| # taz.de -- Schwarz-rote Sondierungen: So einfach darf Merz nicht davonkommen | |
| > Investitionen sind dringend notwendig, aber die Finanzpläne von Union und | |
| > SPD sind der falsche Weg. Die Grünen sollten sie ablehnen. | |
| Bild: Saskia Esken, Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil nach der V… | |
| Berlin taz | Man darf an dieser Stelle kurz innehalten und sich freuen. | |
| Endlich! Nach Jahren des ideologisch motivierten Kaputtsparens, in denen | |
| das Vertrauen in den Staat sank und das Einzige, das noch wuchs, die | |
| Zustimmung für die AfD war, soll wieder investiert werden. Das Ganze soll | |
| mit Krediten finanziert werden. Und das Beste: Christian Lindner hat bei | |
| alldem nicht mehr mitzureden. | |
| Gerade mal zehn Tage sind die Bundestagswahlen her, schon haben sich die | |
| Sondierer von Union und SPD auf eine grundlegend andere Finanzpolitik | |
| geeinigt. [1][Die Schuldenbremse soll für Verteidigungsausgaben ausgesetzt | |
| werden,] die 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Für | |
| Investitionen in die Infrastruktur soll zusätzlich ein Sondervermögen von | |
| einer halben Billion Euro für zehn Jahre bereitgestellt werden. Das Tempo, | |
| aber auch der schiere Umfang zeigen, dass die Sondierer verstanden haben, | |
| wie grundlegend die Probleme sind. | |
| Aber so richtig das Ziel ist – die Vorschläge von Schwarz-Rot sind der | |
| falsche Weg, und die Grünen sollten sie im Bundestag ablehnen. | |
| [2][Zunächst einmal gibt es ein erhebliches demokratisches Problem.] | |
| Friedrich Merz und die Union waren nicht ehrlich. Sie haben im Wahlkampf so | |
| getan, als bräuchte es keine Reform der Schuldenbremse, als könnte man alle | |
| Versprechen finanzieren und auf magische Weise neues Wachstum entfachen. | |
| Nur ein paar Arbeitslose und Geflüchtete sollten dafür bluten. | |
| ## Der neue Bundestag muss entscheiden | |
| Man sollte die Union mit dieser Wahlkampflüge nicht davonkommen lassen. Vor | |
| allem nicht, weil sie nun mit dem Wahlergebnis unzufrieden ist und diese | |
| grundlegende Reform der Staatsfinanzen noch schnell mit den Mehrheiten des | |
| abgewählten Bundestags beschließen will. Das allerdings hätte sie schon vor | |
| langer Zeit tun können. Die Union hat sich stets dagegen entschieden, auch | |
| aus parteitaktischen Gründen. Die Rückkehr ins Kanzleramt war ihr | |
| wichtiger. | |
| Nun hat das Volk einen neuen Bundestag gewählt, die neuen Fraktionen haben | |
| sich bereits getroffen. Es ist nicht zu vermitteln, warum Abgeordnete, die | |
| 2021 und damit vor dem russischen Großangriff gewählt wurden, noch | |
| grundlegende Entscheidungen treffen sollen. | |
| Aber die Pläne von Schwarz-Rot sind nicht nur demokratisch fragwürdig, sie | |
| sind auch inhaltlich falsch. Warum sollen einzig und allein die | |
| Verteidigungsausgaben dauerhaft von der Schuldenbremse ausgenommen werden? | |
| Das ebenso geplante Sondervermögen Infrastruktur ist dagegen zeitlich | |
| begrenzt und gedeckelt. Auch wenn es aktuell vergessen wird: Die | |
| Klimakrise, die Bedrohung durch den Rechtsextremismus, der kaputte Staat, | |
| all das sind genauso unmittelbare Gefahren wie der Ukrainekrieg. Es gibt | |
| keinen vernünftigen Grund, warum es zukünftig nur für Aufrüstung keine | |
| Obergrenze geben soll. | |
| Es gäbe eine demokratisch saubere und politisch bessere Alternative. Statt | |
| immer neue Ausnahmen von der Regel zu beschließen, sollte der neue | |
| Bundestag die Schuldenbremse abschaffen. Dafür gäbe es eine Mehrheit. | |
| [3][Die Linke hat angekündigt, bereitzustehen.] Wenn die demokratischen | |
| Parteien die Schuldenbremse erst mal abgeschafft haben, könnte eine | |
| künftige schwarz-rote Koalition mit einfacher Mehrheit Investitionen | |
| beschließen, auch für die Bundeswehr. | |
| ## Grünes Dilemma | |
| Doch die Sondierer haben sich für einen anderen Weg entschieden. Dass die | |
| SPD bei diesem Manöver mitmacht, ist bitter genug. Nun kommt es auf die | |
| Grünen an, denn für eine Zweidrittelmehrheit braucht es ihre Stimmen. | |
| Man muss nicht nachtragend sein, um noch einmal darauf hinzuweisen: Die | |
| Union hat die Grünen und Robert Habeck jahrelang verunglimpft, als Leute, | |
| die keine Ahnung von „der Wirtschaft“ hätten, mit denen man niemals | |
| koalieren dürfe. Nur um nach der Wahl die Forderungen der Grünen zu | |
| kopieren und die Partei nun zur Zustimmung zu nötigen. Auch wenn die Grünen | |
| gern ihre andere Wange hinhalten, muss man sich nicht alles gefallen | |
| lassen. | |
| Die Partei ist in einem Dilemma: Sie hat im Wahlkampf selbst Investitionen | |
| versprochen. Lehnen die Grünen die Pläne von Union und SPD ab, werden diese | |
| ihnen vorwerfen, keine Verantwortung zu übernehmen, die Ukraine, die Nato | |
| und die Zukunft der Republik zu gefährden. | |
| Stimmen die Grünen dem Vorschlag aber zu, wird das die Schuldenbremse für | |
| die nächsten zehn Jahre zementieren. Das Möglichkeitsfenster, die Union zu | |
| einer Abschaffung oder echten Reform zu zwingen, würde sich schließen. SPD | |
| und Union haben zwar eine „Expertenkommission“ angekündigt, um eine Reform | |
| der Schuldenbremse zu prüfen. Aber man kennt ja das Schicksal solcher | |
| Kommissionen. | |
| Vermutlich werden die Grünen den Sondierern aber trotz allem letztlich | |
| geben, was ihnen andersherum verwehrt wurde: die finanzielle Grundlage, um | |
| gute Politik zu machen. Dabei haben sie bei der Wahl gerade erst erfahren, | |
| was es bringt, jahrelang das vermeintlich überparteiliche Staatswohl über | |
| die eigenen Überzeugungen zu stellen. Herzlich wenig. Ob sie in der | |
| Opposition schon schlauer geworden sind? | |
| 5 Mar 2025 | |
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| Kersten Augustin | |
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