| # taz.de -- Hilfsmarathon für die Ukraine: Katerstimmung auf dem Bürgenstock | |
| > Ein Ende der russischen Invasion in der Ukraine geht nur mit Putin. Aber | |
| > wie? Soli-Zeichen und Ratlosigkeit bei der Friedenskonferenz in der | |
| > Schweiz. | |
| Bild: Der lange Weg zum Frieden: Selenskyj und viele andere Staatchefs wollen i… | |
| Bari/Bürgenstock/Luzern taz | Eigentlich läuft es richtig gut für Wolodymyr | |
| Selenskyj. Ein Großteil der Weltgemeinschaft steht geschlossen hinter dem | |
| ukrainischen Präsidenten. Die Nato-Verbündeten sammeln weiter Munition und | |
| Luftabwehrsysteme. Selenskyj ist wohl einer der am häufigsten gebuchten | |
| Gäste bei internationalen Terminen. Der Präsident im Krieg, der auf | |
| Diplomatietour punktet und punkten muss – und der nie ohne | |
| Solidaritätsbekundungen wieder abreist. | |
| Doch die Signale der Unterstützung wirken bitter, zynisch, reichen nicht | |
| aus, wenn der russische Diktator Wladimir Putin Tag für Tag die Ukraine | |
| bombardiert. Die Ukraine befindet sich im Jahr 3 der russischen Invasion. | |
| Im Osten des Landes rückt Putins Armee vor, [1][zerbombt immer wieder | |
| Wohnhäuser], öffentliche Gebäude, zerstört Energie- und Wasserversorgung. | |
| Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. | |
| [2][An diesem Wochenende lud Selenskyj selbst ein, um über einen Weg zum | |
| Frieden zu sprechen]. Gemeinsam mit der Schweiz, die sich als neutrales | |
| Land versteht, ein Land, das nicht Vermittler sein will, sondern Plattform | |
| für die, die ein echtes Interesse an einem dauerhaften Frieden haben. | |
| Fast 100 Delegationen sind gekommen, darunter viele aus dem Globalen Süden. | |
| US-Vizepräsidentin Kamala Harris ist da, EU-Kommissionspräsidentin Ursula | |
| von der Leyen, der britische Premier Rishi Sunak, Frankreichs Staatschef | |
| Emmanuel Macron, Kanzler Olaf Scholz. Saudi-Arabien hat seinen | |
| Außenminister Faisal bin Farhan al Saud geschickt, etliche afrikanische | |
| Staatenlenker, darunter der kenianische Präsident William Ruto sind | |
| gekommen, aus Lateinamerika ist der argentinische Präsident Javier Milei | |
| dabei. | |
| ## China kommt nicht, Indien schon | |
| Ein Erfolg für die Schweizer Organisator:innen: Trotz Moskauer Druck auf | |
| die Verbündeten der BRICS-Staaten hat Indien eine Delegation entsandt. Zwar | |
| ist es nicht Präsident Narendra Modi, der noch dem G7-Gipfel beiwohnte, | |
| aber immerhin ein Vertreter des Außenministeriums mit Ministerrang. | |
| Bis zuletzt war die Hoffnung groß, dass China einen Vertreter entsenden | |
| würde, hat das Land doch großen Einfluss auf Putin. Doch die Bemühungen | |
| scheiterten. Auch Russland sitzt nicht mit am Runden Tisch, an dem die | |
| nächsten Schritte Richtung Frieden beraten werden. | |
| Mit dem Helikopter werden die Staats- und Regierungschef:innen, die | |
| politischen Beobachter:innen, entsandte hochranginge Diplomat:innen auf | |
| ein Luxusressort auf dem Bürgenstock geflogen, rund 20 Minuten von Luzern | |
| entfernt. Wer den Landweg nimmt, fährt vorbei an sattgrünen Wiesen, an | |
| Bauernhäusern, der Busstation neben dem Spielplatz, hört das Läuten der | |
| Kuhglocken. Die mächtigen Berggipfel verstecken sich hinter Nebelschwaden. | |
| Frieden schaffen in einer Welt, die idyllischer kaum sein könnte. | |
| Scholz sagt, es geht darum ein deutliches Signal der Unterstützung an die | |
| Ukraine zu senden. Doch bereits vor dem Treffen schraubt er die Erwartungen | |
| herunter, und genauso ist zu deuten, dass US-Präsident Joe Biden nicht | |
| einfach vom G7-Gipfel in die Schweiz weiterreiste, sondern seine | |
| Vizepräsidentin Kamala Harris schickte. | |
| Scholz spricht recht wolkig von einem Garten, der blühen und gedeihen soll, | |
| von einem Pflänzchen, dass man jetzt gießen wolle. Und dass es | |
| Gesprächskanäle braucht. Auch zu Putin. Scholz ist bei diesem Treffen einer | |
