disk… | |
> In der Bilanz der Berliner Register stehen antisemitische Vorfälle | |
> erstmals an erster Stelle. Auch rechtsextreme und rassistische Übergriffe | |
> nehmen zu. | |
Bild: Erstarken rechter Gruppen: Demonstration der rechtsextremistischen Kleins… | |
BERLIN taz | Die Zahlen sind besorgniserregend: Im Jahr 2024 haben die | |
Berliner Register 7.720 extrem rechte, rassistische, antisemitische und | |
queerfeindliche Vorfälle in Berlin dokumentiert. Damit sei ein neuer | |
Höchststand erreicht, hieß es bei der Präsentation am Donnerstag. Bereits | |
im Jahr [1][2023 hatte es mit 5.286 registrierten Vorfällen einen | |
deutlichen Anstieg] gegeben. | |
Das gehe vor allem „auf verstärkte extrem rechte Aktivitäten sowie eine | |
Zunahme antisemitischer Bedrohungen zurück“, erklärte Jana Adam, die | |
Koordinatorin der Register. „Die extreme Rechte gewinnt Einfluss – durch | |
eine wiedererstarkte rechte Jugendkultur, die Normalisierung rassistischer | |
Rhetorik oder den Schulterschluss über antifeministische Ideologien.“ | |
Die Berliner Register sind ein Projekt zur Dokumentation extrem rechter und | |
diskriminierender Vorfälle in den Berliner Bezirken. Seit 2016 sind in | |
allen Berliner Bezirken Register eingerichtet. Die Berliner Register wollen | |
gegen Diskriminierung und Ausgrenzung vorgehen. Im Gegensatz zur | |
Kriminalitätsstatistik der Polizei beziehen die Register auch Vorfälle in | |
die Dokumentation ein, die keine Straftaten sind oder die nicht angezeigt | |
wurden. Dazu gehören Gewalttaten, Beleidigungen und Bedrohungen, | |
Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Veranstaltungen, Aufkleber, | |
Sprühereien oder diskriminierende Sprüche. | |
Fast zwei Drittel der registrierten Delikte, 4.972, waren allerdings | |
[2][sogenannte Propagandavorfälle], dazu zählen Plakate, Sprühereien und | |
Flyer. Die registrierten rassistischen Vorfälle haben von 1.459 auf 1.761 | |
scheinbar nur leicht zugenommen, die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus | |
höher liegen. Laut Bericht nimmt die Stimmungsmache gegen Geflüchtete | |
weiter zu, begleitet von einer Normalisierung rassistischer Vorurteile. | |
Auch die Zahlen im Bereich der LGBTIQ*-Feindlichkeit sind erneut | |
angestiegen. „Hass gegen queeres Leben bleibt weiterhin ein zentrales | |
Element und Bindeglied rechter und antifeministischer Mobilisierung“, sagt | |
Adam. | |
## Starker Anstieg bei extremen Rechten | |
Den stärksten Anstieg verzeichnen die Register mit 1.296 Vorfällen bei den | |
Aktivitäten der extremen Rechten gegen politische Gegner*innen. In den | |
Ostberliner Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und | |
Treptow-Köpenick [3][stiegen die extrem rechten Propagandafälle um mehrere | |
Hundert] an. Besonders rechtsextreme Gruppen wie Der III. Weg versuchten, | |
Nachwuchs zu rekrutieren. Die Gefahr sei, dass erfahrene Neonazikader hier | |
auf gewaltbereite Jugendliche treffen. „Eine Jugendkultur entsteht nicht im | |
luftleeren Raum, sondern ist in ein gesellschaftliches Gefüge eingebettet“, | |
sagt Adam. „Aber wir haben noch keine Verhältnisse wie in den 90er Jahren.“ | |
Positiv sei, dass die Zivilgesellschaft mehr hinschaue als früher. | |
Mit 2.200 als antisemitisch gemeldeten Vorfällen (28 Prozent) hat sich die | |
Zahl im Vergleich zum Vorjahr (2023: 1.113) fast verdoppelt. „Erstmals war | |
Antisemitismus 2024 mit 2.200 Vorfällen das häufigste Motiv der durch die | |
Berliner Register erfassten Vorfälle“, heißt es in dem Bericht. „Besonders | |
in den Innenstadtbezirken war Antisemitismus im Stadtbild allgegenwärtig, | |
so haben sich in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg die Vorfälle | |
verdoppelt.“ | |
Das wirft die Frage auf, [4][was die Berliner Register als antisemitisch | |
werten]. „Seit dem 7. Oktober 2023 gab es mehr antisemitische | |
Demonstrationen“, heißt es etwa aus Charlottenburg-Wilmersdorf. „Auch | |
Kritik an der Politik Israels muss möglich sein“, erklärt hingegen Jana | |
Adam gegenüber der taz. „Das Gleiche gilt auch für Demonstrationen, die | |
sich gegen das Unrecht an Palästinenser*innen stark machen. Wir | |
dokumentieren das nur dann, wenn explizit Aussagen fallen, die unter unsere | |
Antisemitismusdefinition fallen.“ Dafür verwenden die Meldestellen die | |
IHRA-Definition. Am 2. April 2025 etwa wurde ein Aufkleber mit der | |
Aufschrift „No Pride in Israeli Apartheid“ als antisemitisch gemeldet. | |
## Wachsendes Sicherheitsrisiko | |
„Rechtsextremismus ist nicht nur eine Gefahr für unsere Demokratie, sondern | |
ein wachsendes Sicherheitsrisiko“, erklärte Ario Mirzaie von Bündnis90/Die | |
Grünen. „Aus Worten werden immer häufiger Taten, auf die rechte | |
Propagandaflut folgt rechte Gewalt“, kommentiert er. Wie schon im Vorjahr | |
forderte er eine Gesamtstrategie gegen rechts. | |
Die Zahlen seien „nicht hinnehmbar“, finden auch Franziska Brychcy und | |
Maximilian Schirmer, die Landesvorsitzenden der Linken in Berlin. Sie | |
fordern zudem eine langfristige Finanzierung der Registerstellen, da sie | |
„Alltagsrassismus, strukturelle Diskriminierung und das ganze Ausmaß von | |
Hasskriminalität sichtbar“ machten. | |
3 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
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