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# taz.de -- Fans von Taylor Swift in Wien: Die brave Revolution der Swifties
> Für die Fans war die Absage der Wiener Taylor-Swift-Konzerte ein Schock.
> Alle wollen sie trösten und sind gerührt von den netten, moralischen
> Kids.
Bild: Nach der Absage der Taylor Swift Konzerte in Wien feiern die Swieftes tro…
Die drei geplanten Wien-Konzerte von Taylor Swift wurden bekanntlich
[1][wegen einer Attentatsdrohung] abgesagt. Angesichts von [2][Southport,
wo drei Kinder bei einem Taylor-Swift-Tanzkurs getötet wurden], muss man
froh sein, dass ein mögliches Blutbad verhindert wurde. Was nach der Absage
passierte, verdient jedoch eine gesonderte Betrachtung. Denn das war
durchaus bemerkenswert.
Die Fans, die Swifties, erlebten die Absage nicht einfach nur als
Enttäuschung, sondern als regelrechten Schock. Schockiert waren sie aber
nicht nur wegen der Attentatspläne – was klar ist. Auch die Absage der
Konzerte war ihnen ein Schock.
Und da beginnt das Erstaunen des Betrachters – also jener, die nicht im
Swift-Universum leben und von außen auf das Geschehen blicken. Wenn es
schon erstaunlich ist, dass die Absage eines Konzerts für die Fans eine
Katastrophe darstellt, so ist die Reaktion der Gesellschaft noch
erstaunlicher.
Da waren die unmittelbaren Politiker-Statements. Diese schlugen alle genau
in diese Fan-Kerbe: eine herbe Enttäuschung. Eine tiefe Enttäuschung.
Herzzerreißend. Ich konnte ganz viele Herzerl brechen hören. Ein Traum ist
geplatzt. So lautete der Tenor quer durch das Parteienspektrum. Da waren
die diversen „Trostangebote“ an die Enttäuschten – ob Museen, Schwimmbä…
oder Gastronomie, alle öffneten den Swifties ihre Türen.
Die Katastrophe des Nicht-Stattfindens
Und da waren die Medienberichte, die das Wort von der
„Trauer(!)bewältigung“ ausgaben. Die Gesellschaft hat also unmittelbar die
Perspektive der Fans übernommen und nicht nur die Attentatsdrohung, sondern
auch das Nicht-Stattfinden eines Popkonzertes als Katastrophe anerkannt.
Und dann kam der Umgang der Swifties mit der Situation – dies war
gewissermaßen [3][angewandter „Swift-Spirit“]. Gemeinsames Singen. Durch
die Straßen ziehen. Sich versammeln. Zentraler Ort des Versammelns – ein
Baum in einer Wiener Straße, die so heißt wie eine besungene Straße in
Greenwich Village, wo das Idol einmal gewohnt hat.
Ein wesentliches Moment von Künstlerlegenden ist die Mythisierung des
Künstlerlebens: Ein retrospektiver Blick – ein Blick vom Erfolg aus auf die
Stationen des Lebens. In dieser Perspektive wird jedes Detail bedeutsam.
Wie etwa ein Straßenname. Es ist dies eine Aufwertung der Banalitäten des
Lebens, an der man als Fan teilhat.
[4][Die Fans] versammeln sich aber nicht nur. Wesentliches Element des
Swift-Kults sind die vielzitierten selbst geknüpften Freundschaftsbänder,
die dabei getauscht werden. Ihnen kommt eine zentrale Rolle zu. Die Bänder
sind Metaphern für die gegenseitige Verbundenheit der Fans. Durch das
Tauschen wird diese Verbundenheit vollzogen: Im Zirkulieren der Bänder
stellt sich die Gemeinschaft der Swifties her.
Und genau da setzt die Reaktion der Erwachsenen ein: Sie sind gerührt.
Gerührt von diesen netten, moralischen Kids. Gerührt von dieser braven
Rebellion. Das sind die Kinder, die wir haben wollen: bewegt, aber nicht
exzentrisch. [5][Leidenschaftlich, aber ohne Ekstase]. Dionysisch, aber
ohne Rausch. Die kreischenden Beatles-Fans fand keiner rührend. Anders als
diesen jugendfreien Exzess. Dazu passt, dass das Idol kein Machorocker ist,
sondern eine Frau.
Überschuss an Emotionen
[6][Der wahre Exzess der Swifties] aber ist ihr Überschuss an Emotionen.
Das ist das hemmungslose Ausleben ihres Teenagertums. Dieses besteht darin,
die eigene Gefühlswelt mit der Welt zu verwechseln. Für die jugendlichen
Fans ist das angemessen. Die gerührten Erwachsenen aber folgen ihnen dabei.
Angesichts einer immer grausameren Welt werden ihnen die Kids zum Spiegel
einer besseren Welt. Engagement und Leidenschaft werden dabei ins Harmlose,
ins Belanglose verschoben. Ist das unsere vielbeschworene Lebensweise?
Ein kollektiver Eskapismus, dem die Adoleszenz Prototyp und Versprechen
einer besseren Welt ist. Modell einer Vergesellschaftung als Safe Space, wo
alle sich lieb haben. Das ist die heutige Utopie, die die Erwachsenen – wie
schon bei Fridays for Future – über ihre Kids ausleben. Die Rührung der
Erwachsenen angesichts der Swifties ist eine kollektive
Re-Teenagerisierung.
27 Aug 2024
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## AUTOREN
Isolde Charim
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