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# taz.de -- Kampf gegen hohe Mieten: Ist das Wucher oder was?
> Die Zukunft der Mietpreisbremse ist ungewiss. Aber es gibt zwei andere
> Gesetze, mit denen Vermieter für zu hohe Mieten bestraft werden können.
Bild: Frankfurt macht vor, wie Mieten auch mit den bestehenden Gesetzen regulie…
Wer sein Auto ins Halteverbot stellt, muss mit einem Bußgeld rechnen.
Mitarbeiter*innen vom Ordnungsamt ziehen durch die Straßen, um
Knöllchen zu verteilen. Die [1][Bundestagsabgeordnete Caren Lay] findet,
bei Wohnungen müsste das genauso sein. „Wer zu teuer vermietet, sollte auch
mit einem Bußgeld rechnen“, sagt die wohnungspolitische Sprecherin der
Linken der taz.
Vor drei Wochen startete die Linkspartei [2][einen Mietwucher-Check] für
vier Städte: Berlin, Leipzig, Freiburg und Hamburg. Wer einige Angaben zu
Wohnort, Miethöhe, Baujahr des Hauses und Ausstattung macht, kann mit ein
paar Klicks herausfinden, ob die Miete womöglich überhöht ist. Das
Besondere ist: Bei Verdacht auf Überhöhung kann man auf Wunsch eine Meldung
an das zuständige Wohnungsamt abschicken. Das Amt ermittelt dann, die
Mieter*innen müssen nicht selbst die Konfrontation suchen.
Die erste Bilanz kann sich sehen lassen. Fast 15.000 Mal wurde der Rechner
benutzt. 633 Meldungen wurden laut Linkspartei an die zuständigen
Wohnungsämter geschickt. Besonders häufig genutzt wurde der Rechner in
Berlin (6.393), gefolgt von Hamburg (4.061), Leipzig (2.441) und Freiburg
(1.653).
Die Linke gibt mit dem Mietwuchercheck nicht nur praktische Hilfe, sie
macht auch auf ein bekanntes Problem aufmerksam – das angesichts der
unklaren Zukunft der Mietpreisbremse an Bedeutung gewinnt. Diese läuft Ende
2025 aus und es ist unklar, ob [3][die Union ein Interesse hat, sie zu
verlängern.]
## Vermieter ins Gefängnis?
Aber es gibt zwei weitere Gesetze, die sich mit zu hohen Mieten
beschäftigen. Nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes handelt
ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von
Räumen zum Wohnen […] unangemessen hohe Entgelte fordert“. Das ist in der
Regel der Fall, wenn eine verlangte Miete um 20 Prozent teurer ist als eine
ortsübliche Vergleichsmiete und der Vermietende das geringe Angebot
vergleichbarer Wohnungen ausnutzt. Für diese Ordnungswidrigkeit drohen
Bußgelder bis zu 50.000 Euro.
Wenn eine Miete sogar 50 Prozent höher liegt und eine Zwangslage bewusst
ausgenutzt wird, ist das nach Paragraf 291 des Strafgesetzbuches Wucher.
Diese Straftat kann neben Geldstrafen auch mit Haftstrafen von bis zu drei
Jahren sanktioniert werden. Umgangssprachlich wird in beiden Fällen von
Mietwucher gesprochen, auch wenn das aus juristischer Sicht nicht korrekt
ist. Fest steht: Für Vermieter*innen könnte es bei überhöhten Mieten
teuer werden – in der Theorie.
In der Praxis kommen beide Paragrafen kaum zur Anwendung. In Berlin gab es
laut Staatsanwaltschaft im Jahr 2023 wegen Wucher (Paragraf 291 des
Strafgesetzbuch) nur fünf Verfahren, die zu einer Anklage oder einem
Strafbefehl führten. Und diese fünf Verfahren betreffen alle Arten von
Wucher, zum Beispiel auch Kreditwucher. Mietwucher wird nicht eigenständig
erfasst.
Auch Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zieht nur selten Konsequenzen
nach sich. In Hamburg gab es 2024 bis einschließlich Oktober nur drei
Anzeigen wegen Mietpreisüberhöhung, teilte die Behörde für Stadtentwicklung
und Wohnen der taz mit. In Berlin wurden von Anfang Juni bis Ende Oktober
2024 nur 35 Anzeigen erfasst. Bis Mitte November stieg die Zahl sprunghaft
auf 123 Fälle an – was vermutlich auf den Mietwucherrechner der Linken
zurückgeht. In keinem Bezirk wurde bislang ein Bußgeldverfahren
eingeleitet, teilte die Senatsverwaltung der taz mit.
