# taz.de -- Gesetzesvorhaben im Bundestag: Einbürgerung und Abschiebung | |
> Der Bundestag beschließt in dieser Woche weitreichende Verschärfungen bei | |
> Abschiebungen. Einbürgerungen hingegen sollen schneller möglich sein. | |
Bild: Diesen Pass kann man künftig auch bekommen, ohne die bisherige Staatsbü… | |
BERLIN taz | Diese Woche wird es amtlich: Künftig können sich Menschen | |
schon nach fünf statt nach acht Jahren in Deutschland einbürgern lassen. | |
Und Menschen, die abgeschoben werden sollen, können bald statt zehn Tagen | |
bis zu vier Wochen inhaftiert werden. [1][Am Donnerstag wird der Bundestag | |
mit der Ampelmehrheit das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz | |
beschließen, am Freitag die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts]. | |
Eigentlich hatte die Ampelkoalition dieses Paket noch im Dezember | |
verabschieden wollen. Doch bis zuletzt gab es Uneinigkeit und harte | |
Verhandlungen unter den Koalitionspartnern. Gerungen hatten die | |
Koalitionspartner vor allem um die Verschärfungen bei Abschiebungen. | |
Besonders für viele Grüne dürften diese ein schmerzhaftes Zugeständnis | |
sein, steht die Partei doch Maßnahmen wie Abschiebehaft seit Jahren | |
kritisch gegenüber. | |
[2][Genau diese wird nun aber deutlich ausgeweitet]: Wer abgeschoben werden | |
soll, kann künftig 28 Tage in Ausreisegewahrsam genommen werden – | |
unabhängig davon, ob Fluchtgefahr besteht oder nicht. Auch sollen | |
Nachtabschiebungen erleichtert werden und Beamte in | |
Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer des Abzuschiebenden, sondern | |
auch die Räume Dritter betreten dürfen. | |
Neu hinzugekommen ins Paket sind Maßnahmen, [3][die Bundeskanzler Olaf | |
Scholz (SPD) im November mit den Regierungschef*innen der Länder | |
beschlossen hat]: So bekommen etwa Asylbewerber*innen und Geduldete in | |
Zukunft erst nach drei Jahren statt nach anderthalb Zugang zu vollen | |
Sozial- und Gesundheitsleistungen. | |
## Zähe Verhandlungen | |
Das Gesetz sei „gewiss nicht das grüne Wahlprogramm“, sagte der | |
stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz der taz. | |
Angesichts einer durchaus schwierigen Ausgangssituation sei man letztlich, | |
gerade mit Blick auf das parallel verhandelte Staatsangehörigkeitsrecht, | |
aber zu einer „insgesamt guten Lösung“ gekommen. | |
So werden Geflüchtete in Fällen von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam | |
künftig immerhin einen Pflichtverteidiger bekommen. Auch sollen | |
Minderjährige samt Familie grundsätzlich nicht in Abschiebehaft kommen und | |
man habe klargestellt, dass Seenotrettung straffrei sei, so von Notz. „All | |
diese Verbesserungen hätte es ohne Grüne am Verhandlungstisch nicht | |
gegeben.“ Auch der SPD-Abgeordnete Demir wies ausdrücklich auf diese | |
Verbesserungen hin. „Trotzdem ist das Rückführungsverbesserungsgesetz aus | |
meiner Sicht nicht ganz ausgewogen“, so Demir. | |
Beide Politiker betonten hingegen die Erfolge bei der Reform im | |
Staatsangehörigkeitsrecht: „Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben, | |
bekommen endlich vollen Zugang zu demokratischer Mitbestimmung, ohne ihre | |
eigene Geschichte an den Nagel hängen zu müssen“, so von Notz. Die Reform | |
sei trotz berechtigter Kritikpunkte ein „riesiger Erfolg“ – und die Ampel | |
sei „die einzige politische Koalition, mit der das überhaupt möglich war“, | |
so Demir. | |
Diese Gesetzesreform [4][macht Mehrstaatigkeit in Deutschland grundsätzlich | |
möglich]: Wer sich einbürgern lässt, muss ab Inkrafttreten seine bisherige | |
Staatsbürgerschaft nicht mehr abgeben. Auch sollen Einbürgerungen bei | |
besonderen Integrationsleistungen schon nach drei Jahren möglich sein. | |
