| # taz.de -- Migrationspolitik im Bundestag: Grüner Redebedarf bei Abschiebungen | |
| > Der Bundestag debattiert über Verschärfungen in der Migrations- und | |
| > Lockerungen in der Integrationspolitik. Es ist eine hitzige Diskussion. | |
| Bild: Berlin, 30.11.2023: Filiz Polat bei ihrere Rede im Deutschen Bundestag | |
| Berlin taz | Filiz Polat will eins klarstellen: „Gesetzgeber ist und bleibt | |
| das Parlament“, sagt die Grüne Bundestagsabgeordnete am Donnerstagmorgen. | |
| Das Plenum diskutiert gerade in erster Lesung über das sogenannte | |
| Rückführungserleichterungsgesetz: ein ganzes Bündel an [1][Verschärfungen | |
| bei Abschiebungen]. Das Bundesinnenministerium setze damit Beschlüsse der | |
| Ministerpräsidentenkonferenzen um, sagt Polat. „Die Entscheidung treffen am | |
| Ende wir.“ | |
| Die Grünen, das wird deutlich, haben noch Redebedarf. Der Gesetzentwurf | |
| sieht unter anderem vor, den Ausreisegewahrsam bei Abschiebungen von zehn | |
| auf 28 Tage auszuweiten. In Gemeinschaftsunterkünften sollen neben den | |
| Räumen des Abzuschiebenden auch die Räume Unbeteiligter von der Polizei | |
| betreten werden dürfen. Beim Verdacht organisierter Kriminalität sollen | |
| Menschen auch ohne rechtskräftige Verurteilung ausgewiesen werden können. | |
| „Eingriffe in fundamentale Grundrechte“, findet Polat. | |
| Damit ist der Ton gesetzt. Sei es zwischen Ampel und Opposition oder auch | |
| innerhalb der Ampel: In der Migrationspolitik [2][hat gerade niemand | |
| freundliche Worte übrig.] Wenige Stunden später werden die Abgeordneten | |
| auch noch über eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und erleichterte | |
| Einbürgerungen diskutieren. Beide Debatten werden geprägt sein von | |
| Zwischenrufen. | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt, es sei das „umfassendste | |
| Gesetz“ im Bereich Rückführungen, das „eine Bundesregierung jemals | |
| vorgelegt“ habe. Immer wieder ist an diesem Tag von einer | |
| „migrationspolitischen Wende“ die Rede. Aber nicht alle meinen damit das | |
| Gleiche. So sieht der FDPler Stephan Thomae diese Wende mit der | |
| Verschärfung des Abschieberechts vollzogen. | |
| ## AfD bedient Verschwörungstheorien | |
| Die Linke Clara Bünger hingegen erinnert die Ampel daran, dass sie eine | |
| solche Wende im Koalitionsvertrag versprochen hätte, aber in die genau | |
| andere Richtung: Die Ampel habe eigentlich eine andere Migrationspolitik | |
| machen wollen als der ehemalige Innenminister Horst Seehofer (CSU). Auch | |
| die Union erkennt einige ihrer eigenen Forderungen wieder, ihr aber gehen | |
| die Verschärfungen nicht weit genug. | |
| Die AfD wiederum sähe am liebsten, wenn Deutschland alle nationalen und | |
| internationalen Gesetze und Konventionen zum Schutz von Menschenrechten | |
| hinter sich ließe. In der Debatte zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts | |
| wird die Fraktion später rechte Verschwörungserzählungen bedienen: Die | |
| Ampel forciere „Massenmigration“, es stehe eine „Integration“ von | |
| Deutschland in „islamisches Herrschaftsgebiet“ hervor. | |
| Die Ampel will [3][das bisher sehr restriktive Einbürgerungsrecht lockern]: | |
| Menschen sollen künftig nach fünf statt nach acht Jahren eingebürgert | |
| werden können, bei besonders guten Integrationsleistungen schon nach drei. | |
| Mehrstaatigkeit soll ermöglicht werden. Und es soll Erleichterungen geben | |
| für die Generation der sogenannten Gastarbeiter*innen. | |
| Die Staatsbürgerschaft sei ein „Pfund“ im Wettbewerb um Hochqualifizierte | |
| aus dem Ausland, so Faeser. Zudem lebten zehn Millionen Menschen ohne | |
| deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland, mehr als die Hälfte davon seit | |
| über zehn Jahren. Diese sollten „die Möglichkeit haben, vollständig | |
| Bürgerinnen und Bürger hier zu werden“. Alexander Throm (CDU) hingegen | |
| wirft der Ampel vor, es handle sich um ein | |
| „Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz“, mit dem in Zukunft regelmäßig d… | |
| Falschen eingebürgert würden. | |
| ## Keine Einbürgerung für Antisemiten | |
| Den Gesetzentwurf hat das Kabinett bereits im August beschlossen. Nicht | |
| vorhersehbar war damals der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel und | |
| die daraufhin auch in Deutschland rapide ansteigenden Zahlen | |
| antisemitischer Vorfälle. Trotzdem enthält der Entwurf Regelungen, um die | |
| Einbürgerung von Antisemiten zu verhindern. | |
| Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung seien ein Verstoß gegen | |
| die freiheitlich-demokratische Grundordnung, so Faeser. „Wer sich | |
| antisemitisch betätigt, darf kein Deutscher werden.“ Sowohl Faeser als auch | |
| die SPD-Fraktion haben klargemacht, dass sie auch zu weiteren Maßnahmen | |
| bereit seien. | |
| Welche das sein könnten, davon hat die Union eine genaue Vorstellung: | |
| Doppelstaatler*innen solle bei antisemitischen Vorfällen die deutsche | |
| Staatsbürgerschaft wieder aberkannt werden, erklärt Philipp Amthor. Die | |
| Ampel setze auf „Einbürgerung der Falschen statt auf Ausbürgerung der | |
| Richtigen“. Der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft ist allerdings | |
| durch das Grundgesetz verboten – auch das, wie die deutsche Staatsräson, | |
| eine Lehre aus der deutschen Geschichte. | |
| 30 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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