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# taz.de -- Abschiebe-Offensive in Brandenburg: Mehr Geflüchtete inhaftiert
> Die Zahl der Schutzsuchenden in Ausreisegewahrsam am Flughafen BER hat
> sich verdoppelt. Der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung ist
> eingeschränkt.
Bild: 396 Geflüchtete waren im ersten Halbjahr dieses Jahres in Ausreisegewahr…
Berlin taz | Die Zahl der Geflüchteten, die im Ausreisegewahrsam am
Flughafen BER in Brandenburg inhaftiert sind und abgeschoben werden sollen,
hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. Das teilte das
Innenministerium am Donnerstag auf eine Anfrage der
SPD-Landtagsabgeordneten Tina Fischer mit.
Demnach waren es im ersten Halbjahr dieses Jahres 396 Menschen, die in die
Länder ausgeflogen werden sollen, aus denen sie geflohen sind oder in denen
sie nach Erreichen der EU erstmals einen Asylantrag gestellt haben. Im
ersten Halbjahr 2023 waren es noch 168 Menschen. Im zweiten Halbjahr
schnellte die Zahl auf 231.
Zu den Gründen für den starken Anstieg äußerte sich das Innenministerium
nicht. Der Flüchtlingsrat Berlin vermutet dahinter das Anfang des Jahres
vom Bundesinnenministerium beschlossene [1][Gesetz zur „Verbesserung der
Rückführung“]. Darin wurde unter anderem die Höchstdauer des
Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage verlängert. Ende 2023 war zudem der
Abschiebestopp für den Iran ausgelaufen und nicht verlängert worden.
Das Land Brandenburg nutze diese Möglichkeiten im vollen Umfang aus. „Seit
letztem Jahr hat sich der politische Diskurs in Brandenburg stark
verändert“, so Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat zur taz.
## Keine Asylberatung am BER
Die Brandenburger Linken-Abgeordnete Andrea Johlige spricht von einem
„Abschiebewettbewerb zwischen den Innenministern“. Der habe zu einem
„Paradigmenwechsel“ in der Flüchtlingspolitik des Landes geführt – „w…
Integration, hin zu Abschiebung“. „Und das unter grüner
Regierungsbeteiligung“, kritisiert Johlige. Die Fraktionsvorsitzende der
Grünen, Petra Budke, hatte im vergangenen Jahr noch erklärt, dass es eine
Abschiebeinitiative mit den Grünen nicht geben werde. Die Zahlen sprechen
nun eine andere Sprache.
Teil der Abschiebeoffensive Brandenburgs ist auch die zentrale Steuerung
seit Mai. Seitdem entscheiden nicht mehr die Landkreise über Abschiebungen,
sondern die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt. Die
Kommunen müssen melden, wenn jemand vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die
ZABH prüft dann, ob die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen.
„Ich halte das für einen großen Fehler“, sagt Johlige der taz. „Die
Zentrale Ausländerbehörde kann nicht einschätzen, ob jemand gut integriert
ist.“
In der Antwort des Innenministeriums heißt es zudem, dass die Beratung zu
den Asylverfahren am BER derzeit vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst
durchgeführt werde, der die Flüchtlinge auch sozial und seelsorgerisch
betreue. Auf eine Anfrage der taz Mitte Juli teilte dieser allerdings mit,
dass er die Asylverfahrensberatung Ende vergangenen Jahres eingestellt
habe, weil die Zusammenarbeit mit den Behörden nicht funktioniere.
Mittlerweile machten sie nur noch Abschiebebeobachtung.
Auch die Angabe des Innenministeriums, dass allen Menschen in der
Unterkunft nach Ablehnung ihres Asylantrags eine Liste von Rechtsanwälten
übergeben werde, ist umstritten. Laut Flüchtlingsrat Brandenburg wird diese
nur auf Nachfrage ausgehändigt. Dabei ist der Zugang zu Juristen
essenziell: Laut dem Rechtsanwalt Peter Fahlbusch waren bei den 1.700
Menschen in Abschiebungshaft, die er seit 2001 vertreten hat, etwa 50
Prozent der Haftentscheidungen rechtswidrig.
„Der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung wird in der
„Ausreisesammelstelle“ am Flughafen BER schon lange systematisch
behindert“, kritisiert der Flüchtlingsrat. „Unter den aktuellen Bedingungen
kann von fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren nicht die Rede sein.“
15 Aug 2024
## LINKS
[1] /Gesetzesvorhaben-im-Bundestag/!5983182
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Abschiebung
Flüchtlingspolitik
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Brandenburg
Migration
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Grenzkontrollen
Flüchtlingspolitik
Schwerpunkt Flucht
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