# taz.de -- Wirtschaftsforscher über Investitionen: „Die Zinsen müssen kün… | |
> Die kommende Regierung hat ein Investitionsprogramm von einer Billion | |
> Euro beschlossen. Damit haben sie die Forderungen des Ökonomen Jens | |
> Südekum übertroffen. | |
Bild: Baustelle einer Brück ebei Lüdenscheid | |
taz: Von null auf eine Billion Euro. Bedeuten die Beschlüsse von Union und | |
SPD das Ende der Schuldenbremse? | |
Jens Südekum: [1][Die Regel im Grundgesetz soll nicht abgeschafft], sondern | |
massiv reformiert werden. | |
taz: Wenn die Bundeswehr unbegrenzte Mittel erhält, die 500 Milliarden Euro | |
überschreiten können – wird die Ukraine dann alle nötigen Waffen bekommen? | |
Südekum: Dazu sagt der Beschluss vom Dienstagabend nichts. Die finanziellen | |
Mittel wären jedoch vorhanden. | |
taz: Weitere 500 Milliarden Euro aus neuen Krediten sollen in Sanierung und | |
Neubau von Bahnstrecken, Brücken, Krankenhäusern, Schulen und weiterer | |
öffentlicher Infrastruktur fließen. Doch von Investitionen in | |
Klimaneutralität ist wenig die Rede. | |
Südekum: Ein Schwerpunkt des Investitionsprogramms wird die Bahn sein. In | |
der Folge dürfte der Ausstoß von Kohlendioxid sinken. Öffentliche Gebäude | |
werden hoffentlich gedämmt und mit ökologischen Heizungen ausgestattet. Und | |
wenn auf besseren Autobahnen mehr Elektroautos fahren, ist auch das eine | |
gute Sache. | |
taz: Müssen die hohen zusätzlichen Schulden später von den jetzt jungen | |
Leuten beglichen werden? | |
Südekum: [2][Nein. Staatliche Schulden werden in der Regel nicht | |
zurückgezahlt, sondern immer in die Zukunft weitergereicht]. Wenn die | |
Bundesfinanzagentur eine Anleihe abträgt, tut sie das, indem sie eine neue | |
ausgibt. Der entscheidende Punkt ist ein anderer: Wie hoch sind die Zinsen, | |
die der Staat aus seinen laufenden Einnahmen finanzieren muss, und wie | |
schnell wachsen die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen? Mit dem | |
jetzigen Paket dürfte das Wachstum spürbar anziehen, das zeigen bereits | |
erste Studien. Deshalb müssen die Zinsen künftige Generationen keineswegs | |
überfordern. | |
taz: Im Vergleich zu anderen großen Wirtschaftsnationen hat Deutschland | |
noch eine relativ geringe Staatsschuldenquote von 64 Prozent. So gesehen | |
existiert jetzt ein Spielraum. Aber irgendwann müssen wir doch wieder auf | |
die Bremse treten? | |
Südekum: Man darf es natürlich nicht übertreiben. Ein Investitionsprogramm | |
in der Größenordnung von 1.000 Milliarden Euro bringt die deutsche | |
Staatsverschuldung nicht in einen gefährlichen Bereich. Erst mal wird die | |
Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zwar steigen, | |
vielleicht in die Größenordnung von 70 Prozent. Aber in einigen Jahren geht | |
sie auch wieder zurück, weil das Bruttoinlandsprodukt durch den Impuls | |
deutlich wächst. | |
taz: Kann die staatliche Verwaltung so viel Geld überhaupt sinnvoll | |
ausgeben? | |
Südekum: Damit das gelingt, müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren | |
schneller werden. In Düsseldorf ist zum Beispiel eine Rheinbrücke für den | |
Autoverkehr gesperrt. Die Sanierung soll bis 2040 dauern. Das liegt an der | |
komplizierten Verwaltung, ihren strengen Kriterien und zahlreichen | |
Beteiligten. Da müssen wir aufräumen. Drei oder fünf Jahre für einen | |
Brückenbau sollten reichen. Dass das möglich ist, zeigt die Beschleunigung | |
beim Bau von Windrädern und Energienetzen. | |
taz: Durch die großen öffentlichen Summen wird die Nachfrage stark | |
zunehmen. Treibt das die Preise und erhöht die Lebenshaltungskosten für die | |
Privathaushalte? | |
Südekum: [3][Nicht unbedingt. Weil das Investitionsprogramm auf zehn Jahre | |
angelegt ist], haben die Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit. Das | |
heißt, sie können ihre Produktionskapazitäten ausbauen. Also wächst nicht | |
nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot. Das dämpft die Inflation. | |
taz: Zusammen mit drei Ökonomenkollegen hatten Sie vorgeschlagen, 900 | |
Milliarden Euro zusätzlich für Verteidigung und Infrastruktur zur Verfügung | |
zu stellen. Waren Sie erstaunt, dass die KoalitionsverhandlerInnen noch | |
darüber hinaus gingen? | |
Südekum: Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir nahmen an, dass es auf einen | |
Kompromiss mit geringeren Summen hinausläuft. Jetzt ist das Ergebnis jedoch | |
viel besser: Die unbeschränkten Verteidigungsausgaben senden das richtige | |
Signal an Wladimir Putin. | |
6 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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