## Millionen ohne deutschen Pass | |
Für Angehörige der sogenannten Gast- oder Vertragsarbeitergeneration und | |
ihre Ehepartner*innen soll es weitere Erleichterungen geben, etwa beim | |
Sprachnachweis oder bei der Voraussetzung, den eigenen Lebensunterhalt | |
sichern zu können. Die Einbürgerung von Menschen, die antisemitisch, | |
rassistisch oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen begehen, | |
soll ausgeschlossen werden. | |
Die Ampelkoalition hofft, mit der Reform die geradezu verschwindend | |
geringen Einbürgerungszahlen in Deutschland zu erhöhen. Laut Gesetzentwurf | |
leben mehr als fünf Millionen Menschen schon länger als zehn Jahre in | |
Deutschland, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. | |
Eine solche Modernisierung des Einwanderungsrechts hatten | |
zivilgesellschaftliche Organisationen schon lange gefordert. Genau aus | |
diesen Gruppen kommt nun dennoch harsche Kritik. Wer eingebürgert werden | |
will, muss schon jetzt seinen Lebensunterhalt selbst sichern. [5][Ausnahmen | |
für Menschen, die unverschuldet auf Sozialleistungen angewiesen sind, | |
fallen nun weg]. Betroffene sollen stattdessen über eine Härtefallregelung | |
eingebürgert werden können. Damit aber liegt ihre Einbürgerung im Ermessen | |
der zuständigen Behörden – einen Rechtsanspruch haben die Menschen dann | |
nicht mehr. | |
Auch in diesem Punkt hatten die Koalitionäre bis zuletzt gerungen, ohne | |
Ergebnis. Man wolle „Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die | |
sozialen Sicherungssysteme“, hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im | |
Dezember erklärt. Stattdessen soll den Behörden nun über | |
Verwaltungsvorschriften klargemacht werden, wie die Härtefallregelung in | |
diesen Fällen anzuwenden sei. | |
## Rechter Diskurs | |
„Hier hätten wir uns eine rechtlich verbindliche Lösung gewünscht, um eine | |
Diskriminierung beispielsweise von Menschen mit Behinderungen, | |
Alleinerziehenden oder älteren Menschen rechtssicher auszuschließen“, | |
kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen | |
Gesamtverbands. | |
Die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl spricht von „rechtsstaatlich | |
fragwürdigen Verschärfungen bei Abschiebungen“, denen „jede | |
Verhältnismäßigkeit“ fehle. Gerade angesichts [6][des Correctiv-Berichts | |
über rechtsextreme Deportationspläne] müssten „demokratische Parteien die | |
flüchtlingsfeindlichen Debatten beenden und das Rückführungsgesetz | |
stoppen“. | |
Ähnlich äußert sich auch die Linken-Abgeordnete Clara Bünger: „Letzte Woc… | |
haben Politiker:innen der Ampelparteien noch ihr Entsetzen über die | |
Deportationspläne der AfD kundgetan, jetzt machen sie schon wieder | |
knallharte Abschiebepolitik“, sagte sie der taz. „Wer ernsthaft etwas gegen | |
das Erstarken der AfD unternehmen will, darf einem solchen | |
Entrechtungspaket nicht zustimmen.“ | |
Die Union hingegen schießt ihrerseits gegen die Einbürgerungsreform. Schon | |
in den vergangenen Monaten haben Unionsabgeordnete diese als „Verramschen“ | |
der deutschen Staatsbürgerschaft bezeichnet. Nun hat die Fraktion einen | |
Antrag eingebracht. Titel: „Den Wert der deutschen Staatsangehörigkeit | |
bewahren“. | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Migrationspolitik-im-Bundestag/!5973295 | |
[2] /Gesetzentwurf-von-Innenministerin-Faeser/!5962720 | |
[3] /Bund-Laender-Treffen-zu-Asylpolitik/!5968502 | |
[4] /Neues-Staatsbuergerrecht/!595109 | |
[5] /Reform-des-Staatsangehoerigkeitsrechts/!5973840 | |
[6] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati… | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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