| von vielen. Deutschland ist nach den USA zwar der zweitgrößte | |
| Waffenlieferant an die Ukraine. Um Frieden zu schaffen, braucht es die | |
| Länder des Globalen Südens, die geballte Kraft der Weltgemeinschaft. | |
| ## Dichte Abfolge von Unterstützungserklärungen | |
| Hoch über dem Vierwaldstättersee macht William Ruto, Kenias Präsident, | |
| klar, dass die russische Invasion kein alleiniges Problem der Ukraine ist. | |
| „Ein Bauer in Kenia weiß, dass Russland Krieg gegen die Ukraine führt. Sein | |
| Dünger ist teuer und er kommt zu spät“, sagt Ruto. Es geht um durch den | |
| Krieg abgeschnittene Handelsrouten, die zu noch mehr Hunger und Elend auf | |
| dem afrikanischen Kontinent führen. Und so führt Ruto die Gewalt im Sudan | |
| auf, die Not in Somalia, den Konflikt in Mali. Es ist kein Krieg in Europa, | |
| sondern einer, der die Welt und ihre Ordnung mächtig ins Wanken gebracht | |
| hat. | |
| Seit Kriegsbeginn gab es keine vergleichbare Abfolge an internationalen | |
| Terminen für Ukraine-Hilfen wie in der vergangenen Woche. Bei der | |
| [3][Wiederaufbau-Konferenz zu Beginn der Woche in Berlin] unterzeichneten | |
| ukrainische Firmen und deutsche Wirtschaftsvertreter:innen Verträge | |
| für den Aufbau von Infrastruktur, Energieversorgung, für den öffentlichen | |
| Nahverkehr. Der Wert: Mindestens 16 Milliarden Euro. Außerdem soll es einen | |
| Fonds geben, über den das Vorhaben koordiniert werden kann. | |
| Nur einen Tag nach der Berliner Konferenz bekommt Selenskyj auf dem | |
| [4][G7-Gipfel im süditalienischen Apulien] den Zuschlag für rund 50 | |
| Milliarden US-Dollar, in Kreditform, mit unklaren Konditionen. Aber schnell | |
| sollen die Milliarden fließen. Die USA wollen einen Batzen übernehmen, die | |
| EU sowieso, finanziert werden soll das ganze auch mit Hilfe der Zinsen, die | |
| durch eingefrorene russische Vermögen generiert werden konnten. Es müssten | |
| nur noch Details geklärt werden, bis die Kredite vergeben werden könnten, | |
| wird man in Bari nicht müde zu betonen. | |
| In diese frohe Botschaft platzt dazu noch die Nachricht, dass die | |
| EU-Mitgliedsstaaten sich einig sind, mit der Ukraine und Moldau | |
| Beitrittsverhandlungen zu starten. | |
| ## Der Weg zu echten Verhandlungen ist noch weit | |
| Nach der Party folgt der Kater. US-Vize Harris sagt, wir müssen diesen | |
| brutalen Krieg beenden. Aber zu den Bedingungen der Ukraine. Putin hatte | |
| ein [5][Angebot] gemacht, noch während Selenskyj von Bari nach Bürgenstock | |
| jettete: Er sei zu einer Waffenruhe bereit, wenn die Ukraine auf die | |
| besetzten Gebiete verzichte und auf einen Nato-Beitritt in der Zukunft. | |
| Harris erteilte Putins Vorschlag eine Absage – und bezog sich auf deren | |
| Unabhängigkeit, auf die Souveränität der Ukraine. Einen Friedensvorschlag | |
| hat sie nicht, aber ein weiteres Hilfspaket in Milliardenhöhe für | |
| Selenskyj. | |
| Der Weg zu einer echten Verhandlungsrunde mit Russland ist noch sehr weit, | |
| heißt es aus Diplomatenkreisen. Putin selbst zeigte im Vorfeld kein | |
| Interesse an einer Teilnahme, doch eine Folgekonferenz muss es geben, dafür | |
| gibt es breite Zustimmung. Möglicher Treffpunkt: Saudi-Arabien. | |
| Bleibt die Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock ein weiterer Termin in | |
| einer Reihe von vielen nach Gesprächen in Kopenhagen, Dschidda oder Davos? | |
| Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas bringt es wie viele ihrer | |
| Nachbarstaaten – Lettland, Litauen, Georgien, Moldau, die unmittelbar durch | |
| die russische Aggression bedroht werden – auf den Punkt: „Wir wissen was | |
| auf dem Spiel steht. Lasst uns aus unseren Fehlern der Vergangenheit | |
| lernen.“ | |
| 16 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tanja Tricarico | |
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