# taz.de -- Toxische Männlichkeit: Reden Frauen zu oft über Männer? | |
> Frauen sprechen untereinander sehr viel über Männer und ihr toxisches | |
> Verhalten. Unsere Autorin ist davon genervt – aber findet es auch | |
> wichtig. | |
Bild: Begrenzte Redezeit für Männerthemen | |
Vor ein paar Monaten, ich sitze mit einer Freundin im Café. Wir sprechen | |
über alles Mögliche, vor allem über Männer. Sie erzählt von dem Typen, der | |
ihre Freundin am Vorabend auf dem Nachhauseweg verfolgt hat. Ich erzähle | |
von meinem Kollegen, der monatelang mit mir geflirtet hatte und mir auf | |
meine Frage nach seinem Beziehungsstatus nicht nur keine Antwort gab, | |
sondern auch erklärte, dass es gar keinen Flirt gegeben habe und ich mal | |
mit meinen Hoffnungen haushalten solle. | |
Danach handeln wir Freunde ab, die die [1][„Aber nicht alle Männer“]-Keule | |
schwingen und Ex-Freunde, die einen therapiereif gemacht haben. Sicher eine | |
Stunde lang geht das so. | |
Nachdem wir uns verabschiedet haben, bin ich genervt. Schon wieder | |
Lebenszeit an Männer verloren – ohne dass einer von ihnen überhaupt am | |
Tisch saß. Fast jedes Gespräch mit meinen Freundinnen wird früher oder | |
später zur Wutdebatte über [2][toxische Männlichkeit]. Schnell wird daraus | |
ein feministischer Krisengipfel. Anders als in der Politik, wo nach Gipfeln | |
im besten Fall Beschlüsse, Maßnahmen und Veränderung folgen, sind die | |
Männer, über die wir uns aufregen, danach immer noch die gleichen. Das | |
Patriarchat pfeift auf unsere Resolutionen am Cafétisch. | |
Manchmal stelle ich mir vor, dass die Männer, um die es in unseren | |
Gesprächen geht, wie bei der MTV-Dating-Show „Room Raiders“ in einem | |
Lieferwagen sitzen und uns beobachten, wir wir uns mit dramatischen Gesten | |
und tiefen Zornesfalten echauffieren. Ich stelle mir vor, wie sie sich | |
lustig machen über uns, die unabhängig von ihnen sein wollen und ihnen dann | |
einen halben Nachmittag widmen. Wie viel Macht, frage ich mich, haben | |
Männer über uns, wenn sich ein Großteil unserer Aufmerksamkeit um sie | |
kreist? Und wie gesund ist das? | |
## Politisch-gesellschaftlich relevantes Lästern | |
Was wir machen, ist ja nichts anderes als politisch-gesellschaftlich | |
relevantes Lästern. Lästern kann befreiend sein, aber als | |
Dauerbeschäftigung, sagt die Wissenschaft, wird es ungesund. Dann wird aus | |
der Seelenreinigung Stress. Mit physischen Folgen: Der Blutdruck steigt, | |
die Muskeln spannen sich an, Hormone und Nerven bringen den Körper in den | |
Kampfmodus. Blöd nur, dass ich nach unseren feministischen Diskursen nicht | |
in den Boxring steige, sondern auf mein Fahrrad. Der Ärger radelt mit und | |
mit ihm der Ärger über den Ärger. | |
Aber natürlich sind da auch andere Gefühle. Wenn ich an meiner | |
Zurechnungsfähigkeit zweifle, weil ich mir den Flirt mit meinem Kollegen | |
offenbar nur eingebildet habe, oder wenn ich denke, meine Hose war | |
vielleicht zu kurz, als mir in der Straßenbahn [3][in den Schritt | |
gegriffen] wurde, weiß ich spätestens nach dem nächsten Krisengipfel: Nein! | |
Dabei erfahre ich nicht nur Zuspruch, sondern auch Solidarität. Denn fast | |
immer hat mindestens eine aus der Runde [4][den gleichen Scheiß in Grün] | |
erlebt. | |
In gesundem Maße, das sagen Experten auch, schafft Lästern Verbundenheit, | |
Vertrauen und auch eine Art von Schutz. Schließlich spricht man dabei eine | |
Warnung vor problematischen – in unserem Fall männlichen – Mitmenschen aus. | |
So gesehen: Entziehen wir Männern vielleicht sogar ein Stück ihrer Macht, | |
wenn wir uns über sie aufregen? | |
Vielleicht gilt es bei diesem Thema den guten alten Mittelweg | |
einzuschlagen, um eine Balance zu finden zwischen Daueraufregung und | |
Verdrängung, Kritisieren und Ignorieren. Vielleicht mit einer Eieruhr, die | |
ich beim nächsten Krisengipfel auf den Tisch stelle. Dann bekommt jede ein | |
paar Minuten für ihre Mackermomente der Woche und es bleibt noch Zeit für | |
andere, erbaulichere Themen. | |
11 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Laura Catoni | |
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