# taz.de -- Tricksen bei der Erbschaftssteuer: Bedürftige MilliardärInnen | |
> Besitzen Unternehmens-ErbInnen mehr als 26 Millionen Euro, müssen sie | |
> eigentlich Steuern zahlen. Ein Schlupfloch erlaubt ihnen, das zu umgehen. | |
Bild: Springer-Chef Mathias Döpfner bekam 2020 Konzernanteile für 1 Milliarde… | |
Vielleicht haben Sie auch von Susanne Klatten gehört, der BMW-Erbin und | |
wahrscheinlich reichsten Frau Deutschlands. Sie hat kürzlich einen Teil | |
ihres Vermögens an ihre drei Kinder übertragen. Die Zeit hat das [1][sehr | |
schön aufgedröselt], schrieb von „mindestens 1,5 Milliarden Euro“ pro Kopf | |
und dass noch nicht klar ist, was die Kinder davon an Steuern zahlen müssen | |
– und ob überhaupt. | |
Ha, denken Sie jetzt, klar: Firmenerben zahlen bekanntermaßen keine Steuern | |
(sofern die Firma noch ein Weilchen erhalten bleibt)! Aber nein, das habe | |
ich auch diese Woche erst gelernt: Die Steuerbefreiung für | |
UnternehmenserbInnen geht nur bis 26 Millionen Euro, maximal 90 Millionen. | |
Ab dann muss man zur Befreiung einen Antrag auf Verschonung stellen. | |
Nachzuweisen ist, dass man „bedürftig“ ist (heißt wirklich so), also nicht | |
ausreichend Privatvermögen hat, um die Steuern zu zahlen. Das kann ja | |
durchaus eine Hürde sein, so ein Antrag. Da muss sich der Steuerberater | |
schon auch mal was überlegen. | |
Die Auswahl an Dingen, die zu unternehmen sind, scheint aber recht groß zu | |
sein. So lassen sich Firmenanteile zum Beispiel einer eigens zum Zweck der | |
Vermögensweitergabe gegründeten Familienstiftung übertragen. Die hatte ja | |
vorher nichts auf dem Konto, also muss sie dann auch keine Steuern zahlen. | |
Gleiches gilt für Kinder, die bis dato nur Taschengeld bekamen. Man kann | |
auch, wie Springer-Chef Mathias Döpfner, der 2020 Konzernanteile für 1 | |
Milliarde Euro [2][von Friede Springer bekam], schnell weitere | |
Springer-Aktien im Wert der zu erwartenden Schenkungssteuer kaufen – und | |
hat dann eben auch grad nichts flüssig. | |
## Dem Staat entgehen 2,1 Milliarden Euro | |
Recherchiert hat dies Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Sie | |
weist am Telefon korrekterweise darauf hin, dass es immerhin möglich ist, | |
dass Döpfner doch noch ein paar Euro Steuern bezahlt hat. | |
Die Daten der Finanzämter geben da leider nichts Genaueres her – immerhin | |
aber dies: Im vergangenen Jahr gab es [3][26 Fälle von Verschonung] der | |
besonders großen Firmenvermögen, der Staat verzichtete damit auf 2,1 | |
Milliarden Euro Erbschaft- und Schenkungssteuern, der Steuersatz der | |
GroßerbInnen lag bei etwa 0,1 Prozent. | |
„Ich habe angefragt, ob das wenigstens in männlich/weiblich oder Ost und | |
West aufschlüsselbar ist“, erzählt Jirmann. Aber sie vermutet, dass die | |
Finanzbehörden dazu nicht viel sagen werden. | |
## Die SPD hat sich verkalkuliert | |
Zuletzt 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung zur | |
Steuerbefreiung von FirmenerbInnen für verfassungswidrig erklärt. 2016 | |
legte die Große Koalition dann [4][ein neues Gesetz] vor. Für die | |
SPD-Fraktion verteidigte im Bundestag damals Finanzexperte Carsten | |
Schneider das Gesetz gegen Kritik von Grünen und Linkspartei: Die | |
Superreichen – „diese Leute, wenn sie mehr als 26 Millionen Euro erben, | |
müssen jetzt tatsächlich Steuern zahlen“, rief Schneider, „das mussten sie | |
bisher nicht, und sie werden es jetzt, und ich halte das auch für gerecht.“ | |
Da hat sich jemand erkennbar verkalkuliert – Stichwort 0,1 Prozent. Etwas | |
lustig ist das auch deshalb, weil Schneider inzwischen Ostbeauftragter der | |
Bundesregierung ist und wegen der enormen Ost/West-Vermögensungleichheit | |
ein Grunderbe [5][für alle fordert], zu finanzieren durch eine höhere | |
Erbschaftsteuer „für angehende Erbmillionäre“. Vielleicht nennt er die | |
Milliardäre hier ja absichtlich nicht. | |
Die Erbschaftsteuer liegt jedenfalls seit 2022 erneut vorm | |
Bundesverfassungsgericht. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hatte eigentlich | |
schon 2023 auf ein Urteil gehofft, und dieses Jahr sieht’s auch nicht | |
danach aus. Vielleicht 2025 zum Bundestagswahlkampf. Da fallen der SPD ja | |
meistens weitreichende Forderungen ein. | |
26 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/2024/31/susanne-klatten-bmw-erbe-vermoegen-kinder-unter… | |
[2] https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmarkt/friede-springer-schenkt-do… | |
[3] https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/erneut-steuererlasse-in-milliar… | |
[4] https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2016/kw25-de-erbschaftssteuer… | |
[5] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ostbeauftragter-startkapital-… | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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