Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Einbürgerung in Berlin: Hier wird man nicht schnell deutsch
> Bald soll die Einbürgerung leichter gemacht werden. In Berlin greift das
> allerdings erst mal nicht. Derzeit werden neue Anträge nicht einmal
> bearbeitet.
Bild: Kaum zu glauben: Auf dieses Dokument müssen manchen Menschen Jahre warten
Der Bund schafft ein liberales [1][Einbürgerungsrecht], und in Berlin wird
niemand davon profitieren. Zumindest nicht im Jahr 2023 und wohl auch lange
danach nicht. Denn die mit Einbürgerung befassten Behörden in Berlin sind
hoffnungslos überarbeitet.
Der Entwurf des neuen Einbürgerungsgesetzes, das voraussichtlich ab dem
Sommer in Kraft tritt, sieht geringere Hürden für eine Einbürgerung vor. So
soll man bereits nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland
einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. Derzeit geht das in der Regel
erst ab acht Jahren. Außerdem wird eine Ausbürgerung aus der bisherigen
Staatsangehörigkeit nicht mehr verlangt.
Für Antragsteller ab 67 Jahren fällt zudem der deutsche Sprachtest weg.
Damit soll die Lebensleistung der Gastarbeitergeneration gewürdigt werden,
die oft gar keine Chance hatte, Deutsch zu lernen. Das alles wird zu einer
deutlich höheren Zahl von Anträgen auf Einbürgerung führen, prognostiziert
der Rechtsanwalt Christian Cardone. „Denn die erste Frage ist doch bei
vielen Mandanten: Darf ich meine alte Staatsbürgerschaft behalten?“
Doch in Berlin werden die neuen Einbürgerungswilligen warten müssen. Denn
hier sind die Bezirke seit Jahresbeginn vom Land angehalten, keine neuen
Anträge auf Einbürgerung mehr zu bearbeiten. Das heißt: Anträge kann man
zwar stellen, aber die werden erst mal nur abgelegt. Das kritisierte
[2][Katarina Niewiedzial], die Berliner Integrationsbeauftragte, gegenüber
dem Tagesspiegel. Auch sogenannte Erstberatungstermine sollen ihr zufolge
nicht mehr vergeben werden.
Grund ist, dass Berlin ab 2024 eine zentrale Einbürgerungsbehörde schaffen
will. Das sieht die Koalitionsvereinbarung von 2022 vor. Dies werde, so die
Integrationsbeauftragte gegenüber der taz, zusammen mit digitalen Verfahren
und einer einbürgerungsfreundlichen Rechtslage die Einbürgerungsquoten in
Berlin erhöhen und langfristig die Verfahren beschleunigen. Mit der
Zentralisierung will Berlin statt bisher jährlich 7.000
Einbürgerungsverfahren 20.000 stemmen.
Doch ob es diese Erhöhung geben wird, steht in den Sternen. Derzeit gibt es
einen großen Stau bei Einbürgerungen. Zwei Jahre Wartezeit sind keine
Seltenheit. Die taz kennt den Fall einer vietnamesischen Familie, die sogar
seit Sommer 2018, also seit knapp fünf Jahren, auf die Einbürgerung wartet.
Die Familie zog während des Einbürgerungsverfahrens von Lichtenberg nach
Pankow, aber ihre Akte wurde versehentlich nicht weitergereicht. Das erfuhr
die Familie knapp ein Jahr nach dem Umzug auf Nachfrage. Sie musste sich
dann in Pankow neu in die Warteschlange einreihen.
Die Hürden liegen im Detail: Die Familie wartete jeweils mehrere Monate auf
einen Termin zum Einbürgerungstest und einen Termin zum deutschen
Sprachtest wegen Überlastung der Volkshochschulen – das sind Wartezeiten,
die auch mit einer zentralen Behörde nicht wegfallen werden. Danach mussten
die Ehepartner eine Agentur beauftragen, um bei den Geburtsstandesämtern in
Vietnam die Geburtsurkunden zu beglaubigen. Auch hier betrug die Wartezeit
mehrere Monate.
Und die Situation verschärft sich. Der Grund: Nach Kenntnis von
Rechtsanwälten, die sich mit Einbürgerungsanträgen befassten, schätzen
etliche Mitarbeiter der Bezirksämter ihren kurzen Arbeitsweg und wollen
darum nicht in die zentrale Behörde wechseln. Sie hätten sich bereits
innerhalb des Bezirks auf eine der reichlich vorhandenen freien Stellen
beworben, heißt es. Offene Stellen für die Bearbeitung von
Einbürgerungsanträgen werden aber in den Bezirken nicht mehr besetzt.
