# taz.de -- Mehr Zugverkehr wagen: Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschland… | |
> Unser*e Kolumnist*in fordert eine Ausweitung des Deutschlandtickets. | |
> Das sei machbar, es brauche nur genügend politischen Willen. | |
Bild: Fernreisen: Wenn die Grenzen zwischen Stadt und Land, zwischen Region und… | |
Erinnert ihr euch noch an das Sommermärchen? Nein, nicht als WM in | |
Deutschland war, sondern viel besser, als es 2022 plötzlich das | |
9-Euro-Ticket gab. Der Duft verkehrspolitischer Revolution lag in der Luft. | |
Auf einmal schien alles möglich! Auf den Bahnsteigen zumindest. In den | |
Zügen wurde es heißer und stickiger, denn das ganze Land fuhr nach Sylt. | |
Heute fahre ich immer noch viel Zug, sogar mehr als damals. Jede Woche | |
einmal nach Berlin und zurück, mindestens. Statt [1][Deutschlandticket] | |
bringt mich die Bahncard 100 durchs Land. Und während ich im Bordbistro | |
sitze und darüber nachdenke, wie lange ich das noch durchhalten kann mit | |
dem ständigen Pendeln zwischen Rheinhessen und der Stadt mit dem Bär, fühlt | |
sich Deutschland plötzlich kleiner an. | |
Ich hab das Wort Fernreise fast vollständig aus meinem Kopf gestrichen. | |
Deutschland fühlt sich an wie eine große Metropolregion. Ein Geburtstag in | |
München? Klar komme ich vorbei. Ein Besuch in Hamburg? Ich brauche nur | |
einen Schlafplatz. Die Grenzen zwischen Stadt und Land, zwischen Region und | |
Metropole werden kleiner. Und dieses 9-Euro-Ticketgefühl ist wieder da. | |
Der Flattarif hat das Land verbundener gemacht. Das Deutschlandticket hat | |
das grundsätzlich weitergeführt. Aber jetzt steht all das wieder auf dem | |
Spiel. Politiker verklären die Mobilitätsflatrate im Nahverkehr zum | |
Luxusgut. Womöglich fällt das Ticket bald einer neuen Sparpolitik zum | |
Opfer. Und gleichzeitig beklagen dieselben Politiker eine Spaltung zwischen | |
Stadt und Land. Kreuzberg ist nicht Deutschland, geiferte [2][Friedrich | |
Merz] vor knapp einem Jahr. Mich schmerzt das, weil sich Deutschland für | |
mich mittlerweile so klein anfühlt. Ich stehe morgens in Rheinhessen auf, | |
fahre nach Berlin und verbringe dort meinen Tag. Klar, normal ist das | |
nicht. Aber andererseits: Sollte das nicht Normalität werden? | |
## Disruption funktioniert am Ende manchmal doch | |
Die BahnCard 100 kostet mich aktuell 300 Euro im Monat – und das nur, weil | |
ich unter 27 bin. Das lohnt sich nur, wenn man es exzessiv nutzt. Aber weil | |
alle diese Möglichkeit haben sollen, fordere ich: Holt den [3][Fernverkehr] | |
ins Deutschlandticket! Es würde uns alle mehr verbinden. Nicht ständig zu | |
fahren, sondern ständig überall hinfahren zu können, ist das, was uns | |
zusammenbringt, was Freiheit bedeutet. | |
Man könnte jetzt mit den Zähnen knirschen und sagen: Das wird niemals | |
gehen! Unrealistisch! Wer das entgegnet, den möchte ich gerne mit auf eine | |
Reise in die Vergangenheit mitnehmen. Von 2019 bis 2024 saß ich im | |
Aufsichtsrat der Mainzer Verkehrsgesellschaft. Ich habe die Debatten über | |
Veränderungen im Nahverkehr und überhaupt die Verhandlungsposition eines | |
Verkehrsverbundes live mitbekommen. Hätte ich damals dort vorgeschlagen, | |
man könnte sich doch mal für einen bundeseinheitlichen Tarif im Nahverkehr | |
für 49 Euro einsetzen, hätte man mich brüllend ausgelacht. Aber die | |
Realität zeigt, Disruption funktioniert am Ende manchmal doch. | |
Und die Kosten? Der Gesamtumsatz der Deutschen Bahn im Fernverkehr beläuft | |
sich im Jahr auf rund 5 Milliarden Euro. Das ist also die Benchmark, die | |
wir finanzieren müssen. Dagegen werden fossil betriebene Dienstwagen | |
jährlich mit 13 Milliarden Euro subventioniert. Die Integration des | |
Fernverkehrs in einen 49-Euro-Tarif wäre mit genügend politischem Willen | |
also machbar. Und die Zeiten, in denen sich der Bahnbetrieb durch | |
Ticketpreise finanzieren soll, müssen doch sowieso Geschichte werden. Hate | |
me, aber you will love it. | |
15 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Elya Maurice Conrad | |
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