| # taz.de -- Terrorgefahr in Wien: Swifties trauern und singen | |
| > Nachdem die Konzerte ihres Idols abgesagt werden mussten, singen – und | |
| > trauern – Taylor-Swift-Fans gemeinsam auf den Straßen Wiens. | |
| Bild: Die Swifties lassen sich ihre Zuversicht nicht nehmen | |
| Den Moment voll auskosten – „take the moment and taste it“, so, wie Taylor | |
| Swift es in ihrem Song „You’re on Your Own, Kid“ beschreibt –, genau das | |
| hatten sich [1][Zehntausende Swifties] für die drei Konzerte der | |
| US-Künstlerin in Österreichs Hauptstadt vorgenommen. Am 8., 9. und 10. | |
| August sollten sie stattfinden. | |
| Farbenfrohe Outfits wurden gebastelt, Freundschaftsarmbänder aufgefädelt | |
| und die dazugehörigen Freundschaften gleich mit geschlossen. Über ein Jahr | |
| lang warteten die teuer gekauften Tickets auf den Smartphones darauf, den | |
| Fans in Wien endlich Zugang zu Taylors Wunderland zu gewähren. Und sogar | |
| aus Australien oder den USA reisten Swifties an. | |
| Doch am Mittwochabend wurden die drei Konzerte der „Eras“-Tour im Wiener | |
| Ernst-Happel-Stadion abgesagt. Der Grund: [2][Pläne zu einem wohl | |
| islamistisch motivierten Terroranschlag] wurden bekannt, mindestens ein | |
| Tatverdächtiger verhaftet; die Untersuchungen laufen noch. | |
| Wohin nun mit den Freundschaftsbändchen? Am Abend der Absage hieß es für | |
| die Swifties erst mal: Jetzt bloß nicht übereilt an öffentliche Plätze | |
| strömen, ehe die österreichischen Behörden mehr zur Gefahrenlage bekannt | |
| geben – und auf keinen Fall Panik verbreiten. So wurde das auch in | |
| Fangruppen kommuniziert. | |
| Am Donnerstag, dem Tag des ersten geplanten Konzerts, verwandelte sich Wien | |
| schließlich in einen Schauplatz kollektiver Trauerbewältigung. In der | |
| Innenstadt versammelten sich Hunderte Swifties, um gemeinsam die Hits ihres | |
| Idols zu singen – und auch, um ein Signal zu senden. „Es fühlt sich an wie | |
| Liebeskummer, aber wir lassen uns nicht unterkriegen“, sagte eine junge | |
| Frau. | |
| Auch die Corneliusgasse im 6. Bezirk – ausgewählt wegen der Ähnlichkeit zur | |
| von Taylor besungenen „Cornelia Street“ – wurde zur Trauerzone. Swifties | |
| hängten ihre geknüpften Armbänder an einen Baum, der zum offiziellen | |
| Tauschbaum deklariert wurde. Sie umarmten sich, weinten, sangen gemeinsam | |
| lautstark die größten Hits ihres Stars. | |
| Selbst für einige Nicht-Swifties war das ein rührender Anblick. Weil man | |
| daran sehen könne, dass es bei ihrem Fantum nicht einfach nur um | |
| Heldinnenverehrung gehe, sagen viele Fans. Sondern um Gemeinschaft, um eine | |
| positive Perspektive, um Identität – und die Gewissheit, dass da jemand | |
| sei, mit dem man sich verstehe, der einen trösten könne, auch wenn man sich | |
| vielleicht gar nicht kenne. | |
| ## Das Miteinander beschränkt sich nicht nur auf Wien | |
| Und die Fans waren sich einig: Die Liebe muss immer siegen. Das klingt | |
| alles ziemlich kitschig, doch es fühlt sich für viele einfach wholesome – | |
| wohltuend, wie eine warme Umarmung – an. | |
| Das liebe Miteinander beschränkte sich nicht nur auf Wien. So manche | |
| Swifties, die Tickets für die kommenden Konzerte im Vereinigten Königreich | |
| ergattert hatten, boten an, sie an die Wiener Fans weiterzuverkaufen. Damit | |
| zumindest Einzelne die Chance hätten, Taylor Swift noch auf dieser | |
| Konzerttour zu sehen. | |
| Überwiegend weiblichen [3][Fanbewegungen wie den Swifties] wird gerne | |
| unterstellt, sie seien hysterisch. Sie hätten einfach keine Ahnung von | |
| Musik. Dumme kleine Mädchen eben. | |
| Dass Swifties genau das nicht sind, hat sich nach dem ersten Schock der | |
| Absage auf Social Media, aber auch auf den Wiener Straßen gezeigt. Es sei | |
| immer richtig, die Sicherheit aller an erste Stelle zu setzen, erklärten | |
| viele Fans auch in den sozialen Netzwerken. Gleichzeitig blieb Raum für | |
| Trauer und Enttäuschung. Denn das geht schließlich auch: wissen, dass etwas | |
| notwendig war, und trotzdem traurig darüber sein. | |
| Und ist das nicht etwas, das man eigentlich viel öfter in der Welt | |
| bräuchte: ein bisschen wholesomeness in einer Welt, in der beispielsweise | |
| der Zusammenhalt oft zu kurz kommt? Genau dafür können sich die Swifties in | |
| Wien auf die Schultern klopfen: dass sie dieses Gefühl trotz all ihrer | |
| Enttäuschung in die Straßen der Stadt getragen haben. | |
| 9 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Verena Bogner | |
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