Die Integrationspolitikerin der Linken, Elif Eralp, kennt dieses Problem
bisher lediglich aus einem Bezirk. „Ich werde da aber mit einer
parlamentarischen Anfrage nachhaken“, sagt sie der taz. Aus ihrer Sicht
bringe eine zentrale Einbürgerungsbehörde langfristig Vorteile, „weil wir
da als Land schneller reagieren können, wenn Urkunden nicht schnell genug
geprüft werden“, sagt sie. „Wir müssen uns aber im Umstellungsprozess mehr
um die Altfälle kümmern.“
Eralp zufolge seien in der Zentralen Einbürgerungsbehörde 120 zusätzliche
Stellen vorgesehen zusätzlich zu den 80, die bisher in den Bezirken
vorhanden seien und deren Personal eigentlich dorthin wechseln soll. Sofern
dieses überhaupt noch am Jahresende an seinem Arbeitsplatz arbeitet.
Die Zentralstelle wird im [3][Landesamt für Einwanderung] angesiedelt
werden. Das ist bekannter unter seinem alten Namen Ausländerbehörde und für
Personalmangel und lange Wartezeiten berüchtigt. Wie die Behörde Personal
gewinnen und die Verfahren beschleunigen will, beantwortete sie auf
taz-Anfrage nicht.
Einen Vorteil bringt das neue Einbürgerungsrecht dann aber doch für Berlin:
Weil die Ausbürgerung aus der bisherigen Staatsbürgerschaft und der
Sprachtest für Senioren in der Regel wegfallen, verkürzt sich in den
Behörden die Bearbeitungszeit für den Einzelfall. Das gilt auch für Leute,
die ihren Antrag vor Jahren gestellt haben, aber erst nach Inkrafttreten
des neuen Gesetzes eingebürgert werden.
Ob diese Vereinfachung allerdings die zahlreichen fehlenden Mitarbeiter
wird kompensieren können, ist offen.
27 Feb 2023
## LINKS
[1] /Reform-des-Staatsbuergerschaftsrechts/!5898274
[2] /Berlins-Integrationsbeauftragte/!5726432
[3] /2020-Auslaenderbehoerde-mit-neuem-Namen/!5649537
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Migration
Einbürgerung
Integration
Einbürgerung
Einwanderung
Schwerpunkt Flucht
Migration
Einwanderung
Kolumne Hamburger, aber halal
Migration
Kolumne Alles getürkt
Einbürgerung
Silvester
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einbürgerung in Berlin: Anschluss verloren
Vor Jahren gestellte Anträge auf Einwanderung hängen in der Warteschleife.
Nun werden digitale Neuanträge vorgezogen.
Jobverlust durch Bürokratieversagen: Der Termin als Glückssache
Im Landesamt für Einwanderung, seit 1. Januar auch für Einbürgerungen
zuständig, herrscht große Terminnot. Die Folgen für Betroffene sind
gravierend.
Migrationspolitik im Bundestag: Grüner Redebedarf bei Abschiebungen
Der Bundestag debattiert über Verschärfungen in der Migrations- und
Lockerungen in der Integrationspolitik. Es ist eine hitzige Diskussion.
Migrationsdebatte: Massenhafte Einbürgerung hilft
Wegen antisemitischer Demos will die CDU Einbürgerung erschweren. Doch
migrantischer Judenhass ist auch Ergebnis restriktiver
Einwanderungspolitik.
Antidiskriminierung bei Behörden: Diversity ist hier ein Fremdwort
Das Berliner Landeseinwanderungsamt ist bald für Einbürgerungen zuständig.
Mehr Sensibilität für Antidiskriminierung wäre essenziell – doch die fehlt.
Warten in der Ausländerbehörde: Unsere Zeit, die nichts zählt
Alle zwei bis drei Jahre muss ich meinen Aufenthaltstitel erneuern. Es ist
jedes mal eine langwierige Angelegenheit mit ungewissem Ausgang.
Migrationspolitik der Ampelkoalition: FDP blockt leichtere Einbürgerung
Zentrale Vorhaben der Regierung zu Arbeitsmigration und
Staatsangehörigkeitsrecht kommen nicht voran. SPD und Grüne sind genervt.
Integration mit Kohl und Pinkel: Einbürgerung geht durch den Magen
Als vorbildlich integrierter Türke mit deutschem Pass gehe ich natürlich
auch auf Kohl- und Pinkelfahrt. Es gibt nur ein paar kleine Änderungen.
Streit um doppelte Staatsbürgerschaft: Alle Jahrzehnte wieder
Alte Muster, sachter Fortschritt: Das Deutsche Auswandererhaus in
Bremerhaven liefert einen Beitrag zur wieder sehr aktuellen
Einbürgerungsdiskussion.
Gewalt in der Silvesternacht: Respekt vor und von dem Staat
Die jungen Randalierer sollten Staat und Sicherheitskräften gegenüber
Respekt zollen. Aber auch umgekehrt steht ihnen ein respektvoller Umgang
zu.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.