| # taz.de -- Beobachtungen aus dem kroatischen Mljet: Wo Spitzensportler Roller … | |
| > Unsere Kolumnistin macht Urlaub auf einer kroatischen Insel. Statt | |
| > reichen Leuten begegnet sie einer Spitzensportlerin und genießt | |
| > unberührte Orte. | |
| Bild: Pomena auf der kroatischen Mittelmeerinsel Mljet | |
| Wie viele Boote in den Häfen von Mljet liegen, kann ich nicht zählen, so | |
| viele sind es. Private Katamarane, Mietschiffe mit Crew, gigantische | |
| Millionärsyachten in den abgelegeneren Buchten. Perverser Reichtum, der | |
| meinen Blick anzieht wie ein Unfall. Wie sehen sie wohl aus, die Reichen? | |
| Ich erspähe die Polohemdenfraktion mit gebügelten Kinderchen, alte | |
| Möchtegernpaten, den Die-Geissens-Frauentyp – aber die Mehrheit, stelle ich | |
| enttäuscht fest, sieht nach gar nichts aus. Ich hatte gehofft, etwas zu | |
| erkennen, einen Hinweis, eine Andersartigkeit, aber finde vor allem banalen | |
| Durchschnitt. Die kroatische Ferieninsel Mljet ist nicht Monte Carlo oder | |
| Ibiza, aber offenbar ein Magnet für die niedere Mittelmeerschickeria. | |
| Kristallklares Badewasser, süße Dörfer ohne Hotelkomplexe, fast unberührte | |
| Kiefernwälder: Wer würde hier nicht anlegen? Der Hafenort Pomena lässt | |
| einen das spüren. | |
| Ich hatte von Mljet keine Vorstellung und keine Erwartung. Mir war meine | |
| Elterngeneration fremd, die Urlaubsorte mit dem Baedeker-Reiseführer | |
| auswählte und dann fleißig die Empfehlungen abarbeitete, eine Reise wie ein | |
| Kühlschrankkauf. Ich mag Reisen an Zufallsorte, über Mljet reichte das | |
| Wissen um einen bezahlbaren Zeltplatz. Im Informationszeitalter frei von | |
| Information, jede Reise eine Überraschung. Und manchmal landet man | |
| irgendwo, wo man nicht sein sollte. | |
| Die Servicekraft am Scooter- und Radverleih wirkt hier ähnlich fremd. Sie | |
| ist Sportstudentin aus Zagreb und macht das als Ferienjob. Klar, die | |
| 12-Stunden-Schichten seien gewöhnungsbedürftig, aber die Insel sei chillig | |
| und „ich überarbeite mich nicht“. | |
| Erst spät erfahre ich beiläufig, was sie sonst noch so macht: | |
| Spitzenathletin im Karate sei sie, EM-Dritte, WM-Fünfte, | |
| Junioren-Weltmeisterin, erzählt sie stolz. Wäre Karate olympisch, wäre sie | |
| wohl gerade in Paris mit dabei. Ich frage, was sie verdient. „So 700 Euro | |
| im Monat, aber als Studentin ist das ganz cool.“ Es sei gut, das Leben | |
| nicht nur auf Medaillen auszurichten. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen. | |
| Und doch: Was für eine Welt, denke ich. Eine unerkannte | |
| Weltklassesportlerin verleiht hier Motorroller an Yachtbesitzer:innen. | |
| Bilder aus Pomena. | |
| Mit dem geliehenen Scooter geht es schnell weg, auf die Insel. Und | |
| plötzlich ist es ruhig. Die Straße schlängelt sich über majestätische | |
| Höhen, durch urtümliche Wälder und vorbei an Seen in abgrundtiefen Senken. | |
| Man kann minutenlang fahren, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Wieder | |
| überrascht Mljet. Den Reichen gehört hier nur das Meer. Die Insel gehört | |
| sich selbst. | |
| 7 Aug 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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