Doch nicht in allen Städten ist die Bilanz so schlecht. Die Stadt Frankfurt
am Main mache „schon seit Langem vor, wie man auch bei der jetzigen
Rechtsgrundlage gegen Mietwucher vorgehen kann“, sagt Caren Lay.
## Vorbild Frankfurt
Laut Daniela Hirchenhain, Mitarbeiterin des Wohnungsamts Frankfurt und
zuständig für Mietpreisüberhöhung, gingen im Jahr 2023 bei der Stadt 212
Hinweise auf Mietpreisüberhöhung ein. Also deutlich mehr als in den
Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Konkret sieht das Vorgehen der Stadt so
aus. Mieter*innen können dem Amt per Post, telefonisch oder über ein
Onlineformular ihren Verdacht auf eine überteuerte Miete mitteilen. Dafür
müssen sie einige Angaben machen, zu Größe, Lage, Miethöhe, Ausstattung und
Baujahr des Hauses.
Die Mitarbeiter*innen des Wohnungsamtes prüfen dann die Angaben und
gleichen sie mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ab. „Bestätigt sich der
Anfangsverdacht, dann ermitteln wir“, erklärt Hirchenhain. Zunächst erfolge
ein Besuch bei den Mieter*innen, dann werde der Vermietende kontaktiert.
„Wir informieren diese über die Gesetzeslage und versuchen eine Reduzierung
der Miete und Rückzahlungen zu vereinbaren“, sagt Hirchenhain. „Von der
kleinen Tante Emma über Vielfacheigentümer und den privaten Wohnungskonzern
ist alles dabei“, sagt sie. Bußgelder seien aber nicht zwingend.
Im vergangenen Jahr wurden 13 Bußgelder verhängt. In 21 Fällen gab es
gütliche Einigungen, bei allen wurde die Miete nicht nur abgesenkt, sondern
der Mehrbetrag auch rückerstattet. In einem Fall wurde zum Beispiel die
Miete einer 3-Zimmer-Wohnung um 196 Euro monatlich reduziert und 10.000
Euro zurückgezahlt, berichtet Hirchenhain. Auf ein Bußgeld wurde
verzichtet, weil der Vermieter sich sofort einsichtig zeigte.
Kommt es zu keiner Einigung, bleibt der Gerichtsweg – und das gestaltet
sich schwieriger. Der Knackpunkt sei, einem Vermieter nachzuweisen, „dass
er ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen bewusst ausgenutzt
hat“, erklärt Hirchenhain. Mieter*innen müssen dann detailliert
darlegen, wie viele Wohnungen sie angeschaut haben, welche Rolle der
Mietpreis spielte, ob sie andere Optionen hatten. „Sie müssen im Prinzip
nachweisen, dass sie keine andere Ausweichmöglichkeit hatten. Im Gegensatz
dazu müssen Vermietende weniger darstellen, wie sie zu ihrer
Mietpreisgestaltung gekommen sind“, kritisiert Hirchenhain. 2023 und 2024
landeten nur zwei Fälle vor Gericht.
## Bei der FDP versandet
Diese schwierige Ausgangslage geht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs
aus dem Jahr 2004 zurück, das die Anforderungen hochschraubte. Seither sei
der Paragraf weitgehend wirkungslos geworden, beklagen
Mieterschützer*innen. Seit Längerem wird deshalb eine [4][Reform des
Paragrafen 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes] diskutiert. Im Februar 2022
hatte der [5][Bundesrat eine erfolgreiche Gesetzesinitiative] auf den Weg
gebracht, um den Paragrafen zu reformieren. Das Bußgeld sollte verdoppelt
und die juristische Anwendung vereinfacht werden.
Doch der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sah keinen
Handlungsbedarf, das Vorhaben versandete. „Die Bundesratsinitiative zu
Wuchermieten hätte eine parlamentarische Mehrheit finden können. Aber sie
wurde nie auf die Tagesordnung gesetzt“, kritisiert Caren Lay. Die Linke
hat für Donnerstag eine mietenpolitische Debatte im Bundestag beantragt, um
auf die Bekämpfung von Mietwucher und ein sozialeres Mietrecht aufmerksam
zu machen.
4 Dec 2024
## LINKS
[1] /Linkenpolitikerin-uebers-Wohnen/!5880216
[2] https://www.mietwucher.app/de
[3] /Folgen-des-Ampel-Aus-fuer-die-Miete/!6047777
[4] /Gutachten-zu-ueberhoehten-Mieten/!6007594
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/20/012/2001239.pdf
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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