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# taz.de -- Wendemanöver durch Merz: Fundamentale Änderungen der Schuldenbrem…
> Die kommende schwarz-rote Koalition einigte sich auf drei
> Grundgesetzänderungen zur Aufweichung der Schuldenregeln. Nächste Woche
> soll der Bundestag abstimmen.
Bild: Auch die Länder dürfen neue Schulden machen. Schuldenuhr Niedersachsen
Berlin taz | CDU/CSU und SPD haben sich im Rahmen ihrer
Sondierungsverhandlungen auf weitgehende Änderungen im
Haushaltsverfassungsrecht geeinigt. Schon in der nächsten Woche soll der
Bundestag (noch in alter Zusammensetzung) über drei Gesetzentwürfe für
Grundgesetzänderungen abstimmen.
Derzeit sieht die [1][Schuldenbremse für den Bund] vor, dass pro Jahr
grundsätzlich nur Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) möglich sind. Bei schlechter Konjunktur kann
die Summe erhöht werden. Außerdem kann die Schuldengrenze für Ausgaben in
Folge von plötzlichen Notlagen vom Bundestag ausgesetzt werden. Dies wurde
in der Coronapandemie und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine
genutzt. Für Verteidigungsausgaben wurde 2022 ein Bundeswehr-Sondervermögen
von 100 Milliarden Euro eingerichtet, das nicht auf die Schuldenbremse
angerechnet wird, aber bald aufgebraucht ist.
Laut schwarz-roter Einigung sollen künftig – erstens –
[2][Verteidigungsausgaben] nur noch bis zu einer Höhe von 1 Prozent des BIP
– das sind circa 45 Milliarden Euro – bei der Schuldenbremse eingerechnet
werden. Alle darüber liegenden Verteidigungsausgaben sollen in beliebiger
Höhe auf Kredit finanziert werden können. Es werde ausgegeben, „whatever it
takes“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung der Pläne, es
gebe „no limit“, sagte der CSU-Vorsitzende Markus Söder. „Alles, was die
Bundeswehr braucht, wird angeschafft“, so Söder. Anders als bisher
diskutiert soll im Grundgesetz also nicht das bisherige
Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro erhöht werden, denn ein
Sondervermögen wäre mit festen Obergrenzen verbunden.
Es soll aber – zweitens – ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen für
die Modernisierung der deutschen Infrastruktur geben. Dieses soll 500
Milliarden Euro umfassen und binnen zehn Jahren ausgegeben werden. Auch
dieses Sondervermögen wird nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Es
geht im Schnitt also um 50 Milliarden zusätzliche Schulden pro Jahr. Ein
Fünftel dieses Sondervermögens – also 100 Milliarden Euro – soll den
Bundesländern für ihre Infrastrukturausgaben zugutekommen. Der Begriff
Infrastruktur wird im Einigungspapier sehr weit definiert. Es fallen
darunter nicht nur Ausgaben für Straßen, Brücken und Schienenverkehr,
sondern auch für Krankenhäuser, Energieversorgung, Bildung, Wissenschaft,
Kinderbetreuung, Digitalisierung, Zivil- und Bevölkerungsschutz. Der
Begriff Klimaschutz taucht bisher nicht auf, allerdings können
Investitionen in Verkehrs- und Energie-Infrastruktur durchaus dem
Klimaschutz dienen.
## Schulden auch für die Länder
Nach der bisherigen Regelung der Schuldenbremse darf sich nur der Bund pro
Jahr bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des BIP neu verschulden, während
den Bundesländern gar keine Neuverschuldung erlaubt ist. Dies soll sich
ändern. Künftig sollen – drittens – auch die Länder bis zu 0,35 Prozent …
BIP neue Schulden eingehen dürfen. Das sind etwa 16 Milliarden Euro pro
Jahr. Diese neue Grenze gilt aber wohl nicht pro Bundesland, sondern für
alle Bundesländer zusammen. Wie die neuen Schuldenkontingente dann auf die
Länder verteilt werden, ist noch nicht bekannt.
Für diese drei Vorschläge muss jeweils das Grundgesetz geändert werden.
CDU/CSU und SPD wollen in der nächsten Woche entsprechende Anträge in den
Bundestag einbringen. Es soll also keinen gemeinsamen Antrag mit den Grünen
geben, obwohl die für die Zweidittelmehrheit im Bundestag gebraucht werden.
Theoretisch könnte zwar auch die FDP zur Zweidrittelmehrheit verhelfen. Das
ist aber unrealistisch, weil die FDP bisher jede Aufweichung der
Schuldenbremse abgelehnt hat.
Die Linke hat zwar eine Organklage dagegen angekündigt, dass der Bundestag
den Grundgesetzänderungen noch in alter Zusammensetzung zustimmen soll.
Eine Klage dürfte aber wenig Erfolgsaussichten haben, weil das Grundgesetz
klar regelt, dass der alte Bundestag so lange handlungsfähig ist, bis der
neu gewählte Bundestag zusammentritt. Dies ist frühestens nach der
Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses am 14. März möglich,
spätestens 30 Tage nach der Wahl, also am 25. März.
Erforderlich ist bei Grundgesetzänderungen auch eine Zweidrittelmehrheit im
Bundesrat. Diese ist hier auch nicht selbstverständlich, weil an sieben
Landesregierungen die Grünen beteiligt sind. An sieben Landesregierungen
sind zudem FDP, Linke, BSW oder Freie Wähler beteiligt. Viele Länder
dürften aber ein eigenes Interesse an den Grundgesetz-Änderungen haben,
weil sie ja auch am Sondervermögen Infrastruktur teilhaben sollen und weil
die Schuldenbremse für die Länder etwas gelockert werden soll.
Erst in der nächsten Wahlperiode will die neue Koalition [3][über eine
generelle Reform (nicht Abschaffung)] der Schuldenbremse sprechen. Die
Reform soll durch eine Sachverständigenkommission vorbereitet werden und
schon Ende 2025 abgeschlossen sein, versprach SPD-Chef Lars Klingbeil.
5 Mar 2025
## LINKS
[1] /Schwarz-rote-Sondierungen/!6073836
[2] /Neue-Milliardenkredite-fuer-Verteidigung/!6073833
[3] /Merz-stellt-Reform-in-Aussicht/!6049332
## AUTOREN
Christian Rath
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Schwarz-rote Koalition
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