| # taz.de -- Nach Reform bei Abschiebungen: Pflichtanwält*innen gesucht | |
| > Ende Februar trat das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der Ampel in | |
| > Kraft. Nun werden Pflichtanwält*innen für Abschiebehäftlinge dringend | |
| > gesucht. | |
| Bild: Abschiebegefängnis in Darmstadt-Eberstadt | |
| Osnabrück taz | Sogar T-Shirts haben Peter Fahlbusch und Rolf Stahmann sich | |
| machen lassen, „Pflichtanwält*in“ steht darauf, dazu ein Transparent mit | |
| ihren Tourdaten: 22 Städte in neun Wochen. Das Transparent hängt an diesem | |
| Mittwoch im April in einem Seminarraum der Osnabrücker Bergkirche. Gut 20 | |
| Anwält*innen sind hierhergekommen und hören Fahlbusch und Stahmann einen | |
| Tag lang darüber sprechen, warum auch sie „Pflichtanwält*in“ werden | |
| sollten. | |
| Denn Ende Februar trat [1][das „Rückführungsverbesserungsgesetz“] der Amp… | |
| in Kraft. „Hau-ab-Gesetz“ nennt Fahlbusch es. Auf dass sie leichter außer | |
| Landes geschafft werden können, schränkt das Gesetzespaket die Rechte | |
| [2][Abzuschiebender] ein – mit einer Ausnahme und deshalb sind heute alle | |
| hier: Wer in Abschiebehaft sitzt, dem muss das Gericht zukünftig eine:n | |
| Pflichtanwalt oder Pflichtanwältin beiordnen. | |
| Der Gesetzgeber, sagt Fahlbusch, habe erkannt, dass | |
| Abschiebungshaftverfahren „doch einigermaßen schwierig“ seien und | |
| Betroffene „nicht in der Lage, sich hier hinreichend zu verteidigen“. | |
| Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof hätten Behörden und Gerichte | |
| „wiederholt auf die Grundsätze eines fairen Verfahrens für | |
| Abschiebungshäftlinge hingewiesen – aber oft fruchtlos“, so Fahlbusch. Nun | |
| aber habe der Gesetzgeber reagiert. | |
| Das Problem: Nur wenige Jurist*innen kennen sich mit der Materie aus. | |
| Besonders attraktiv sind die Fälle nicht, nur rund 211 Euro Honorar sind | |
| für einen Widerspruch vorgesehen. Und so gehen Stahmann und Fahlbusch auf | |
| „Fortbildungstour“, um Kolleg*innen zu motivieren, sich dennoch in dem | |
| Bereich zu engagieren. Viele Jurist:innen würden denken: „Wenn der | |
| Mandant erstmal in Haft ist, kann ich nichts mehr machen, das Verfahren ist | |
| tot.“ Doch das sei ein Irrtum. | |
| ## Zu Unrecht in Abschiebehaft | |
| Niemand in Deutschland weiß das besser als Fahlbusch selbst. Der in | |
| Hannover ansässige Jurist hat seit 2001 – er hat exakt Buch geführt – | |
| bundesweit 2.507 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.301 von | |
| ihnen – rund 52 Prozent – seien nach rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen | |
| zu Unrecht in Haft gewesen, im Schnitt sei jede*r seiner Mandant*innen | |
| 25,7 Tage unrechtmäßig eingesperrt gewesen. Die Anwaltschaft sei | |
| „aufgerufen, sich um diese skandalöse Haftpraxis zu kümmern“, meint | |
| Fahlbusch – und die Neuregelung gebe ihr „jetzt alle Möglichkeiten.“ | |
| Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verlängert unter anderem die | |
| Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage, Haft | |
| ist leichter möglich. Zudem gibt es neue Ausweisungsgründe wie das Begehen | |
| von antisemitischen Straftaten oder die Einreise mit gefälschten Papieren. | |
| Bei Menschen ohne Ausweispapieren wird zudem das Auslesen von Handydaten | |
| erleichtert, um dadurch Identität und Herkunftsland zu klären. | |
| Auf Drängen der Grünen wurde die Klausel mit den Pflichtanwält*innen | |
| eingeführt. Innenminister*innen der Länder hatten diese heftig | |
| kritisiert – sie fürchten, Abschiebungen könnten sich verzögern, weil es | |
| den Behörden nicht gelingt, den nun nötigen Pflichtanwalt zu stellen. Der | |
| CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries beklagte, mit den von den | |
| Grünen durchgesetzten Änderungen werde ein ohnehin schon schwaches Gesetz | |
| völlig wirkungslos. | |
| 2023 wurden 16.430 Menschen aus Deutschland abgeschoben, etwa die Hälfte | |
| per Sammelcharter. Bei knapp einem Drittel handelte es sich um sogenannte | |
| Dublin-Fälle, die nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen anderen | |
| EU-Staat abgeschoben wurden. 2022 kamen knapp 5.000 Menschen in | |
| Abschiebehaft, im Schnitt für vier Wochen. Rund 800 Plätze dafür gibt es in | |
| bundesweit 14 Einrichtungen. | |
| Bislang hätten maximal zehn Prozent aller Abschiebehäftlinge einen Anwalt | |
| gehabt. „Bald braucht jeder einen“, sagt Fahlbusch. Es sei eine „Frage der | |
| globalen Gerechtigkeit“, Abschiebehäftlingen beizustehen.“ | |
| 25 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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