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# taz.de -- Grenzkontrollen in Brandenburg: Pushbacks nach Polen
> An der deutsch-polnischen Grenze wird immer mehr Migrant*innen die
> Einreise verweigert. Dabei soll es vermehrt zu illegalen Zurückweisungen
> kommen.
Bild: Beim Grenzübergang nach Słubice auf der Brücke in Frankfurt (Oder) wer…
Berlin taz | Seit [1][Wiedereinführung der Kontrollen] an der
brandenburgisch-polnischen Grenze im Oktober vergangenen Jahres ist die
Zahl der Zurückweisungen von Migrant*innen stark angestiegen. Laut
Flüchtlingsorganisationen kommt es dabei regelmäßig zu illegalen Pushbacks,
also rechtswidrigen Zurückweisungen trotz Asylgesuch.
Laut der Bundespolizeidirektion Berlin, die auch für Brandenburg zuständig
ist, gab es im Mai 481 Einreiseverweigerungen, im April 565 und im März
sogar 603. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Insgesamt wurden von Oktober bis
Mai 3.456 Menschen zurückgewiesen, bestätigte eine Sprecherin der taz.
Zuerst hatte der Tagesspiegel berichtet.
Vor Einführung der Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze gab es
hingegen so gut wie keine Zurückweisungen. Laut Antwort des
Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Christoph de
Vries stiegen sie von 3 im ersten Quartal 2023 auf 2.386 im ersten Quartal
2024. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Asylgesuche jedoch angeblich
zurück – von 2.268 auf 450.
Flüchtlingsorganisationen wie No Borderlands aus Frankfurt (Oder) berichten
immer wieder, dass Geflüchtete trotz Asylgesuchs über die Grenze zurück
nach Polen gebracht werden. Der Grenzübergang nach Słubice befindet sich
auf der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder).
## Bundesinnenministerium dementiert
Eigentlich müssen Asylsuchende umgehend in eine Erstaufnahmeeinrichtung für
Geflüchtete gebracht werden. Das werde von den Grenzbeamt*innen jedoch
ignoriert, kritisiert der Flüchtlingsrat Berlin. „Es finden regelmäßig
Pushbacks statt“, sagt Emily Barnickel. „Asylgesuche werden nicht
angenommen.“ Ihr Vorwurf: „Die Bundespolizei handelt rechtswidrig.“
Bloß: So richtig scheint das niemanden zu interessieren. Für die
Bundespolizei ist nicht das Land Brandenburg, sondern das
Bundesinnenministerium (BMI) zuständig. Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
hatte die Grenzkontrollen im Oktober angeordnet und seitdem immer wieder
verlängert und als Erfolg verkauft. Aktuell gelten sie noch bis Mitte
Dezember, eine weitere Verlängerung gilt als wahrscheinlich.
Laut BMI setzt die Wiedereinführung der Kontrollen eine „ernsthafte
Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit voraus, ist
zeitlich begrenzt und hat stets Ultima-ratio-Charakter“, so ein Sprecher
zur taz. Über eine Verlängerung werde im Herbst entschieden.
Den Vorwurf der illegalen Pushbacks weist das BMI zurück. „Die Maßnahmen
der Bundespolizei richten sich nach den einschlägigen europa- und
nationalrechtlichen Bestimmungen des Ausländer- und Asylrechts“, heißt es.
Wenn ein Asylgesuch vorgebracht werde, würden die Personen an die
zuständige Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet.
## Asylgesuche werden systematisch ignoriert
Der europapolitischen Referentin der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl,
Meral Zeller, liegen gleich mehrere Berichte von Betroffenen über illegale
Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze vor. „Es nimmt zu“, sagt
Zeller der taz. Meist handle es sich um Menschen aus Ländern mit einer
hohen Schutzquote wie Syrien oder Afghanistan, die an der Grenze eindeutig
ein Asylgesuch stellten. „Das wird aber nicht registriert.“
Pro Asyl befürchtet, dass die Asylgesuche systematisch ignoriert werden.
Dagegen juristisch vorzugehen sei jedoch schwierig, da die Betroffenen
entweder bereits weitergereist seien oder sich aus Angst nicht mit der
deutschen Polizei anlegen wollten.
Meral Zeller fordert daher eine unabhängige Aufklärung der Vorfälle sowie
ein Monitoring an der Grenze: „Der Zugang zum Asylverfahren muss gewahrt
werden.“ Sie befürchtet, dass es an der Grenze zu Polen laufen könnte wie
[2][an der zu Österreich]: Dort wurden die 2015 eingeführten
vorübergehenden Grenzkontrollen immer wieder verlängert und dauern
mittlerweile seit neun Jahren an. „Das ist klar rechtswidrig.“
## Grüne und Linke fordern Ende der Grenzkontrollen
Dabei sind sowohl der Nutzen als auch die Verhältnismäßigkeit zweifelhaft.
Ziel der Grenzkontrollen ist laut Faeser, „Schleusungskriminalität“ und
„irreguläre Migration“ zu bekämpfen. Laut einem Gutachten, das die
Brandenburger Grünen in Auftrag gegeben haben, sind die Aufgriffe von
Schleusern seit der Einführung der stationären Kontrollen jedoch
zurückgegangen.
Außerdem sind in Brandenburg lediglich 3 der rund 20 Grenzübergänge rund um
die Uhr besetzt. Die Grünen, die gemeinsam mit CDU und SPD die Regierung
stellen, fordern daher ein sofortiges Ende der Grenzkontrollen. Die CDU
will sie bis 2026 beibehalten.
Für die Linken-Landtagsabgeordnete Andrea Johlige ist sowohl der starke
Anstieg der Zurückweisungen als auch der gleichzeitige massive Rückgang von
Asylgesuchen „auffällig“. „Es liegt nahe, hier von Pushbacks auszugehen�…
so Johlige zur taz. Auch sie fordert, die Grenzkontrollen abzuschaffen:
„Die bringen nichts.“ Menschen, die den lebensgefährlichen Fluchtweg über
das Mittelmeer oder die Sahara auf sich genommen haben, würden sich nicht
von der Oder aufhalten lassen, so die Linken-Politikerin.
Seit dem Ende der rot-roten Landeregierung im Jahr 2019 sei in Brandenburg
jedoch eine „Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik“ zu beobachten: „Weg v…
Integration hin zu Abschottung um jeden Preis.“ Das sieht man auch an den
Plänen für ein überdimensioniertes Abschiebezentrum am Flughafen BER sowie
für ein [3][„Ausreisezentrum“ für Flüchtlinge] auf der abgelegenen
Oderinsel Küstrin-Kietz. Der Landesflüchtlingsrat befürchtet ein
„menschenfeindliches Abschottungssystem“.
24 Jul 2024
## LINKS
[1] /Grenzkontrollen-zu-Polen/!5964090
[2] /Illegale-Rueckfuehrung-von-Gefluechteten/!5937951
[3] /Ausreisezentrum-in-Brandenburg/!6019188
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Grenzkontrollen
Pushbacks
Grenzpolitik
Menschenrechte
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Asylrecht
Brandenburg
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Migration
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