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# taz.de -- AfD blockiert Landtag in Thüringen: Ein Tiefpunkt im politischen U…
> Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags ist dank der AfD eine
> Farce. Rufe nach einem Verbotsverfahren werden laut.
Bild: Alterspräsident des Thüringer Landtags Jürgen Treutler (AfD)
Erfurt taz | Am Anfang seiner Rede als Alterspräsident im Thüringer Landtag
sagte Jürgen Treutler (AfD) mit Blick auf die hohe Wahlbeteiligung: „Von
einer Krise der Demokratie kann insoweit gar keine Rede sein.“ Dann nahm er
einen großen Schluck Wasser und setzte die konstituierende Sitzung fort,
die zu einer [1][Zäsur der Politik in Thüringen] werden sollte.
Es hatte sich angebahnt, dass diese ersten Sitzungen des Landtags keine
Formsache werden würden. Für gewöhnlich konstituiert sich das Parlament mit
dem Zusammentreten der neugewählten Abgeordneten, dann stimmen sie darüber
ab, wer als Landtagspräsident:in zukünftig die Geschäfte leiten soll.
Doch dazu kam es am vergangenen Donnerstag gar nicht. Über vier Stunden und
mit sechs Unterbrechungen stritten die Abgeordneten vor allem über
Geschäftsordnungsanträge und das Verhalten des Alterspräsidenten Jürgen
Treutler.
Der eigentliche Konflikt geriet dabei fast in den Hintergrund. Die AfD
beanspruchte für sich das Recht, dass der:die Landtagspräsident:in
aus ihren Reihen kommen müsste, weil sie die größte Fraktion stellt. So
stehe es in der Geschäftsordnung. Die anderen Parteien im Parlament
interpretierten die Regeln des Landtags anders. Und um die Unklarheiten
auszuräumen, wollten sie die [2][Geschäftsordnung vor der Wahl ändern].
Genau das versuchte Jürgen Treutler offenbar in der ersten Sitzung zu
verhindern. Dabei bekam er immer wieder Rückendeckung durch seine
Fraktionsmitglieder. Der parlamentarische Geschäftsführer Torben Braga ging
immer wieder zu Treutler, um mit ihm am Sitzungstisch in die Papiere zu
schauen. Auf der anderen Seite des Plenarsaals steckten die führenden
Mitglieder der übrigen Fraktionen ihre Köpfe zusammen. Die AfD hat durch
ihr Agieren vor allem eins geschafft: Die anderen im Parlament sind
zusammengerückt.
## „Wir Demokratinnen und Demokraten müssen uns wehren“
Janine Merz, die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, antwortete
etwa auf taz-Anfrage: Der Tag habe gezeigt, „dass sich die demokratischen
Parteien nicht von einer radikalen Minderheit in Geiselhaft nehmen lassen.“
Ähnlich sagte der CDU-Geschäftsführer Andreas Bühl: „Wir haben alle gut
zusammengestanden, um die Verfassung und die demokratischen Prinzipien zu
verteidigen.“ Der Tag sei aber nicht unbedingt als Blaupause für die
restliche Legislatur zu sehen.
Aber wenn die Geschäftsordnung vorsieht, dass die AfD als stärkste Fraktion
die:den Landtagspräsident:in stellt, sollte sie das dann nicht auch
dürfen? Warum muss man die Regeln so kurzfristig ändern? Es gehe um den
Schutz parlamentarischer Verfahren, weil die AfD keine Partei sei wie jede
andere, erklärt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Christian Schaft. Sie
missachte die Verfassung und versuche, demokratische Abläufe zu blockieren.
„Die Mütter und Väter der Verfassung und Geschäftsordnung haben sich
sicherlich nicht träumen lassen, wie versucht wird, die Demokratie
auszuhöhlen“, sagt er.
Die Fraktionsvorsitzende des [3][BSW in Thüringen], Katja Wolf, zeigte sich
nach der Sitzung vor allem geschockt: „Der heutige Tag markiert einen neuen
Tiefpunkt des politischen Umgangs.“ Der Alterspräsident habe das freie
Mandat beschnitten, das sei „bisher in dieser Form undenkbar in einem
deutschen Parlament“ gewesen.
Der Erfurter Professor für politische Theorie, André Brodocz, kommentierte
im Deutschlandfunk: „Die AfD hat auf eine zutiefst beispiellose Art und
Weise die Prinzipien unserer parlamentarischen Demokratie missachtet“.
In der Folge wurden auch wieder Stimmen nach einem
[4][AfD-Verbotsverfahren] laut. Der Auftritt dort „folgte ein weiteres Mal
dem Drehbuch der Verächtlichmachung der Parlamentarischen Demokratie und
ihrer Institutionen“, sagte etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete [5][Marco
Wanderwitz am Freitag der taz].
„Es bedarf dringend eines Verbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht,
wie es das Grundgesetz in Artikel 21 vorsieht“, sagt Wanderwitz. Seit
Monaten tritt er öffentlich für ein AfD-Verbotsverfahren ein. Mit
Unterstützer:innen im Bundestag will er einen entsprechenden Antrag
einbringen. Dafür bräuchte es 37 Abgeordnete. „Die haben wir zusammen“,
hatte Wanderwitz der taz bereits im Juni gesagt. Nun seien sie „auf der
Zielgeraden“, erklärte Wanderwitz am Freitag. „Wir Demokratinnen und
Demokraten müssen uns wehren.“
Ob Jürgen Treutler die Rechte der Fraktionen, einzelner Abgeordneter und
des Parlaments verletzt hat, das entscheidet am Freitag der Thüringer
Verfassungsgerichtshof in Weimar. Zum Redaktionsschluss lag die
Entscheidung noch nicht vor. Die CDU hatte am Donnerstag einen
entsprechenden Antrag eingereicht und damit das erste Zusammentreffen des
Landtags nach vier Stunden unterbrochen.
27 Sep 2024
## LINKS
[1] /Eklat-im-Thueringer-Landtag/!6039283
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[3] /BSW-Wahlkampf-in-Thueringen/!6029511
[4] /Debatte-um-AfD-Verbot/!6014550
[5] /Forderung-nach-AfD-Verbot/!6039276
## AUTOREN
David Muschenich
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