# taz.de -- Polnische Touristen: Reisen bis der Krieg kommt | |
> Die Polen reisen wieder mehr ins Ausland statt wie früher ins | |
> Riesengebirge. Sie wollen es noch schnell tun, bevor die Front weiter | |
> nach Westen zieht. | |
Bild: Für Polen ist der Krieg in der Ukraine sehr nah: Polnische Soldaten bei … | |
Es ist Sommer, also sind Sie wahrscheinlich an einem Ort, an dem Sie eine | |
wohlverdiente Pause einlegen können. Das Riesengebirge, ein mittelgroßer | |
Gebirgszug an der Grenze zwischen Polen und der Tschechischen Republik, ist | |
eines der schönsten Gebirge der Region. Oberhalb türmt sich das Massiv der | |
Sněžka auf, ein Berg, durch den die Grenze der beiden benachbarten Länder | |
verläuft. | |
Dieser Berg, der als Königin des Riesengebirges und Mitglied der Krone der | |
europäischen Berge bekannt ist, ist seit dem 16. Jahrhundert ein Objekt der | |
Faszination, als er zum ersten Mal von Bergfreunden erobert wurde. Später | |
wurde er von Pilgern besucht, die zur kleinen Laurentiuskapelle reisten. | |
Aufgrund des großen Touristenandrangs sollte Sněžka früh am Morgen | |
erklommen werden, wenn die Bergbahnen noch nicht in Betrieb sind. Wir | |
begannen unsere Reise um sieben Uhr morgens und hatten so das große | |
Vergnügen, diesen wunderschönen Berg in praktisch völliger Einsamkeit um | |
neun Uhr morgens zu sehen. Was an diesem Ort, an dem die Wolken dominieren | |
und es 200 Tage im Jahr schneit, völlig ungewöhnlich ist: Es schien auch | |
die Sonne. | |
Es gibt in der Tat recht viele Touristen, sodass diejenigen, die gerne | |
länger schlafen, dazu neigen, sich in Gesellschaft einer größeren Menge | |
anderer Besucher zu begeben. Auf den ersten Blick mag man daher nicht | |
bemerken, dass der Bergtourismus in Polen tiefgreifende Veränderungen | |
erfährt. Denn obwohl die Sommerferien in vollem Gange sind, wurden nur 30 | |
bis 50 Prozent der Hotelbetten in den früher beliebten Orten verkauft. | |
## Ruhe vor dem Sturm | |
Und warum? Die Touristen beschweren sich vor allem über die hohen Preise | |
und sagen, dass sie für einen All-inclusive-Urlaub in der Türkei viel | |
weniger bezahlen würden. Das liegt an der Inflation: Obwohl sie in Polen | |
derzeit wieder sehr niedrig ist, brach sie in den letzten Jahren der | |
Regierung von Recht und Gerechtigkeit alle Rekorde und betrug fast 20 | |
Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Andere werden durch das unbeständige | |
Wetter abgeschreckt, das für die Bergregionen charakteristisch ist. | |
Es gibt auch viele Anzeichen dafür, dass der sogenannte Agrotourismus in | |
Polen langsam zurückgeht. Dabei handelt es sich um eine lokale Form des | |
Tourismus: kleine Bauernhöfe auf dem Land, die Stadttouristen eine | |
Unterkunft bieten, mit ausgezeichneten lokalen Speisen, in unmittelbarer | |
Nähe zur Natur und zu Tieren. Heute sind die Gastgeber müde von den hohen | |
Lebenshaltungskosten, der Konkurrenz durch große All-inclusive-Resorts. | |
Vielleicht gibt es auch andere Gründe, warum polnische Touristen in letzter | |
Zeit nur noch ungern in ihrem eigenen Land Urlaub machen. Wir haben einmal | |
für die taz in einer [1][Kolumne über die Beskiden] geschrieben, dass die | |
polnischen Berge in der Nähe der ukrainischen Grenze nach dem Ausbruch des | |
totalen Krieges in der Ukraine leerer sind als zuvor. | |
Heute geht diese Verschiebung vielleicht noch weiter. Obwohl es uns in den | |
vergangenen zwei Jahren gelungen ist, uns recht gut an den [2][Krieg | |
jenseits der polnischen Ostgrenze] zu gewöhnen, herrscht in der | |
Öffentlichkeit des Landes die Auffassung, dass die [3][derzeitige Ruhe nur | |
vorübergehend ist], dass die Front früher oder später weiter nach Westen | |
ziehen muss. „Es wird etwas vorbereitet“, sagen die Polen, die wir befragt | |
haben. „Vielleicht nicht jetzt, vielleicht nicht in einem Jahr, aber der | |
Krieg wird sich nach Westen verlagern.“ | |
Vielleicht ist es also besser, denken sie, die Welt zu sehen, solange es | |
geht und bevor die Lage für uns wirklich ernst wird. Oder einfach zu Hause | |
bleiben, denn es ist schwer zu sagen, was in ein paar Monaten oder Jahren | |
passieren wird. | |
Jarosław Kuisz und Karolina Wigura leiten die Stiftung Kultura Liberalna in | |
Warschau und sind Senior Fellows beim Zentrum Liberale Moderne in Berlin. | |
Ende Oktober wird das von den beiden geschriebene Buch „Posttraumatische | |
Souveränität“ bei Suhrkamp erscheinen. In der wochentaz berichten sie in | |
der Kolumne Fernsicht regelmäßig aus Polen. | |
14 Aug 2024 | |
## LINKS | |
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[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!6003041 | |
## AUTOREN | |
Karolina Wigura | |
Jaroslaw Kuisz | |
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